Folge 166

Neue Klagefrist III



Der Fall


    Herodes kündigt Johannes, um ihn dem Zugriff der rachsüchtigen Salomé zu entziehen. Der verblendete Johannes will aber weiterarbeiten und behauptet, die
    schriftliche Kündigungserklärung nicht erhalten zu haben. Außerdem meint er, daß er die gesetzliche Klagefrist nicht einzuhalten braucht, weil die schriftliche Kündigung nicht die Originalunterschrift des
    Herodes enthielt, sondern nur seinen Faksimilestempel. Dies reiche nicht.

    Herodes kündigt auch den schwerbehinderten Nebukadnezar mit Zustimmung des Integrationsamtes, fügt diese Zustimmung aber nicht bei.
    Herodes kündigt außerdem den Betriebsrat Pilatus. Pilatus und Nebukadnezar versäumen die Klagefrist. Sie meinen, daß dies wegen ihres besonderen Kündigungsschutzes unschädlich wäre. Die Klage sei trotzdem
    möglich.



Die Lösung



1. Fristlauf mit Zugang


    § 4 KSchG bestimmt, daß die 3-Wochen-Klagefrist mit dem Zugang der schriftlichen Kündigung anfängt zu laufen. Wenn der verblendete Johannes den Zugang
    der schriftlichen Kündigung bestreitet, muß Arbeitgeber Herodes den Zugang vor Gericht darlegen und beweisen. Dies kann schwierig sein. Einschreiben mit Rückschein kann problematisch sein, da auch der Inhalt des
    Einschreibens bestritten werden kann. In der Regel ist am sichersten die persönliche Übergabe mit Quittierung oder den Einwurf des Kündigungsschreibens durch Boten in den Briefkasten des Johannes. Dabei muß der
    Bote aber zunächst das Kündigungsschreiben lesen, um gesehen zu haben, was er einwirft. Gelingt dies Herodes nicht, gewinnt Johannes und fällt der Salomé in die Hände.



2. Schriftlichkeit


    Die Klagefrist des Johannes läuft nur, wenn die Kündigung schriftlich ist, § 623 BGB. Nach § 126 BGB erfordert Schriftlichkeit die eigenhändige
    Unterschrift des Kündigenden, also des Herodes. Es reicht nicht aus, daß ein Unterschriften-Faksimilestempel von Herodes verwandt wurde. Auch ein Fax-Schreiben des Herodes reicht nicht aus, da seine Unterschrift
    dort nur kopiert ist. Es muß dem Arbeitnehmer die Originalunterschrift im Schreiben zugehen.

    Andernfalls würde die Klagefrist des § 4 KSchG nicht in Gang gesetzt werden. Auch mit dieser Rüge begibt sich
    Johannes erfolgreich in die Hände der Salomé.



3. Behördliche Vorverfahren


    In § 4 Satz 4 KSchG hat der Gesetzgeber eine wichtige Regelung getroffen:

    “Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist
    zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.”

    Diese Vorschrift betrifft insbesondere die Fälle der Schwerbehinderung und der notwendigen
    Zustimmung des Integrationsamtes nach § 85 SGB IX, die Fälle der Schwangerschaft und des Mutterschutzes und der notwendigen behördlichen Zustimmung entsprechend §§ 9 ff. Mutterschutzgesetz, sowie die Fälle der
    Elternzeit und der notwendigen behördlichen Zustimmung nach § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz.

    In diesen Fällen muß der Arbeitgeber spätestens mit der Kündigung dem Arbeitnehmer die behördliche Zustimmung, d.h.
    den behördlichen Bescheid bekanntgeben bzw. übergeben, um die Klagefrist in Gang zu setzen.

    Geht die behördliche Entscheidung dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber oder durch die Behörde bereits vor
    Ausspruch der Kündigung zu, so beginnt damit noch nicht die Klagefrist. Allerdings hat der Arbeitnehmer Kenntnis. Die Klagefrist beginnt dann mit Zugang der Kündigungserklärung.

    Unterläßt der Arbeitgeber die
    Mitteilung oder Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung gegenüber dem Arbeitnehmer und wird sie ihm auch anderweitig nicht bekannt, so läuft die gesetzliche Klagefrist nicht. Der Arbeitnehmer kann auch noch
    später gegen die Kündigung klagen.


    Achtung:

    Entscheidend ist, daß der Arbeitgeber überhaupt von dem besonderen Kündigungsschutz, also von der Tatsache der Schwangerschaft, der Anerkennung einer Schwerbehinderung oder der Erziehungszeit weiß. Wenn der Arbeitgeber diese Tatsachen nicht kennt, weiß er auch nicht, daß ein behördliches Verfahren einzuleiten ist. In diese Fällen muß der Arbeitnehmer deshalb schon innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung klagen, um nicht später zu unterliegen.

    Dies bedeutet, daß die Klagefrist des § 4 KSchG auch dann läuft, wenn der Arbeitgeber Herodes nichts von der Schwerbehinderung des Nebukadnezar weiß, nur weil dieser keine Mitteilung gemacht hat!

    Die
    Kündigung des Betriebsrats Pilatus ist von diesem Problem unberührt. Pilatus muß in jedem Fall innerhalb der 3-Wochen-Frist klagen. Die Zustimmung zu einer Betriebsratskündigung nach § 103 BetrVG durch das
    Betriebsratsgremium ist kein behördliches Verfahren. Hat der Arbeitgeber es unterlassen, die Zustimmung des Betriebsratsgremiums einzuholen, so läuft gleichwohl die gesetzliche Klagefrist.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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