Folge 87

Definition der betrieblichen Altersversorgung



Der Fall:


    Arbeitgeberin Steffi hat für den Mitarbeiter Boris eine Lebensversicherung im Wege der betrieblichen Altersversorgung angelegt. Grund war die ständige
    Geldnot von Boris und seiner 5 Kinder. Für die Mitarbeiterinnen Serena und Venus hat sie dies abgelehnt. Allerdings hat sie auf Wunsch von Serena deren Weihnachtsgeld ebenfalls im Wege der Entgeltumwandlung auf
    eine Lebensversicherung abgeführt. Venus wünscht sich eine Riester-Rente. Nach Vertragsschluß führt Steffi die entsprechenden Beiträge vom Netto-Entgelt der Venus an die Versicherung ab.

    Daneben hat
    Arbeitgeberin Steffi einen Sozialfonds angelegt. Dieser dient dazu, Arbeitnehmern im unverschuldeten Notfall mit Beträgen bis EUR 500 zu helfen.

    Boris braucht Geld, weil er einen Ferrari kaufen will, Serena
    will ein Haus bauen und Venus eine Weltreise machen. Alle drei wollen ihre schon in die Altersversorgung eingezahlten Beträge zur Finanzierung entnehmen. Arbeitgeberin Steffi weigert sich. Serena und Venus
    finden dies stark, weil es sich ja um ihr eigenes Geld handelt.

    Steffi ist allenfalls bereit, aus dem Sozialfonds der Serena zu Weihnachten einen Kredit von EUR 500,- zu gewähren.



Die Lösung:



1. Privilegierung der betrieblichen Altersversorgung


    Die betriebliche Altersversorgung muß genauestens unterschieden werden von anderen betrieblichen oder sozialen Leistungen des Unternehmens. Der Grund
    liegt darin, daß der Gesetzgeber die betriebliche Altersversorgung in besonderer Weise gefördert und privilegiert hat. Diese Privilegierung erfolgte allerdings unter der Voraussetzung, daß die für den
    Arbeitnehmer angelegten Gelder dann im Alter auch tatsächlich dem Arbeitnehmer als Betriebsrente zur Verfügung stehen. Daraus folgt, daß dem Arbeitnehmer ein Zugriff auf die angesparten Gelder während des
    Arbeitslebens in der Regel nicht möglich sein soll. Andernfalls ginge die besondere Privilegierung dieser Versorgungsleistung ins Leere. Die vom Gesetzgeber befürchtete Versorgungslücke wäre nicht geschlossen
    oder minimiert.

    Die besondere Privilegierung der betrieblichen Altersversorgungsleistungen erfolgt zum einen – wie bereits ausgeführt – durch steuerliche Ersparnis und Bevorzugung, zum anderen durch die
    bisher bestehende Sozialversicherungsfreiheit.

    Eine weitere Privilegierung erfolgt durch die Regeln des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Dort ist zum einen eine Unverfallbarkeit von Anwartschaften nach 10
    bzw. 5 Jahren (neu) geregelt. Zum anderen hat der Gesetzgeber eine Anpassungspflicht des Arbeitgebers für Betriebsrenten eingeführt.

    Schließlich gibt es für Betriebsrenten eine besondere Insolvenzsicherung.
    Im Falle der Insolvenz sind unverfallbare Versorgungsanwartschaften sowie Betriebsrenten durch den Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit in Köln (PSV a.G.) abgesichert. Eine solche Sicherung gibt es für
    andere Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht.



2. Begriff der betrieblichen Altersversorgung


    Der Gesetzgeber hat in § 1 BetrAVG die betriebliche Altersversorgung wie folgt definiert:

    “Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-,
    Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt, so gelten die Vorschriften des Betriebsrentengesetzes.

    Die Durchführung der betrieblichen
    Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber erfolgen oder aber über einen im Gesetz genannten Versorgungsträger, d.h. über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder über
    eine Unterstützungskasse. Eine betriebliche Altersversorgung liegt auch im Falle der Entgeltumwandlung vor.”

    Voraussetzung ist somit, daß eine Zusage oder eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und
    Arbeitnehmer im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses vorliegen muß. In die Vorteile der Altersversorgung kommen z.B. nicht Hausfrauen, Sozialhilfebezieher, Beamte oder Selbständige. Allerdings ist diese
    Regel mittlerweile durchbrochen. Die “Riester-Rente” können auch Arbeitslose in Anspruch nehmen. Selbständige und freie Mitarbeiter können unter das Betriebsrentengesetz fallen, wenn sie aus Anlaß ihrer
    Tätigkeit für ein Unternehmen eine Altersversorgungszusage erhalten, auf die Leitung des Unternehmens keinen maßgeblichen Einfluß nehmen können und letztlich wirtschaftlich vom fremden Risiko abhängig sind.



