Folge 5

Bewerbungsurlaub: Der gekündigte Arbeitnehmer auf Stellensuche



Arbeitnehmer, die gekündigt sind oder das Arbeitsverhältnis selbst beenden, benötigen dann, wenn sie nicht in Rente gehen, oft Zeit für eine neue Bewerbung. Muß der Arbeitgeber diese
Zeit gewähren?



Der Fall:

    Arbeitnehmer Balduin Bieberle ist von seinem Arbeitgeber gekündigt worden. Er hat zwei Vorstellungsgespräche auswärts. