Folge 8

Vorstellungsgespräche – und wer zahlt die Kosten?

(Stand 2025)

Bewerbungskosten sind nicht zu unterschätzen. Da Arbeitsplätze leider nicht immer “auf der Straße liegen”, müssen gerade Arbeitslose sich oft bei verschiedensten Arbeitgebern bewerben. Die dabei entstehenden Kosten
tun sehr weh, vor allem dann, wenn der Bewerber durch die Arbeitslosigkeit ohnehin kein Geld hat.

Deshalb stellt sich immer wieder die Frage, ob zumindest die Kosten für ein Vorstellungsgespräch vom Arbeitgeber getragen werden.


Der Fall:

Der Arbeitslose Eddy Mager hatte sich alleine 2000 schon bei mindestens 25 Arbeitgebern vergeblich beworben. Er kann die ständig steigenden Kosten seiner Bewerbungsschreiben mittlerweile
kaum noch tragen. Er möchte, dass sie von jemand anderem übernommen werden.

Eddy Mager hat sich außerdem auf ein Stelleninserat in der Presse beworben. Er ist dann ohne Aufforderung zum Arbeitgeber nach
Frankfurt gefahren. Auch diese Bewerbung scheiterte. Wer zahlt die Fahrtkosten? Wer würde den Verdienstausfall zahlen, wenn Eddy Mager im Arbeitsverhältnis wäre?

Die Arbeitnehmer Albert Klein und Willi Fett aus Marburg sind nach einer Stellenbewerbung auf Aufforderung des Arbeitgebers Bruno nach Erfurt gefahren. Albert fuhr mit der Bahn, Willi Fett mietete sich extra einen BMW an, um standesgemäß vorzufahren. Beide wollen ihre Fahrtkosten ersetzt bekommen.

Albert Klein hat für den Vorstellungstag in Erfurt Urlaub genommen. Willi Fett dagegen musste einen Tag unbezahlte Freizeit nehmen. Bekommen sie den Lohnausfall ersetzt?

Ein weiterer Arbeitgeber Lothar Cleverle bittet Karl-Heinz Bieder zu einem Vorstellungsgespräch nach Heilbronn. Lothar Cleverle bietet ihm an, die Fahrtkosten zu ersetzen. Die ggf. erforderlichen Übernachtungskosten für ein Hotel will Cleverle aber nicht übernehmen.

Willi Fett wird vom Arbeitsamt zu einem Vorstellungsgespräch nach Hannover geschickt. Kann er vom Arbeitsamt Kostenersatz
verlangen?

Die Lösung:


1. Kosten des Bewerbungsschreibens

Es gilt der Grundsatz: Wer sich unaufgefordert bewirbt, kann keine Kostenerstattung verlangen, insbesondere nicht von dem Arbeitgeber.

Dies gilt auch dann, wenn sich Eddy auf eine Anzeige hin bewirbt. Eddy Mager muss seine erheblichen Kosten für die Bewerbungsschreiben selbst tragen. Er könnte allenfalls versuchen, vom Arbeitsamt einen Zuschuss zu bekommen.


2. Vorstellungsgespräch ohne Aufforderung

Eddy Mager zeigt Initiative, indem er ohne Aufforderung aufgrund eines Zeitungs-Inserates sich umgehend nach Frankfurt zum Vorstellungsgespräch begibt.

Gleichwohl ist der dortige Arbeitgeber nicht zum Ersatz der Fahrtkosten oder zum Ersatz weiterer Kosten des Vorstellungsgespräches verpflichtet. Es gilt nämlich der Grundsatz: “Nur wer die Musik bestellt hat, bezahlt auch”.

Da der Arbeitgeber in Frankfurt den Eddy Mager nicht zum Vorstellungsgespräch aufgefordert hat und auch sonst keine Kostenübernahme zugesagt hat, bleibt Eddy auf seinen Kosten sitzen.


3. Vorstellungsgespräch nach Aufforderung

Etwas anderes gilt dann, wenn ein Arbeitgeber den Bewerber auffordert, zu einem Vorstellungsgespräch in den Betrieb oder an einen anderen Ort zu kommen. Immer dann, wenn eine solche Aufforderung vorliegt, muss der Arbeitgeber generell die dadurch entstandenen Vorstellungskosten tragen.

