Folge 321

Arbeitszeit – aktuelle Entwicklungen I – Rechtsgrundlagen und Direktionsrecht

(Stand 2025)


Frage:


Darf mein Arbeitgeber von mir jede Arbeitszeit verlangen, die er für betrieblich notwendig hält? Bin ich verpflichtet, Überstunden zu leisten? Gibt es einen gesetzlichen Arbeitszeitschutz und eine gesetzliche Höchstarbeitszeit und wie sieht diese aus?


Der Fall:


Arbeitgeberin Coco Cianelli stellt den Arbeitnehmer Felix Wankel ein, damit er ihr einen neuen Parfümdosierungsmotor für Flacons konstruiert und baut. Den Kraftfahrer Karl Liebknecht stellt sie ein, damit dieser eilige Parfümsendungen an VIP-Kunden zu jeder Tages- und Nachtzeit exklusiv ausliefert.

Damit der Technologievorsprung erhalten bleibt, verlangt Arbeitgeberin Coco von Wankel, dass er Tag und Nacht an der Entwicklung des Dosierungsmotors bleibt.

Auch Karl Liebknecht muss je nach Laune der Kunden Tag und Nacht und an Wochenenden die Parfümbestellungen ausfahren.

Um Festlegungen und Diskussionen zu vermeiden, hat Arbeitgeberin Coco von vorneherein in den Arbeitsverträgen festgelegt, dass die Arbeitszeit alleine von der Arbeitgeberin nach betrieblichen Notwendigkeiten festgelegt wird. Beide Arbeitnehmer fragen sich, ob dies zulässig ist.

Arbeitgeber Alfred Hitchcock braucht für das Drehbuch eines neuen Thrillers einen Theologen, der ihn berät. Dafür stellt er Rudolf Bultmann ein.

Nach den Hollywood-Gebräuchlichkeiten geht Hitchcock davon aus, dass Bultmann regulär 60 – 90 Stunden pro Woche arbeitet oder wenigstens ihm zur Verfügung steht. Da Bultmann seine Arbeitsleistung in Deutschland erbringt, hat er Zweifel am Umfang einer solchen Arbeitszeit.


Die Lösung:


1. Arbeitszeit


Arbeitszeit ist die Zeitspanne, während ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung stellt bzw. stellen muss, selbst wenn er nicht arbeitet. Arbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die Zeitspanne vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen (Ausnahme Bergbau).

Grundsätzlich beginnt und endet die Arbeitszeit mit der Arbeitsaufnahme oder der Beendigung am Arbeitsplatz. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet, sondern seine Arbeitskraft für den Arbeitgeber am Arbeitsplatz lediglich bereithält.

Kraft eines Tarifvertrages, eines Arbeitsvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder betrieblicher Übung kann auch geregelt werden, dass der Weg auf dem Betriebsgelände, das Umkleiden vor oder nach der Arbeit oder gar die Wegezeiten zur Arbeitszeit zählen können.


2. Regelung der Arbeitszeit


Die Arbeitszeit kann auf verschiedene Weise in der Praxis geregelt sein. Hier muss der Bewerber oder Arbeitnehmer wie der Arbeitgeber genau differenzieren und aufpassen.

– Die Arbeitszeit ist zunächst gesetzlich im öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitrecht geregelt. Die zentrale gesetzliche Regelung in Deutschland ist dafür das Arbeitszeitgesetz (ArbZG).

Dieses Arbeitszeitgesetz hat die frühere Arbeitszeitordnung abgelöst. Darüber hinaus gilt in Europa die EG-Richtlinie 2000/88/EG vom 4.11.2003 („Arbeitszeitrichtlinie“ genannt).

– Darüber hinaus sollte dringend die konkrete Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers von den Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag festgehalten und geregelt werden. Dies gilt vor allem für
Teilzeitarbeitnehmer, die nur eine ganz bestimmte Dauer der wöchentlichen oder täglichen Arbeitszeit arbeiten wollen.

Hier empfiehlt es sich auch dringend, die Lage der Arbeitszeit (vormittags, nachmittags, von – bis) genau festzulegen. Bei Teilzeitarbeitnehmern findet sich in Arbeitsverträgen u.U. auch die Vereinbarung einer Abrufarbeit bzw. einer flexiblen Arbeitszeit.

– Dringend zu empfehlen ist auch die Regelung der Arbeitsvergütung im Arbeitsvertrag und ihre Verknüpfung oder Relation zur Arbeitszeit. Dazu gehört die Frage des Stundenlohnes, der Monatsvergütung, der Überstundenvergütung, Sonn- und Feiertagszuschläge etc.

