Folge 7

Kein Anspruch auf ungefaltetes Zeugnis

(Stand 2025)


Der Fall:

Arbeitnehmer Alf Bio ist aus dem Arbeitsverhältnis im Streit ausgestiegen. Mit dem von Arbeitgeber Max Henkel erstellten Zeugnisses ist Bio überhaupt nicht einverstanden. So stritten beide Parteien erbittert. Schließlich konnten sie sich auf einen Zeugnisinhalt einigen.

Arbeitgeber Max Henkel schickte dann den Zeugnisbogen an den ausgeschiedenen Alf Bio und benutzte einen Umschlag DIN-lang (1/3 DIN-A-4). Aus diesem Grunde war das Zeugnis zwei Mal gefaltet.

Der Zeugnistext endete mit dem maschinengeschriebenen Namen des Arbeitgebers. Alf Bio behauptete, dass die Unterschrift aber nicht vom Arbeitgeber, sondern von seinem Faktotum und Geschäftsführer Karl Napf stamme.

Außerdem beanstandet Alf Bio die zweimalige Faltung des Zeugnisses.



Die Lösung:


1. Der Zeugnisanspruch

Der Zeugnisanspruch eines Arbeitnehmers ergibt sich aus § 630 BGB, aus dem Tarifvertrag oder aus dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag. Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein qualifiziertes oder wunschweise auf ein einfaches Zeugnis.

Vorliegend hat Arbeitgeber Max Henkel den Zeugnisanspruch erfüllt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Inhalt des Zeugnisses von Seiten des ausgeschiedenen Arbeitnehmers aufgrund der Einigung nicht mehr zu beanstanden war.


2. Äußere Form des Zeugnisses

Die äußere Form des Zeugnisses muss den im Verkehr üblichen Gegebenheiten entsprechen. Dies bedeutet insbesondere

– Erstellung auf dem üblichen Firmen- oder Geschäftsbogen,

– saubere äußerliche Form, vor allem keine Fettflecken, Essensreste, Zeichnungen etc.,

– anständiges Schriftbild, soweit es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar ist,

– anständige Rechtschreibung, soweit der Arbeitgeber diese beherrschen müsste,

– keine Eselsohren, Verknitterungen, Übermalungen oder Wasserränder.

Die äußere Form muss so gestaltet sein, dass beim Leser nicht der Eindruck erweckt wird, der Arbeitgeber distanziere sich vom Wortlaut seiner Erklärung und teile durch die äußere Form mit, dass der Wahrheitsgehalt des Zeugnisses vom Arbeitgeber selbst in Frage gestellt werde.


3. Falzungen und Knicke im Zeugnisbogen

Alf Bio macht geltend, dass aus den Falzungen des Zeugnisses deutlich werde, dass das Zeugnis nicht ihm persönlich ausgehändigt, sondern zugesandt worden sei. Diese Form der Zeugnisübermittlung lasse auf Unstimmigkeiten mit dem früheren Arbeitgeber schließen. Die Falzungen seien ein unzulässiges Geheimzeichen.

Diesen Argumenten des Arbeitnehmers ist jedoch nicht zu folgen. Auch
wenn der Arbeitnehmer wegen des Arbeitszeugnisses eine Holschuld im Sinne von § 269 BGB hat, stellt die Versendung eines Zeugnisses kein negatives Merkmal dar.

Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer das Arbeitszeugnis nachzuschicken. Er muss das Zeugnis nur im Büro zur Abholung bereithalten. Andererseits aber ist die Versendung eines Zeugnisses heutzutage sozialadäquat und normal.

Es besteht insbesondere keine Verpflichtung des Arbeitgebers, das Zeugnis offen auszuhändigen oder das Zeugnis in einem DIN-A-4-Umschlag ungefaltet und in besonderer Weise durch Verstärkung geschützt
zu übersenden.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das Übersenden des Zeugnisses in einem normalen Briefumschlag regelmäßig kein Anlass ist, um auf einen Streit zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zu
schließen. Insbesondere werden dadurch regelmäßig nicht die Bewerbungschancen eines Arbeitnehmers beeinträchtigt.


Allerdings muss das Originalzeugnis kopierfähig sein. Es muss sichergestellt werden, dass saubere Kopien hergestellt werden können, bei denen die Falzungen sich nicht in der Kopie durch eine Schwärzung abzeichnen.


Schriftlichen Bewerbungen werden regelmäßig Zeugniskopien beigefügt. Es muss sichergestellt sein, dass solche Kopien ordnungsgemäß zu erstellen sind. Bei einer normalen Falzung ist dies jedoch unproblematisch.


4. Persönliche Unterzeichnung

Wenn der Arbeitgeber am Schluss des Zeugnisses maschinenschriftlich persönlich genannt ist, oder der Geschäftsführer einer GmbH, so muss auch die dort genannte Person das Zeugnis selbst unterschrieben haben. Die Rechtsansicht des Arbeitnehmers Alf Bio ist richtig.

Zwar ist für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, die der Schriftform unterliegen, anerkannt, dass auch ein bevollmächtigter Vertreter die Urkunde unterzeichnen darf. Dies ist aber für das Zeugnisrecht nicht uneingeschränkt zu übernehmen:

Sofern der Arbeitgeber durch einen Erfüllungsgehilfen das Zeugnis erstellen und unterschreiben lässt, ist dies möglich. Dann ist jedoch das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichneten sowie dessen Name am Ende des Zeugnisses lesbar wiederzugeben.

Dies ist deshalb wichtig, weil das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichneten einerseits für die Richtigkeit des Zeugnisses und andererseits für die Wertschätzung des Arbeitnehmers in der Firma aufschlussreich sein kann. Ein Fehlen dieser Angaben kann sich deshalb für den Arbeitnehmer als nachteilig erweisen. Allerdings kann in großen Unternehmen oder Konzernen nicht erwartet werden, dass stets der „oberste“ Chef die Zeugnisse unterschreibt. Dies ist dort Aufgabe der Personalabteilung.

Deshalb gilt der Grundsatz:

Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass derjenige das Zeugnis persönlich unterschreibt, der als Aussteller ausdrücklich im Zeugnis genannt wird.

Wenn der Arbeitgeber selbst im Zeugnis als Aussteller genannt wird, gleichwohl aber nicht unterschreibt, so distanziert er sich gegenüber einem Dritten scheinbar oder tatsächlich vom Inhalt des Zeugnisses. Es kann der Eindruck erweckt werden, dass der Arbeitgeber Max Henkel selbst nicht hinter dem Zeugnis steht, wenn er nicht selbst unterschreibt.

Sollte der Einwand von Alf Bio berechtigt sein, so muss der Arbeitgeber Max Henkel ein weiteres Zeugnis unterschreiben mit seiner Unterschrift. Sollte aber Max Henkel selbst unterschrieben haben, so ist das Zeugnis in
Ordnung.

Auf die Qualität der Unterschrift kommt es nicht an. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, im Rahmen seiner Zeugnispflichten einen Kalligraphie- oder Schönschreibkurs zu besuchen. Die Rechtsprechung verlangt, dass bei einer Unterschrift die ersten 3 Buchstaben leserlich sein müssen. Dieses Erfordernis erfüllen leider viele Unterschriften nicht.


Merke: Sollte Max
Henkel ein weiteres Zeugnis erstellen müssen, so muss dieses weitere Zeugnis gleichwohl mit dem Datum des ersten Zeugnisses erstellt werden!

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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