Die Abmahnung bereitet im Arbeitsleben immer wieder erhebliche Probleme. Es ist deshalb wichtig, sich diesem Rechtsinstitut sorgfältig zu widmen.
Der Fall:
Arbeitgeber August der Starke beschäftigt den Hofbildhauer Balthasar Permoser und seine Geliebte Aurora von Königsmarck, die jetzt als Haushälterin am
Hof tätig ist. Mit beiden ist er unzufrieden. Er will beide entlassen.
August der Starke hat jedoch Angst vor der unberechenbaren Rechtsprechung seiner Arbeitsgerichte. Deshalb fragt er sich, ob er zuvor
Balthasar und Aurora abmahnen müsse und welche Funktion die Abmahnung habe.
Er befragt seinen Personalamtsleiter Graf Flemming darüber, ob er mündlich abmahnen kann oder Schriftform mit Begründung
erforderlich ist, was ihm peinlich wäre.
Die Lösung:
1. Form der Abmahnung
Für die Abmahnung gibt es keine gesetzlichen Vorschriften. Aus diesem Grunde ist die Abmahnung sowohl schriftlich wie auch mündlich möglich und
rechtswirksam.
Es ist jedoch jedem Arbeitgeber dringend zu raten, die Abmahnung schriftlich auszusprechen. Zum einen ist dann zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer klar, wie die Abmahnung ausgesehen hat und
wie deren Inhalt war. Zum anderen kann die Abmahnung zur Personalakte genommen werden. Bei späteren Streitigkeiten braucht nicht durch eine schwierige Beweisaufnahme versucht zu werden, zu ermitteln, wie die
Abmahnung vielleicht ausgesehen hatte. Beide Seiten haben vielmehr etwas festes in der Hand. Der Arbeitnehmer kann sich überlegen, ob er die Abmahnung angreift oder hinnimmt.
Bei ausländischen Arbeitnehmern
führt die Schriftlichkeit der Abmahnung auch dazu, daß dieses sich bei Sprachschwierigkeiten die Abmahnung übersetzen lassen können und über deren Inhalt auf diese Weise keine unnötigen Mißverständnisse
entstehen.
Die Abmahnung dient dazu, die Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, daß der Arbeitgeber mit einem bestimmten Verhalten nicht einverstanden ist oder dieses Verhalten als nicht vertragsgemäß betrachtet.
Aus diesem Grunde ist es wichtig, daß die Abmahnung klar und eindeutig ausgesprochen wird. Es ist wichtig, daß der Sachverhalt, auf den sich die Abmahnung bezieht, vom Arbeitgeber konkret und möglichst
substantiiert dargelegt wird. Dies ist vor allem später im Falle eines Kündigungsschutzprozesses von erheblicher Bedeutung.
Für die genaue Bezeichnung des Gegenstandes und der vorgeworfenen Vertragsverletzung
ist auch wichtig, daß damit der Arbeitnehmer in der Zukunft tatsächlich die Gelegenheit hat, sich anders, d.h. vertragstreu zu verhalten.
2. Warn-/Androhungsfunktion
Nach dem “Idealmodell” soll die Abmahnung nicht als Kündigungsvorbereitung dienen. Vielmehr soll die Abmahnung den Arbeitnehmer warnen und ihm vor Augen
führen, daß er bei weiteren Verstößen mit einer Kündigung rechnen muß.
Sinn und Zweck der Abmahnung ist es deshalb, den Arbeitnehmer “auf den Pfad der Tugend” zurückzubringen und Konflikte, Mißverständnisse,
atmosphärische Störungen im Arbeitsverhältnis abzubauen.
Insofern ist vom Ursprung her die Abmahnung zunächst als positives Instrument zur Bewahrung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen.
3. Kündigungsvorbereitung
Leider ist die Abmahnung aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mehr oder weniger zu einem “Kündigungsvorbereitungsinstrument” mutiert. Da
eine verhaltensbedingte Kündigung i.d.R. stets eine oder mehrere Abmahnungen (also: Warnungen!) voraussetzt, betrachten viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Abmahnung nur noch als Vorstufe zur Kündigung. Dies
ist eigentlich falsch und stellt eine Perversion des ursprünglichen Zweckes der Abmahnung dar.
4. Dokumentations-/Beweisfunktion
Nur die schriftliche Abmahnung hat die von der Rechtsprechung gewünschte Dokumentationsfunktion. Die schriftliche Abmahnung ist hilfreich für Arbeitgeber
wie Arbeitnehmer. Beide Vertragsparteien können sich im Streitfall auf den schriftlichen Inhalt der Abmahnung berufen.
Wenn in einem späteren Kündigungsschutzverfahren auf die früheren Abmahnungen
zurückgegriffen wird, stellt die Schriftlichkeit der Abmahnung eine erhebliche Beweiserleichterung dar. In der Regel ist davon auszugehen, daß nach längeren Zeiträumen (Monaten, Jahren) kein Zeuge mehr
vernünftig oder ausreichend klar darlegen kann, wie und mit welchem Inhalt eine bestimmte Abmahnung ausgesprochen wurde.
5. Fazit
Arbeitgeber August der Starke unterliegt vor dem Arbeitsgericht, wenn er seine Arbeitnehmer Balthasar Permoser und Aurora von Königsmarck nicht auf ihre
Fehler oder seine Unzufriedenheit per Abmahnung hinweist und ihnen Gelegenheit gibt, ihr Verhalten zu bessern. Sein Unbehagen vor der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte besteht zu Recht. Nur bei
schwerwiegendsten Vertragsverletzungen, wie beispielsweise Straftaten, braucht er nicht abzumahnen.
Die Peinlichkeit einer exakten Begründung der Vorwürfe bleibt August nicht erspart.