3. Zweck


    Die Altersversorgungszusage oder die Entgeltumwandlung muß zum Zweck der Versorgung erfolgen. Es reicht nicht aus, wenn die Arbeitgeber Steffi z.B. einen
    Sozialfonds einrichtet, um im Einzelfall bei Notfällen auszuhelfen. Hier ist kein Versorgungszweck gegeben und damit keine betriebliche Altersversorgung.

    Sofern die Altersversorgungszusage alleine durch den
    Arbeitgeber erfolgt bzw. vom Arbeitgeber finanziert wird, wird die Leistung i.d.R. zur Belohnung für erbrachte Betriebstreue zur Verfügung gestellt.



4. Freiwillige Leistung?


    Soweit der Arbeitgeber die Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung ganz oder alleine erbringt, handelt es sich um eine freiwillige Leistung des
    Arbeitgebers, die weder vom Arbeitnehmer, noch vom Betriebsrat erzwingbar ist. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates setzt erst dann ein, wenn der Arbeitgeber sich entschlossen hat, eine betriebliche
    Altersversorgung einzuführen und einen bestimmten Dotierungsrahmen vorgesehen hat. Bei der Verteilung der dann vorgesehenen Gelder muß der Betriebsrat zwingend beteiligt werden.

    Eine Ausnahme besteht
    mittlerweile für die Entgeltumwandlung. Nach § 1 a Betriebsrentengesetz kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber eine Entgeltumwandlung bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung
    verlangen und gerichtlich erzwingen. Dies gab es in der Vergangenheit nicht. Dies gilt auch für die “Riester-Rente”.



5. Versorgungsfall


    Für die Zeit des Arbeitsverhältnisses und der Zusagedauer besteht zunächst nur eine Anwartschaft auf eine Altersversorgung. Dies bedeutet, daß der
    Anspruch auf betriebliche Altersversorgung erst durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis, nämlich den Versorgungsfall, ausgelöst wird. Diese biologischen Ereignisse sind zum einen

    – Erreichen des gesetzlichen Rentenalters (z.B. 65 Jahre, 63 Jahre),

    – Eintritt der Invalidität/Erwerbsunfähigkeit,

    – Eintritt des Todes beim anspruchsberechtigten Arbeitnehmer/Hinterbliebenenversorgung.



6. Leistungsarten der Altersversorgung


    Die Altersversorgung kann auf verschiedene Weise zugewandt werden. I.d.R. erfolgt sie durch Geldleistungen, d.h. in Form laufender Renten oder einmaliger
    Kapitalleistungen (Lebensversicherung).

    Denkbar und möglich ist aber auch eine Sach- oder Nutzungsleistung. Als Betriebsrente mit der entsprechenden Absicherung kann z.B. auch im Falle Brauerei ein
    Bierdeputat, bei Molkereibeschäftigten ein Milchdeputat, im Bergbau ein Kohledeputat oder das Wohnrecht in einer Werkswohnung sein.

    Dagegen sind andere Sozialleistungen auch im Rentenfalle keine
    Altersversorgung, wenn sie nicht dem Alter dienen, z.B. Jubiläumszuwendungen, Kurzuschüsse, Weihnachtsgelder für Rentner oder Abfindungen.



7. Keine Auszahlung / Abfindung


    § 3 Betriebsrentengesetz bestimmt, daß unverfallbare Versorgungsanwartschaften jedenfalls ab einem bestimmten Umfang vor Eintritt des biologischen
    Ereignisses (Alter, Tod, Invalidität) weder abgefunden noch ausgezahlt werden dürfen. Dies soll sichern, daß die betriebliche Altersversorgung auch wirklich im Falle des Alters zur Verfügung steht und nicht
    schon vorher “verbraten” wird.

    Arbeitnehmer Boris hat keinen Anspruch auf Kapitalisierung seiner Anwartschaft zum Ferrari-Kauf gegen Arbeitgeberin Steffi. Er hat dieses Anwartschaft weder finanziert, noch ist
    das gesetzliche biologische Ereignis (z.B. Altersgrenze) eingetreten.

    Auch Serena und Venus können jedenfalls ab Eintritt der Unverfallbarkeit die Auszahlung ihrer Gelder nicht verlangen, weder für Hausbau
    noch für eine Weltreise. Die Gelder wurden entsprechend langfristig mit steuerlichen bzw. staatlichen Vergünstigungen angelegt. Durch die vertragliche Vereinbarung zur Entgeltumwandlung bzw. zur Riester-Rente
    haben die Arbeitnehmerinnen fest gebunden. Die Arbeitgeberin Steffi könnte selbst dann die Beträge nicht auszahlen, wenn sie wollte.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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