Der Fall:
Arbeitgeberin Steffi hat für den Mitarbeiter Boris eine Lebensversicherung im Wege der betrieblichen Altersversorgung angelegt. Grund war die ständige
Geldnot von Boris und seiner 5 Kinder. Für die Mitarbeiterinnen Serena und Venus hat sie dies abgelehnt. Allerdings hat sie auf Wunsch von Serena deren Weihnachtsgeld ebenfalls im Wege der Entgeltumwandlung auf
eine Lebensversicherung abgeführt. Venus wünscht sich eine Riester-Rente. Nach Vertragsschluß führt Steffi die entsprechenden Beiträge vom Netto-Entgelt der Venus an die Versicherung ab.
Daneben hat
Arbeitgeberin Steffi einen Sozialfonds angelegt. Dieser dient dazu, Arbeitnehmern im unverschuldeten Notfall mit Beträgen bis EUR 500 zu helfen.
Boris braucht Geld, weil er einen Ferrari kaufen will, Serena
will ein Haus bauen und Venus eine Weltreise machen. Alle drei wollen ihre schon in die Altersversorgung eingezahlten Beträge zur Finanzierung entnehmen. Arbeitgeberin Steffi weigert sich. Serena und Venus
finden dies stark, weil es sich ja um ihr eigenes Geld handelt.
Steffi ist allenfalls bereit, aus dem Sozialfonds der Serena zu Weihnachten einen Kredit von EUR 500,- zu gewähren.
Die Lösung:
1. Privilegierung der betrieblichen Altersversorgung
Die betriebliche Altersversorgung muß genauestens unterschieden werden von anderen betrieblichen oder sozialen Leistungen des Unternehmens. Der Grund
liegt darin, daß der Gesetzgeber die betriebliche Altersversorgung in besonderer Weise gefördert und privilegiert hat. Diese Privilegierung erfolgte allerdings unter der Voraussetzung, daß die für den
Arbeitnehmer angelegten Gelder dann im Alter auch tatsächlich dem Arbeitnehmer als Betriebsrente zur Verfügung stehen. Daraus folgt, daß dem Arbeitnehmer ein Zugriff auf die angesparten Gelder während des
Arbeitslebens in der Regel nicht möglich sein soll. Andernfalls ginge die besondere Privilegierung dieser Versorgungsleistung ins Leere. Die vom Gesetzgeber befürchtete Versorgungslücke wäre nicht geschlossen
oder minimiert.
Die besondere Privilegierung der betrieblichen Altersversorgungsleistungen erfolgt zum einen – wie bereits ausgeführt – durch steuerliche Ersparnis und Bevorzugung, zum anderen durch die
bisher bestehende Sozialversicherungsfreiheit.
Eine weitere Privilegierung erfolgt durch die Regeln des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Dort ist zum einen eine Unverfallbarkeit von Anwartschaften nach 10
bzw. 5 Jahren (neu) geregelt. Zum anderen hat der Gesetzgeber eine Anpassungspflicht des Arbeitgebers für Betriebsrenten eingeführt.
Schließlich gibt es für Betriebsrenten eine besondere Insolvenzsicherung.
Im Falle der Insolvenz sind unverfallbare Versorgungsanwartschaften sowie Betriebsrenten durch den Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit in Köln (PSV a.G.) abgesichert. Eine solche Sicherung gibt es für
andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht.
2. Begriff der betrieblichen Altersversorgung
Der Gesetzgeber hat in § 1 BetrAVG die betriebliche Altersversorgung wie folgt definiert:
“Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-,
Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt, so gelten die Vorschriften des Betriebsrentengesetzes.
Die Durchführung der betrieblichen
Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber erfolgen oder aber über einen im Gesetz genannten Versorgungsträger, d.h. über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder über
eine Unterstützungskasse. Eine betriebliche Altersversorgung liegt auch im Falle der Entgeltumwandlung vor.”
Voraussetzung ist somit, daß eine Zusage oder eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliegen muß. In die Vorteile der Altersversorgung kommen z.B. nicht Hausfrauen, Sozialhilfebezieher, Beamte oder Selbständige. Allerdings ist diese
Regel mittlerweile durchbrochen. Die “Riester-Rente” können auch Arbeitslose in Anspruch nehmen. Selbständige und freie Mitarbeiter können unter das Betriebsrentengesetz fallen, wenn sie aus Anlaß ihrer
Tätigkeit für ein Unternehmen eine Altersversorgungszusage erhalten, auf die Leitung des Unternehmens keinen maßgeblichen Einfluß nehmen können und letztlich wirtschaftlich vom fremden Risiko abhängig sind.
