Folge 88

Vorteile und Besonderheiten der Betriebsrente



Der Fall:


    Arbeitgeberin Steffi betreut ein Tenniszirkus-Unternehmen. Sie hat dem sozial schwachen Arbeitnehmer Boris wegen seiner zunehmenden Kinderzahl eine
    Betriebsrente auf ihre Kosten zugesagt. Für die Arbeitnehmerin Serena hat sie auf deren Wunsch eine Entgeltumwandlung durchgeführt (statt Weihnachtsgeld). Die Arbeitnehmerin Venus wollte eine
    Netto-Entgeltumwandlung im Wege der Riester-Rente mit den entsprechenden Zuschüssen.

    Alle drei Arbeitnehmer, aber auch die Arbeitgeberin Steffi wollen wissen, was nun eigentlich für die Betriebsrente im
    “Gesetz zur Verbesserung der Betrieblichen Altersversorgung” (BetrAVG), genannt Betriebsrentengesetz, enthalten ist.



Die Lösung:



1. Allgemeines


    Zunächst ist festzuhalten, daß das Betriebsrentengesetz für einen Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Betriebsrat nur sehr schwer zu lesen und zu verstehen
    ist. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, daß bei der Unverständlichkeit der Gesetzessprache im Zweifelsfalle fachlicher Rat eingeholt wird. Das Gesetz ist so formuliert, daß für Nichtfachleute Mißverständnisse
    nahezu unausweichlich sind.

    Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber das Gesetz immer erst der entsprechenden vorausgehenden Rechtsprechung nachgearbeitet hat. Deshalb sind die bestehenden Probleme des
    Betriebsrentenrechtes nur sehr unvollständig regelt. Neben dem Gesetz gibt es eine sehr umfangreiche und selbst für Fachleute kaum zu überblickende Rechtsprechung.

    Aus diesem Grunde können in dieser Folge nur
    die 4 wesentlichen Regelungsbereiche des Gesetzes kurz angerissen werden. Mehr ist nicht möglich.



2. Unverfallbarkeit


    Der Arbeitgeber sagt in der Regel eine betriebliche Altersversorgung zu mit der Bedingung, daß der Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Rentenalters im
    Arbeitsverhältnis verbleibt. Dies ist aber in der Realität meist nicht der Fall. Aus diesem Grunde regelt das Gesetz die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer die schon erdiente Versorgungsanwartschaft
    mitnehmen kann, auch wenn er vorzeitig, d.h. vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dies nennt der Gesetzgeber “Unverfallbarkeit”.

    Das Betriebsrentengesetz
    bestimmte deshalb in § 1, daß eine Versorgungsanwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden dann unverfallbar ist, wenn der Arbeitnehmer beim Ausscheiden das 35. Lebensjahr vollendet hatte und mindestens 10 Jahre
    Betriebszugehörigkeit aufwies.

    Für neue Betriebsrentenzusagen ab dem 1.1.2002 gilt aufgrund der letzten Reform durch das Altersvermögensgesetz gem. § 1 b BetrAVG eine neue, verkürzte Unverfallbarkeitsfrist,
    nämlich:

    – Vollendung des 30. Lebensjahres und

    – 5 Jahre Bestand der Versorgungszusage,

    wenn der Arbeitnehmer vorzeitig ausscheidet. Für Altzusagen vor dem 1.1.2002 gilt eine Übergangsregelung nach § 30
    f BetrAVG.

    Mit dieser Unverfallbarkeitsregel hat der Gesetzgeber die unternehmerische Freiheit bei freiwilligen Leistungen eingeschränkt.

    Scheidet der Arbeitnehmer vor Erreichen der 10-Jahres- oder
    5-Jahres-Frist, bzw. vor Erreichen des 35. oder 30. Lebensjahres aus, so geht eine erdiente Versorgungsanwartschaft ersatzlos unter.



3. Sonderregelung für Entgeltumwandlung


    Soweit die betriebliche Altersversorgung auf Entgeltumwandlung (einschließlich “Riester-Rente”) beruht, behält der Arbeitnehmer nach § 1 b Abs. 5 BetrAVG
    seine Rentenanwartschaft auch (bei vorzeitigem Ausscheiden) immer. Versorgungszusagen, die auf Entgeltumwandlung beruhen und damit voll vom Arbeitnehmer finanziert sind, sind ab dem 1. Tag des
    Arbeitsverhältnisses unverfallbar.

