Folge 5

Bewerbungsurlaub: Der gekündigte Arbeitnehmer auf Stellensuche

(Stand 2025)



Arbeitnehmer, die gekündigt sind oder das Arbeitsverhältnis selbst beenden, benötigen dann, wenn sie nicht in Rente gehen, oft Zeit für eine neue Bewerbung. Muß der Arbeitgeber diese Zeit gewähren?


Der Fall:

Arbeitnehmer Balduin Bieberle ist von seinem Arbeitgeber gekündigt worden. Er hat zwei Vorstellungsgespräche auswärts. Er braucht jeweils einen Tag Urlaub. Arbeitgeber Cleverle will ihn freistellen, aber ohne Bezahlung.

Arbeitnehmer Schlau hat selbst gekündigt. Er will ebenfalls Bewerbungsurlaub. Cleverle verweigert dies und versteht die Welt nicht mehr.

Die junge Svetlana ist im Probearbeitsverhältnis gekündigt worden und Maria ist nur aushilfsweise befristet beschäftigt. Auch sie wollen bezahlte Bewerbungsfreizeit.

Dem Cleverle wird das alles zu viel. Er wird besonders sauer, als
Balduin Bieberle noch einen Tag Verlängerung für eine Bewerbung in Düsseldorf wollte, um die Fahrt dorthin zu nutzen, die Altstadt richtig kennenzulernen.

Die Lösung:


1. Rechtsanspruch

Der Rechtsanspruch auf Bewerbungsurlaub kann sich zum einen aus Gesetz, aber auch aus Tarifverträgen ergeben.

Nach § 629 BGB ist der Arbeitgeber bei einem dauernden Arbeitsverhältnis bei Vorliegen einer Kündigung verpflichtet, dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine angemessene Zeit für die Bewerbung zu gewähren. Dabei spielt es keine Rolle, wer gekündigt hat.

Auch wenn § 629 BGB nicht davon spricht, besteht dabei die Vergütungspflicht des Arbeitgebers fort.

Das ergibt sich aus § 616 BGB. § 616 BGB sieht nämlich vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Lohn oder das Gehalt bei einer persönlichen Arbeitsverhinderung weiter fortzuzahlen hat.

Im Ergebnis reicht es also nicht aus, wenn Cleverle den von ihm gekündigten Balduin Bieberle nur unbezahlt von der Arbeit freistellt. Balduin ist aus persönlichen Gründen an der Erbringung der Arbeitsleistung nach § 616 BGB verhindert. Er hat deshalb evtl. sogar Anspruch auf mehrere Tage bezahlten Bewerbungsurlaub.

Dies gilt aber nur dann, soweit dieser Urlaub notwendig ist. Wenn Balduin Bieberle sich am Ort seines bisherigen Arbeitsplatzes bewirbt, braucht er in der Regel keinen ganzen Arbeitstag dafür.

Ein Anspruch auf Bewerbungsurlaub kann sich auch aus Tarifverträgen ergeben, sofern Tarifverträge im Arbeitsverhältnis Anwendung finden oder vereinbart sind.

Schließlich können Arbeitgeber und Betriebsrat im Wege der
freiwilligen Mitbestimmung solchen Bewerbungsurlaub durch Betriebsvereinbarung geregelt haben.


2. Dauer des Arbeitsverhältnisses

Einen Anspruch auf bezahlten Bewerbungsurlaub hat der Arbeitnehmer in der Regel nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis über einen längeren Zeitraum angedauert hat. Dazu zählen generell nicht Probearbeitsverhältnisse, wie im Fall der Arbeitnehmerin Svetlana.

Dazu zählt aber auch nicht ein befristetes Arbeitsverhältnis, wenn im Falle der Arbeitnehmerin Maria das Arbeitsverhältnis nur wenige
Wochen befristet war oder ein kurzes Aushilfsarbeitsverhältnis vorlag.


3. Wie wird das Arbeitsverhältnis beendet?

Für die Gewährung des Bewerbungsurlaubs durch Arbeitgeber Cleverle ist es letztendlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung, wie das Arbeitsverhältnis beendet wurde. § 629 BGB spricht nur von der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, egal wer gekündigt hat.

Danach kann auch der Arbeitnehmer Schlau von Cleverle bezahlten Bewerbungsurlaub verlangen, obwohl Schlau selbst gekündigt hat.


4. Antrag/betriebliche Belange

Der Arbeitnehmer, der Bewerbungsurlaub geltend macht, muss aber generell auch Rücksicht auf die betrieblichen Belange nehemen.

Hier gelten die gleichen Voraussetzungen wie im Falle des
Erholungsurlaubs. Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer seinen Bewerbungsurlaub so früh wie möglich beantragen sollte. Wird er nicht rechtzeitig beantragt, so kann der Arbeitgeber Cleverle den Bewerbungsurlaub evtl. aus betrieblichen Gründen ablehnen.

Wenn allerdings die Kündigungsfrist nur kurz ist, z.B. 2 Wochen, dann kann der Arbeitnehmer den Bewerbungsurlaub nur kurzfristig beantragen.


5. Dauer des Bewerbungsurlaubs

Arbeitgeber Cleverle muß die Arbeitnehmer Bieberle und Schlau nur solange freistellen, wie es für ihr Bewerbungsgespräch erforderlich ist.

Bei Bewerbungen im Ort können dies regelmäßig einige Stunden sein. Ist das Bewerbungsgespräch in größerer Entfernung zu führen, so wird in der Regel 1 Tag bezahlt freizustellen sein.

Bei einer Bewerbung am anderen Ende der Republik oder gar im
Ausland, muß Sauberle ggf. sogar zwei Tage bezahlt freistellen.

Balduin Bieberle hat allerdings nicht Anspruch darauf, sein Bewerbungsgespräch durch einen Zusatztag in Richtung Düsseldorfer Altstadt zu erweitern. Will er das gleichwohl tun, müsste er mit dem Arbeitgeber über eine unbezahlte Freistellung oder über Erholungsurlaub verhandeln. Offen bleibt hier allerdings, ob ein kräftiger “Zug durch die Altstadt” tatsächlich Erholung für Sinn, Herz und Leber ist.


6. Rechtswidrige Verweigerung des Bewerbungsurlaubs

Arbeitgeber Cleverle ist am Verzweifeln. Da er nicht weiß, was richtig ist, lehnt er den gesamten Bewerbungsurlaub für Balduin Bieberle, Schlau, Svetlana und Maria ab.

Balduin und Schlau müssen jedoch unbedingt zum Vorstellungsgespräch.

Nach ständiger Rechtsprechung haben sie im Falle der rechtswidrigen Verweigerung des Bewerbungsurlaubs gleichwohl das Recht, ihre
Arbeitsleistung zurückzuhalten und das Bewerbungsgespräch zu führen. Der Arbeitgeber darf hier nicht abmahnen oder gar fristlos kündigen.


Achtung:

In einem solchen Falle trägt der Arbeitnehmer allerdings das Risiko dafür, dass die Ablehnung des Bewerbungsurlaubs tatsächlich rechtswidrig war. Dann muss der Arbeitgeber zahlen. Irrt der Arbeitnehmer dagegen, entfällt ein Vergütungsanspruch.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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