Der Fall:
 
  Friseurmeisterin Pandora stellte in ihren Salon die Friseurin Andromeda ein. Laut Qualifikationsnachweis war sie besonders ausgebildet in Hochzeits- und Jugendfrisuren.
  
  Neben einem
                                    Grundgehalt zahlte Pandora Leistungsprämien nach Umsatz. Dabei stellte sich heraus, daß Andromeda trotz Ermahnungen laufend etwa 40 % unter dem vergleichbaren Umsatz der Kolleginnen lag.
  
  Als sich nach 2
                                    Abmahnungen noch immer nichts besserte, kündigte Pandora die Mitarbeiterin Andromeda verhaltensbedingt wegen Schlechtleistung. Andromeda klagte und trug vor Gericht zu ihrer Rechtfertigung vor, daß sie besonders
                                    gründlich und hervorragend gut arbeite. Deshalb könnte sie nicht das Tempo der anderen erreichen. Außerdem schnappe ihr die Abteilungsleiterin Elektra wie ein „schlitzäugiger Raffzahn“ stets die besonders
                                    umsatzträchtigen Kundinnen vor der Nase weg.
  
  Ist die Kündigung gerechtfertigt?
 
 
  Die Lösung:
 
 
  5. Arbeitsinhalt
 
  Ist der Arbeitsinhalt und der Umfang der Leistungspflicht vertraglich nicht genau bestimmbar festgelegt, so wird der Arbeitsinhalt regelmäßig durch die Ausübung des Direktionsrechts der
                                    Arbeitgeberin, die betrieblichen Gepflogenheiten und das subjektive Leistungsvermögen der Arbeitnehmerin bestimmt. Dabei können auch die allgemeinen in der Branche üblichen Inhalt und die entsprechenden
                                    Ausbildungsinhalte mit herangezogen werden.
  
  Merksatz zum Arbeitsinhalt/Leistungspflicht:
  
  
   „Der Arbeitnehmer muß tun, was er soll und das muß er so gut tun, wie er kann.“
  
 
 
  6. Kein objektiver Maßstab
 
  Da die Arbeitspflicht und der Arbeitsinhalt der einzelnen Arbeitnehmerin sich nicht nur objektiv nach Ausbildung, Branchenüblichkeiten und betrieblichen Gepflogenheiten richtet, sondern
                                    auch nach dem subjektiven Leistungsvermögen, ist die Leistungspflicht nicht starr. Die Leistungspflicht der einzelnen Arbeitnehmer ist vielmehr dynamisch und kann sich im Laufe der Zeit nach oben und nach unten
                                    verändern.
  
  Deshalb gilt: Ein objektiver Maßstab kann nicht angesetzt werden. Es gibt keine „objektive Normalleistung“.
  
  Im Rahmen eines Dienstvertrages besteht kein „Erfolgshaftung“ des Arbeitnehmers. Der
                                    Arbeitnehmer schuldet das Arbeiten, nicht aber ein bestimmtes Werk.
 
 
  7. Kein Selbstbestimmungsrecht
 
  Aus den voranstehenden Grundsätzen darf allerdings nicht geschlossen werden, daß der Arbeitnehmer seine Leistungspflicht im Arbeitsverhältnis selbst bestimmen oder gar willkürlich
                                    festlegen kann. Friseurin Andromeda schuldet vielmehr die vertraglich vereinbarte Leistung, die näher bestimmt werden muß. Ihr ist es nicht gestattet, einerseits den vereinbarten Lohn zu kassieren und
                                    andererseits die von ihr erbrachte Leistung einseitig nach Belieben selbst festzusetzen.
  
  
   Die Friseurin Andromeda mußte vielmehr unter angemessener Ausschöpfung ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit
                                    arbeiten.
  
 
 
  8. Individuelle Unterschiede
 
  Ob eine Arbeitnehmerin ihrer Arbeitsverpflichtung entsprechend ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit tatsächlich nachkommt, ist für die Arbeitgeberin nicht immer nach objektivierbaren
                                    Kriterien erkennbar oder meßbar. Auch wenn die Arbeitnehmerin Andromeda unterdurchschnittliche Leistungen erbrachte, muß sie nicht zwangsläufig eine Vertragsverletzung begangen haben. Auch die
                                    unterdurchschnittliche Leistung kann bedeuten, daß die Arbeitnehmerin ihre persönliche Leistungsfähigkeit voll ausschöpfte.
  
  
   Merke: In einer Vergleichsgruppe von verschiedenen Arbeitnehmern wird stets ein
                                    Mitglied der Gruppe das Schlußlicht bilden. Dieses Schlußlicht muß nicht zwangsläufig faul oder arbeitsunwillig sein.
  
  
  Es liegt zunächst nur eine „relative Schlechtleistung“ vor. Eine tatsächliche
                                    Vertragsverletzung im Rahmen der Schlechtleistung ist erst gegeben, wenn die Mitarbeiterin ihre Leistungsfähigkeit schuldhaft begrenzt oder zurückhält.
 
 
  9. Gruppenvergleiche
 
  Die Leistungsfähigkeit einer Mitarbeiterin wird in der Regel in einem Gruppenvergleich geprüft werden. So hat es auch Arbeitgeberin Pandora gemacht.
  
  Die relative Schlechtleistung von
                                    Andromeda kann verschiedene Ursachen haben. Eine der Ursachen kann darin bestehen, daß die übrigen Gruppenmitglieder besonders leistungsstark sind, daß diese wegen der Leistungsbezahlung/Prämie und finanziellen
                                    Bedürfnissen oder aus Karrierebestrebungen sich überfordern. Ein Grund kann auch darin liegen, daß Andromeda objektiv besonders leistungsschwach ist und deshalb abfällt.
  
  Je deutlicher und längerfristiger
                                    allerdings der Gruppendurchschnitt von einzelnen Arbeitnehmern unterschritten wird, um so eher spricht eine Vermutung dafür, daß die Mitarbeiterin entweder generell leistungsschwach ist oder ihre
                                    Arbeitsmöglichkeiten nicht ausreichend einsetzt.
  
  Im zweiten Falle kann dann im Rahmen von Abmahnung und verhaltensbedingter Kündigung von Arbeitgeberseite aus reagiert werden. Liegt eine generelle
                                    Leistungsschwäche vor, könnte in ausgeprägten Fällen eine personenbedingte Kündigung wegen fehlender Einigung in Betracht kommen (siehe nächste Folge).