Der Fall:
Arbeitgeberin Steffi weiß nicht, wie die wirtschaftliche Zukunft ihres Tennis-Zirkusses sich entwickeln wird. Sie will den Arbeitnehmern eine
betriebliche Altersversorgung gönnen.
Sie will sich aber auch absichern, falls es dem Zirkus einmal schlecht gehen sollte. Da die Arbeitnehmer Boris, Serena und Venus alle unterschiedliche Anlageformen
wünschen, fragt sie den erfahrenen Ratgeber Dr. Hunziger um Rat: Welche Rechtsform hilft ihr später am Besten, die Altersversorgungszusage wieder abzubauen, falls es ihrem Unternehmen schlechtgehen sollte? Geht
das überhaupt noch?
Dr. Hunziger: “Es geht. Aber: Die am Anfang gewählte Rechtsform der Zusage ist entscheidend für den Weg und die Spielräume, die der Arbeitgeber hat. Drum prüfe, wer sich lange bindet!”
Die Lösung:
1. Änderung der Versorgungszusage?
Versorgungszusagen sind auf Dauer angelegt. Dies gilt für den Arbeitnehmer wie für den Arbeitgeber. Ein Arbeitsleben ist nicht wiederholbar.
Deshalb
ist es nach der Rechtsprechung generell ausgeschlossen, Versorgungszusagen ohne Weiteres im Nachhinein zu ändern bzw. zu verschlechtern. Davon gibt es aber Ausnahmen:
Unter bestimmten Voraussetzungen, beim
Vorliegen sachlicher triftiger oder zwingender Gründe können Versorgungszusagen verschlechtert werden.
Sachlicher Grund:
Sollen nur die zukünftigen, nicht erdienten Zuwachsraten / Steigerungsraten gekürzt / abgeflacht werden, so ist eine solche Verschlechterung zulässig bei Vorliegen eines sachlich-proportionalen Grundes. Dieser liegt vor, wenn der Unternehmerin Steffi aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage die uneingeschränkte Aufrechterhaltung ihrer vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr zugemutet werden kann.
Triftiger Grund:
Ist aufgrund der Entwicklung die Substanz des Unternehmens gefährdet (triftiger Grund), kann nicht einmal mehr die Rente erwirtschaftet werden, so darf Unternehmerin Steffi auch in die “zeitanteilig erdiente Dynamik” eingreifen (z.B. das “bemessungsfähige Entgelt” als Berechnungsgröße für die spätere Rente kürzen).
Zwingender Grund:
Eingriffe in schon vom Arbeitnehmer erdiente Besitzstände sind generell ausgeschlossen. Einzige Ausnahme ist der zwingende Grund. Als solcher ist bisher nur die “Überversorgung” anerkannt. D.h., durch unvorhersehbare Entwicklungen könnte der Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses (65. Lebensjahr) aufgrund Sozialversicherungsrente und einer überhöhten Betriebsrente mehr als 100 % der letzten Nettovergütung erhalten. Das braucht Unternehmerin Steffi nicht aus ihren eigenen Betriebsmitteln zu finanzieren.
2. Anspruchsgrundlage
Die Möglichkeit der Veränderung oder Verschlechterung von Versorgungszusagen ist entscheidend abhängig von der Art der Anspruchsgrundlage. Deshalb fragt
Arbeitgeberin Steffi zurecht, welche Anspruchsgrundlage sie wählen soll.
3. Echter Individualvertrag
Individualverträge können nur durch eine Änderungskündigung geändert werden. Bei hunderten von Arbeitnehmern wären dies hunderte von Kündigungen,
Prozesse, Urteile und damit ein hohes Risiko für Steffi: Dies ist eine sehr unpraktische Lösung.
3. Gesamtzusage
Gesamtzusagen sind zwar Verträge im dogmatischen Sinne. Sie haben jedoch aufgrund des Massengeschäftes und der Einheitlichkeit einen “kollektiven
Einschlag”. Deshalb muß der Arbeitgeber bei der Änderung nicht generell hunderte oder tausende Änderungskündigungen aussprechen. Er kann unter bestimmten Voraussetzungen die Gesamtzusage durch eine
Betriebsvereinbarung verändern und umstrukturieren. Dazu muß der Betriebsrat Agassi zustimmen.
4. Betriebsvereinbarung
Betriebsvereinbarungen können nur durch eine neue abändernde, umstrukturierende oder “verbösernde” Betriebsvereinbarung geändert werden.
Hier bestimmt
von Anfang an der Betriebsrat voll mit. Das kann in der Praxis sehr hilfreich sein, auch wenn sich der Unternehmerin Steffi bei dem Gedanken zunächst die Haare sträuben.
5. Versorgungstarifverträge
Versorgungstarifverträge können wiederum nur durch die Tarifvertragsparteien mittels eines neuen Tarifvertrages geändert werden.
6. Schließung des Versorgungswerkes
Sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat bzw. die Tarifvertragsparteien über die Änderung oder Verschlechterung eines Versorgungswerkes nicht einig
werden, so kann der Arbeitgeber dieses Versorgungswerk schließen. Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber durch Kündigung eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung die Möglichkeit
hat, alle neueintretenden Mitarbeiter nach Ablauf der Kündigungsfrist von dem betrieblichen Versorgungswerk auszuschließen oder ihnen verschlechterte Leistungen anzubieten.
Die Möglichkeit der Schließung des
Versorgungswerkes für neueintretende Mitarbeiter hat der Arbeitgeber auch bei der Gesamtzusage.
Achtung:
Die betriebliche Altersvorsorge durch Entgeltumwandlung kann der Arbeitgeber dagegen nicht verhindern. § 1 a BetrAVG bestimmt, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen kann, von seinen zukünftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % vom Hundert der jeweiligen Rentenbeitragsbemessungsgrenze durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung zu verwenden.
Hierbei gibt es auch keine Möglichkeit der Kürzung für Steffi, da die Arbeitnehmer ihre betriebliche Altersversorgung alleine finanziert haben.