3. Zweck
Die Altersversorgungszusage oder die Entgeltumwandlung muß zum Zweck der Versorgung erfolgen. Es reicht nicht aus, wenn die Arbeitgeber Steffi z.B. einen
Sozialfonds einrichtet, um im Einzelfall bei Notfällen auszuhelfen. Hier ist kein Versorgungszweck gegeben und damit keine betriebliche Altersversorgung.
Sofern die Altersversorgungszusage alleine durch den
Arbeitgeber erfolgt bzw. vom Arbeitgeber finanziert wird, wird die Leistung i.d.R. zur Belohnung für erbrachte Betriebstreue zur Verfügung gestellt.
4. Freiwillige Leistung?
Soweit der Arbeitgeber die Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung ganz oder alleine erbringt, handelt es sich um eine freiwillige Leistung des
Arbeitgebers, die weder vom Arbeitnehmer, noch vom Betriebsrat erzwingbar ist. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates setzt erst dann ein, wenn der Arbeitgeber sich entschlossen hat, eine betriebliche
Altersversorgung einzuführen und einen bestimmten Dotierungsrahmen vorgesehen hat. Bei der Verteilung der dann vorgesehenen Gelder muß der Betriebsrat zwingend beteiligt werden.
Eine Ausnahme besteht
mittlerweile für die Entgeltumwandlung. Nach § 1 a Betriebsrentengesetz kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung
verlangen und gerichtlich erzwingen. Dies gab es in der Vergangenheit nicht. Dies gilt auch für die “Riester-Rente”.
5. Versorgungsfall
Für die Zeit des Arbeitsverhältnisses und der Zusagedauer besteht zunächst nur eine Anwartschaft auf eine Altersversorgung. Dies bedeutet, daß der
Anspruch auf betriebliche Altersversorgung erst durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis, nämlich den Versorgungsfall, ausgelöst wird. Diese biologischen Ereignisse sind zum einen
– Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (z.B. 65 Jahre, 63 Jahre),
– Eintritt der Invalidität/Erwerbsunfähigkeit,
– Eintritt des Todes beim anspruchsberechtigten Arbeitnehmer/Hinterbliebenenversorgung.
6. Leistungsarten der Altersversorgung
Die Altersversorgung kann auf verschiedene Weise zugewandt werden. I.d.R. erfolgt sie durch Geldleistungen, d.h. in Form laufender Renten oder einmaliger
Kapitalleistungen (Lebensversicherung).
Denkbar und möglich ist aber auch eine Sach- oder Nutzungsleistung. Als Betriebsrente mit der entsprechenden Absicherung kann z.B. auch im Falle Brauerei ein
Bierdeputat, bei Molkereibeschäftigten ein Milchdeputat, im Bergbau ein Kohledeputat oder das Wohnrecht in einer Werkswohnung sein.
Dagegen sind andere Sozialleistungen auch im Rentenfalle keine
Altersversorgung, wenn sie nicht dem Alter dienen, z.B. Jubiläumszuwendungen, Kurzuschüsse, Weihnachtsgelder für Rentner oder Abfindungen.
7. Keine Auszahlung / Abfindung
§ 3 Betriebsrentengesetz bestimmt, daß unverfallbare Versorgungsanwartschaften jedenfalls ab einem bestimmten Umfang vor Eintritt des biologischen
Ereignisses (Alter, Tod, Invalidität) weder abgefunden noch ausgezahlt werden dürfen. Dies soll sichern, daß die betriebliche Altersversorgung auch wirklich im Falle des Alters zur Verfügung steht und nicht
schon vorher “verbraten” wird.
Arbeitnehmer Boris hat keinen Anspruch auf Kapitalisierung seiner Anwartschaft zum Ferrari-Kauf gegen Arbeitgeberin Steffi. Er hat dieses Anwartschaft weder finanziert, noch ist
das gesetzliche biologische Ereignis (z.B. Altersgrenze) eingetreten.
Auch Serena und Venus können jedenfalls ab Eintritt der Unverfallbarkeit die Auszahlung ihrer Gelder nicht verlangen, weder für Hausbau
noch für eine Weltreise. Die Gelder wurden entsprechend langfristig mit steuerlichen bzw. staatlichen Vergünstigungen angelegt. Durch die vertragliche Vereinbarung zur Entgeltumwandlung bzw. zur Riester-Rente
haben die Arbeitnehmerinnen fest gebunden. Die Arbeitgeberin Steffi könnte selbst dann die Beträge nicht auszahlen, wenn sie wollte.