Der Fall
  
 
  
   Dem Baumeister Daidalos geht es wirtschaftlich schlecht. Er möchte seinen Bauarbeiter Ikarus wie auch seine Buchhalterin Aurora so schnell wie möglich aus
                                    der Gehaltsliste entfernen, um eine Insolvenz zu vermeiden.
   
   Deshalb kündigt er beide schnellstmöglich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Als Ausgleich bietet er beiden einen Abfindungsvergleich an mit
                                    einer Abfindungshöhe von jeweils EUR 3.000, sofort zahlbar.
   
   Ikarus träumt von einer Weltreise mit dem Geld und will schnellstmöglichst weg. Buchhalterin Aurora dagegen besteht auf Einhaltung der
                                    Kündigungsfrist und möchte lieber einen gerichtlichen Vergleich abschließen.
  
 
 
  
   Die Lösung
  
 
 
  
   1. Kündigungsfrist
  
 
  
   Es gibt verschiedene Kündigungsfristen, nämlich die gesetzlichen Fristen, tariflichen Fristen oder arbeitsvertragliche Fristen. Die gesetzlichen
                                    Kündigungsfristen sind als Mindestkündigungsfristen stets einzuhalten, sofern nicht ein im Arbeitsverhältnis gültiger Tarifvertrag etwas anderes vorsieht.
   
   Die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist kann den
                                    Arbeitnehmer zum einen viel Geld kosten, zum anderen macht dieses Tatsache neue Arbeitgeber mißtrauisch. Schließlich wirkt sich dieser Fehler auch beim Arbeitslosengeld aus.
   
   Haben arbeitslose Arbeitnehmer
                                    wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung oder ähnliche Leistungen erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet worden, so ruht der
                                    Anspruch auf Arbeitslosengeld.
   
   Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer in dieser Zeit nicht mit einer Arbeitslosengeldzahlung rechnen darf. Nach § 143 a Sozialgesetzbuch III ruht in diesem Fall das
                                    Arbeitslosengeld vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zum Ende der einzuhaltenden Kündigungsfrist, längstens 1 Jahr.
   
   Buchhalterin Aurora hat recht, wenn sie die Einhaltung der Kündigungsfrist fordert. Ein
                                    Auflösungsvertrag ohne Einhaltung der Kündigungsfrist birgt für die Arbeitnehmer so viele Nachteile, daß dies kaum mit einer Abfindung aufgewogen werden kann. Etwas anderes gilt nur, wenn die Arbeitnehmerin
                                    sofort eine neue Arbeitsstelle hätte und nicht auf das Arbeitslosengeld angewiesen wäre.
  
 
 
  
   2. Sperrzeit
  
 
  
   Nach § 144 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch III und der neuen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen die gekündigten Arbeitnehmer Ikarus und Aurora
                                    damit rechnen, daß sie bei Abschluß eines Auflösungs- oder Abwicklungsvertrages von der Arbeitsagentur eine Sperrzeit von 12 Wochen wegen freiwilliger Aufgabe ihres Arbeitsverhältnisses erhalten.
   
   Nach der
                                    neuesten Rechtsprechung muß von einer Mitwirkung der Arbeitnehmer bei der Herbeiführung der Arbeitslosigkeit auch bei einem nachträglichen Abwicklungsvertrag ausgegangen werden, die eine Sperrzeit auslöst.
   
   Davon gibt es allerdings einige Ausnahmen.
  
 
 
  
   3. Ausnahmen
  
 
  
   – Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld soll von der Arbeitsagentur dann nicht erhoben werden, wenn der Abwicklungsvertrag später als 3 Wochen nach
                                    Ausspruch der Kündigung vereinbart wurde und nur noch restliche Einzelheiten geregelt werden, wie z.B. eine Abfindung.
   
   – Eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld entfällt auch dann, wenn die Arbeitnehmer für die
                                    Lösung des Arbeitsverhältnisses einen wichtigen Grund besitzen. Dafür müssen erhebliche Vertragsverletzungen des Arbeitgebers vorliegen. Daidalos sind solche gravierenden Vertragsverstöße aber nicht vorzuwerfen.
   
   – Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könnte ein gerichtlicher Vergleich vor dem Arbeitsgericht die Verhängung einer Sperrzeit verhindern. Dies ist nicht zwingend, es bestehen aber gute Chancen.
                                    Dazu müßte allerdings die Buchhalterin Aurora zunächst innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.
  
 
 
  
   4. Fazit
  
 
  
   Zur Verhinderung von Nachteilen für Arbeitnehmer ist die Einhaltung der gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Kündigungsfrist unabdingbar. Ein
                                    Abweichen davon ist nur in Ausnahmefällen für den Arbeitnehmer von Vorteil.
   
   Mittlerweile ist in den meisten Fällen des außergerichtlichen Beendigungsvergleichs mit der Verhängung einer Sperrzeit von 12 Wochen
                                    nach § 144 SGB III zu rechnen. Davon gibt es nur noch wenige Ausnahmen. Im Zweifel ist den gekündigten Arbeitnehmern zu raten, zunächst Kündigungsschutzklage innerhalb der gesetzlichen Klagefrist zu erheben. Der
                                    Abschluß eines gerichtlichen Abwicklungsvertrages ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dann geeignet, eine Sperrzeitentscheidung zu verhindern. Die Arbeitsagentur ist an einen solchen Vergleich
                                    allerdings nicht gebunden.
   
   Eine weitere Möglichkeit wäre Vorgehensweise nach § 1 a Kündigungsschutzgesetz. Dazu müßte der Arbeitgeber zusammen mit der Kündigung dem Arbeitnehmer ein Abfindungsangebot von
                                    mindestens ½ Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr schriftlich vorlegen, verbunden mit der Bedingung, keine Kündigungsschutzklage zu erheben.
   
   Der gekündigte Arbeitnehmer kann dieses Angebot dann durch
                                    Verstreichenlassen der Klagefrist annehmen. Er besitzt dann einen Abfindungsanspruch, der nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zur Verhängung einer Sperrzeit führen darf. Dieser Anspruch auf Abfindung ist
                                    allerdings noch nicht vollstreckbar. Sollte der Arbeitgeber nicht zahlen, müßte die Mitarbeiterin vor dem Arbeitsgericht noch auf Zahlung klagen.