    Wenn die umgewandelten Entgeltbeträge in einer Direktversicherung / Lebensversicherung oder in einer Pensionskasse / einem Pensionsfonds angelegt werden (im Falle von Serena
    und Venus), so muß die Arbeitgeberin Steffi den Arbeitnehmerinnen Serena und Venus schon mit Beginn der Entgeltumwandlung ein unwiderrufliches Bezugsrecht für die Lebensversicherung einräumen. Die Arbeitgeberin
    ist zwar Versicherungsnehmerin und die Arbeitnehmerin nur Begünstigte. Durch das unwiderrufliche Bezugsrecht soll die Arbeitnehmerin jedoch davor gesichert werden, daß Arbeitgeberin Steffi das Bezugsrecht
    widerruft und die Lebensversicherung auf eine andere Person überträgt.

    Außerdem bestimmt das Gesetz, daß im Falle der Lebensversicherung die Überschußanteile nicht an die Arbeitgeberin ausgezahlt werden
    dürfen, sondern nur zur Verbesserung der Leistung dienen.

    Schließlich muß bei Entgeltumwandlung der ausgeschiedenen Arbeitnehmerin das Recht zur Fortsetzung der Versicherung oder Versorgung mit eigenen
    Beiträgen eingeräumt werden und das Recht zur Verpfändung der Lebensversicherung, zur Abtretung oder Beleihung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen sein.

    Mit dieser Regelung soll die Entgeltumwandlung durch
    Absicherung der Umwandlungsbeträge für die Arbeitnehmer attraktiv gemacht werden.



4. Vorzeitige Betriebsrente


    § 6 BetrAVG bestimmt, daß ein Arbeitnehmer die betriebliche Altersrente auch vor der Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen kann, wenn er
    berechtigt ist, vorzeitig die gesetzliche Sozialversicherungsrente vorzeitig zu beziehen. Dies gilt insbesondere für das vorgezogene Altersruhegeld mit dem 63. Lebensjahr.

    Durch die vorzeitige Rentenzahlung
    wird der Arbeitgeber oder die Lebensversicherung zusätzlich belastet. Aus diesem Grunde ist der Arbeitgeber berechtigt, für den Fall des vorzeitigen Rentenbezugs einen versicherungsmathematischen Abschlag pro
    Monat des vorzeitigen Bezugs von 0,5 % vorzunehmen. Dieses Recht besteht aber nur, wenn der Abzug in einer Versorgungsordnung oder in einer Versorgungsvereinbarung entsprechend geregelt ist.


    Achtung:

    Im Falle der Altersteilzeit besteht ein Anspruch auf Betriebsrentenzahlung erst dann, wenn der gesamte Altersteilzeitzeitraum abgelaufen ist, d.h. im Blockmodell nach Beendigung des Freizeitblockes! Erst dann
    nämlich beginnt der Rentenbezug aus der Sozialversicherungsrente.



5. Insolvenzsicherung


    § 7 ff BetrAVG regelt die Insolvenzsicherung der Betriebsrenten.

    Fällt der Arbeitgeber in Insolvenz, so fallen i.d.R. alle Vermögenswerte, d.h. auch
    Betriebsrenten, Anwartschaften in die Insolvenzmasse. Um die anwartschaftsberechtigten und Betriebsrentner abzusichern, hat der Gesetzgeber in § 7 BetrAVG und den folgenden Regeln bestimmt, daß für die
    Betriebsrenten und für die unverfallbaren Anwartschaften nach § 1 b BetrAVG der in Köln sitzende Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) einspringt und diese Betriebsrenten bzw. die unverfallbaren Anwartschaften
    absichert.

    Eine solche Absicherung von Arbeitnehmerforderungen gibt es sonst im deutschen Arbeitsrecht nicht mehr.


    Achtung:

    Im Falle der Entgeltumwandlung muß dringend darauf geachtet werden, daß den Arbeitnehmer ein von Anfang an unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wird, um zu verhindern, daß die Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen.



6. Betriebsrentenanpassung


    In § 16 BetrAVG hat der Gesetzgeber geregelt, daß die laufenden Leistungen zur Betriebsrente vom Arbeitgeber nach bestimmten Grundsätzen anzupassen sind,
    sofern eine Anpassung dem Arbeitgeber wirtschaftlich zumutbar und möglich ist. Einmalkapitalzahlungen aus Lebensversicherungen, von Pensionskassen und Pensionsfonds unterfallen nicht der Anpassungspflicht.



7. Öffentlicher Dienst


    Nach § 18 BetrAVG gelten für den Öffentlichen Dienst aufgrund der dort bestehenden Zusatzversorgung besondere Regeln.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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