– Die reguläre wöchentliche Arbeitszeit/Vollarbeitszeit ist generell in den Tarifverträgen der einzelnen Branchen festgelegt, insbesondere in Mantel- oder Rahmentarifverträgen. Die Frage ist nur, ob diese Tarifverträge auf die jeweiligen Arbeitsverhältnisse zwingend normativ (Zugehörigkeit zu Gewerkschaft und Arbeitgeberverband) oder durch vertragliche Vereinbarung oder auch gar nicht Anwendung finden.

– Bei der Festlegung der Arbeitszeit ist zusätzlich noch die zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz zu beachten. Dies gilt jedenfalls in den Betrieben, in denen ein Betriebsrat
gewählt worden ist.

In diesen Betrieben werden generell Beginn und Ende der betrieblichen täglichen Arbeitszeit/Vollarbeitszeit durch Betriebsvereinbarung festgelegt. Diese Betriebsvereinbarung gilt für Vollzeitarbeitnehmer normativ und zwingend. Teilzeitarbeitnehmer können davon abweichend geringere Arbeitszeiten mit einem für sie günstigeren Beginn und Ende der Arbeitszeit vereinbaren, soweit nicht in der Betriebsvereinbarung auch für Teilzeitmitarbeiter Regelungen vorhanden sind.

Auch die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage kann durch das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats per
Betriebsvereinbarung geregelt werden.


3. Arbeitszeit im Arbeitsvertrag


Soweit keine zwingenden normativen Regelungen vorhanden sind (Arbeitszeitgesetz, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen)
können die Arbeitsvertragsparteien festlegen, bis zu welcher Höchstdauer der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet sein soll. Sie können darüber hinaus festlegen, wann täglich Beginn und Ende der Arbeitszeit ist und wie die Arbeit auf die einzelnen Wochentage verteilt wird.

Achtung: Die zwingenden Regeln des Arbeitszeitgesetzes bezüglich der Höchstarbeitszeit (10 Stunden pro Arbeitstag) und die Regelungen einer Betriebsvereinbarung sind aber stets zu beachten! Davon darf nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden, wenn z.B. eine geringere Arbeitszeit (Teilzeitarbeit) vereinbart wird.


4. Direktionsrecht


In Arbeitsverträgen kann insbesondere auch das Direktionsrecht des Arbeitgebers geregelt werden, z.B. wegen Überstunden oder wegen Zusatzarbeit, flexiblen Arbeitseinsatz oder Ausnahmeregelungen. Das Recht auf Anordnung von Überstunden kann im Arbeitsvertrag auch beschränkt werden oder ein bestimmter Umfang festgelegt werden.

In dringenden Fällen (Notfällen) ist der Vollzeitarbeitnehmer auch verpflichtet, ohne ausdrückliche arbeitsvertragliche Regelung Überstunden abzuleisten. Dies gilt aber nicht in unbegrenztem Umfange. Für
Teilzeitarbeitnehmer gilt eine Pflicht zu Überstunden nicht.

Es ist deshalb falsch, wenn Arbeitgeberin Coco Cianelli oder Arbeitgeber Alfred Hitchcock meinen, dass sie unbegrenzt die Arbeitszeit per
Direktionsrecht die Arbeitszeit regulieren und ausweiten durften. Sowohl das Arbeitszeitgesetz wie die Europäische Arbeitszeitrichtlinie beschränken die zulässige Höchstarbeitszeit.

Auch das in § 106 Gewerbeordnung geregelte Weisungsrecht oder Direktionsrecht des Arbeitgebers ist beschränkt. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur nach billigem Ermessen näher bestimmen. Er muss die berechtigten Interessen des Mitarbeiters in jedem Falle ausreichend berücksichtigen.

In Vollarbeitsverhältnissen wird sehr oft keine eigene Arbeitszeitregelung getroffen. Dies ist regelmäßig auch nicht notwendig, da die betriebliche Arbeitszeit einerseits durch das Arbeitszeitgesetz, andererseits durch tarifvertragliche Bestimmungen oder durch Betriebsvereinbarungen geregelt ist. Soweit im Arbeitsvertrag keine eigenen Regelungen getroffen sind, gelten diese allgemeinen Regeln mit der betriebsüblichen Arbeitszeit.

Das Direktionsrecht des Arbeitgebers muss sich in diesem Rahmen bewegen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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