In der Aufforderung des Arbeitgebers Bruno an die Bewerber, nach Erfurt zum Vorstellungsgespräch zu kommen, liegt eine stillschweigende, konkludente vertragliche Kostenübernahme. § 670 BGB bestimmt, dass der Auftraggeber die Aufwendungen zu ersetzen hat, die durch den Auftrag entstehen.

Dies gilt insbesondere für die Bahnkosten des Bewerbers Albert Klein von Marburg nach Erfurt.

Der Erstattungsanspruch für die entstehenden Fahrtkosten besteht jedoch nicht unbeschränkt. Er ist durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit limitiert. Soweit unverhältnismäßige oder nicht erforderliche Kosten entstehen, muss Bruno nicht zahlen.

Fährt also Willi Fett “standesgemäß” mit dem gemieteten BMW vor, so muss ihm Bruno gleichwohl nur die Bahnkosten Zweiter Klasse von Marburg nach Erfurt bezahlen.


4. Verdienstausfall/Verzehr- und Übernachtungskosten

Der Arbeitgeber, der einen Bewerber zum Vorstellungsgespräch auffordert, muss alle notwendigen Aufwendungen ersetzen, die dem Bewerber durch seine Fahrt zum Vorstellungsort erwachsen.

Die Erforderlichkeit von Aufwendungen ist danach zu beurteilen, was ein vernünftiger und gerecht denkender Mensch an Aufwendungen richtigerweise getätigt hätte.

Dazu gehören – wie schon ausgeführt – die angemessenen Fahrtkosten. Dazu können aber auch Übernachtungskosten zählen bei weiter entfernten Vorstellungsorten, insbesondere auch zusätzliche Verzehrkosten.

Taxikosten sind nur zu ersetzen, wenn der Vorstellungsort ohne Taxi lediglich mit einem unverhältnismäßig hohen Zeit- oder Kostenaufwand zu erreichen gewesen wäre.

Zu den zu ersetzenden Aufwendungen kann auch der Verdienstausfall zählen. Da Albert Klein regulär Urlaub genommen hat, hatte er keinen Verdienstausfall erlitten, er kann keinen Ersatz verlangen.

Willi Fett dagegen musste unbezahlte Freizeit nehmen. Er hatte also Verdienstausfall. Im Zweifel müssen seine Aufwendungen ersetzt werden. Der Arbeitslose Eddy Mager dagegen hat keinen Verdienstausfall durch das Vorstellungsgespräch. Ihm muss der Arbeitgeber deshalb keine Lohnfortzahlung leisten.


5. Vereinbarungen

Bewerber und Arbeitgeber können vor Antritt einer Fahrt zum Vorstellungsgespräch generell vereinbaren, wer welche Kosten zu ersetzen hat. Es ist deshalb zulässig, dass der Arbeitgeber Lothar Cleverle Arbeitslose oder Arbeitnehmer zum Vorstellungsgespräch auffordert, von vornherein aber jeden Kostenersatz ablehnt.

Deshalb ist es denkbar und zulässig, dass Lothar Cleverle dem Albert Klein
Fahrtkostenersatz nach Heilbronn anbietet, aber die Hotelkosten ablehnt.

Ein solcher Kostenausschluss oder eine Kostenbegrenzung muss jedoch von den Parteien im vorhinein klar und möglichst schriftlich
vereinbart sein.

Beruft sich der Arbeitgeber auf eine Kostenbeschränkung oder einen Kostenausschluss, muss er dies im Zweifel beweisen.


6. Arbeitsamt

Nach § 53 der “Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Arbeitsaufnahme” kann die Arbeitsagentur Vorstellungskosten im Einzelfall übernehmen. Die Arbeitsagentur kann auch in bestimmten Fällen dem Bewerber einen Zuschuss auf die Vorstellungskosten geben.

Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Arbeitsagentur eine Vorstellung vermittelt. Deshalb ist es möglich und empfehlenswert, vor Antritt eines Bewerbungsgespräches mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Agentur die Frage der Kostenübernahme zu besprechen. Sollte Willi Fett dies tut, kann er mit einer Kostenübernahme rechnen, wenn ihm sonst aufgrund seiner Einkommenslage das Vorstellungsgespräch und die entstehenden Kosten nicht möglich oder zumutbar wären.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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