Folge 93

Entgeltumwandlung II – Welches Entgelt kann umgewandelt werden?



Der Fall:


    Entgeltumwandlung ist ein Schlagwort, das zunächst wenig aussagekräftig ist. Arbeitgeberin Steffi und Mitarbeiterin Serena fragen sich deshalb, welche
    Vergütungsbestandteile und auf welchem Wege umgewandelt werden könnten. Der Gesetzgeber stellt sie vor große Rätsel mit seinen Formulierungen.



Die Lösung



1. Entgeltverzicht


    Entscheidender Baustein bei der Entgeltumwandlung ist der Verzicht der Arbeitnehmerin Serena auf Entgelt oder Entgeltbestandteile gegenüber der
    Arbeitgeberin Steffi. Aufgrund dieses Verzichtes verspricht die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin im Vertragswege die Abführung eines wertgleichen Betrages auf ein Altersversorgungskonto der Arbeitnehmerin. Durch
    diesen Verzicht entsteht der Vergütungsanspruch der Arbeitnehmerin nur in gekürzter Form. Dieser Verzicht ist die Voraussetzung dafür, daß Sozialversicherungsbeiträge und Steuerpflicht nicht oder nur in
    verminderter Form entstehen.

    Ein Verzicht bei Tarifansprüchen ist jedoch problematisch. Er setzt in der Regel eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag voraus.



2. Was ist umwandlungsfähiges Entgelt?


    Früher sprach man von “Gehaltsumwandlung”. Mit der neuen gesetzlichen Regelung ist klargestellt, daß nicht nur eine Gehaltsumwandlung im Rahmen der
    betrieblichen Altersversorgung möglich ist. Vielmehr ist die Umwandlung von Entgelten aller Art möglich. Es ist Verzicht auf laufendes Gehalt möglich, Spesen und Zulagen, aber auch auf jeden anderen geldwerten
    Vorteil. Darunter können Gratifikationen fallen, vermögenswirksame Leistungen, Deputate, zukünftige Gehaltserhöhungen, Tantiemen, Ersatz für Sachbezüge und geldwerte Vorteile aus Dienstwagenansprüchen.



3. Künftige Entgeltansprüche


    Der Gesetzgeber hat ausdrücklich geregelt, daß nur “künftige” Entgeltansprüche umwandelbar sind. Eine weitere Definition, was darunter zu verstehen ist,
    fehlt.

    Es muß davon ausgegangen werden, daß nur Ansprüche unter die Entgeltumwandlung fallen, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht entstanden waren und außerdem noch nicht fällig sind. Die
    Entgeltansprüche sind schon vertraglich oder durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung etc. vereinbart, sollen aber erst in der Zukunft durch zu erbringende Arbeit entstehen und fällig werden.


    Fall 1:

    Steffi und Serena wollen künftige Gehaltserhöhungen in eine Altersversorgung umwandeln. Das geht nicht. Da zukünftige Gehaltserhöhungen noch nicht vertraglich oder tarifvertraglich vereinbart sind, fehlt ein künftiger Anspruch. Künftige Gehaltserhöhungen sind lediglich Aussichten ohne Rechtsanspruch.


    Fall 2:

    Ende 2002 vereinbaren Steffi und Serena die Umwandlung von 50 % der jeweiligen Januargehälter 2003 bis 2006. Es handelt sich um künftige, vertraglich vereinbarte Ansprüche. Eine Umwandlung ist möglich.


    Fall 3:

    Weihnachtsgeld / Jahressonderzahlung / 13. Monatsgehalt / Urlaubsgeld soll umgewandelt werden. Dies wird im November 2002 vereinbart. Eine solche Vereinbarung ist unproblematisch, soweit es sich um Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt etc. ab 2003 handelt. Es ist vertraglich oder tarifvertraglich von Arbeitgeberin Steffi geschuldet, entsteht aber erst zukünftig ab dem Jahr 2003.

    Dagegen könnte das Weihnachtsgeld 2002 nicht mehr im November 2002 umgewandelt werden. Der Anspruch 2002 ist nämlich ganz oder “pro rata temporis” zu 10/12 bereits entstanden.


    Fall 4:

    Steffi und Serena wollen nur einmalig das Gehalt für Juli 2003 der Vereinbarung vom November 2002 umwandeln. Arbeitsrechtlich ist diese Umwandlung unproblematisch. Allerdings wollen bisher verschiedene Oberfinanzdirektionen das Steuerprivileg für die einmalige Umwandlung eines einzelnen Monatsgehaltes nicht gewähren. Deshalb sollte in diesem Fall der Arbeitgeber beim zuständigen Finanzamt anfragen und um schriftlichen Bescheid über die Steuerpauschalierung oder Steuerbefreiung bitten.



4. Wertgleiche Anwartschaft


    Das Gesetz fordert weiterhin die Umwandlung künftiger Entgeltansprüche in eine “wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen”. Eine gesetzliche
    Definition fehlt.

    Mangels Rückgriff des Gesetzgebers auf versicherungsmathematische Grundsätze muß davon ausgegangen werden, daß der Begriff “wertgleich” nicht auf eine versicherungsmathematische
    Vergleichbarkeit eingeengt ist. Vielmehr ist damit im Sinne eines Austauschverhältnisses eine wirtschaftlich vergleichbare Versorgungsanwartschaft gemeint. Im Zweifel müßte Steffi z.B. bei einem Verzicht auf
    Weihnachtsgeld in Höhe von 2000 Euro brutto den selben Betrag auf das Altersversorgungskonto von Serena überweisen. Steffi hätte dann die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung gespart.

    Die Rechtsprechung muß diesen unklaren Begriff noch klären.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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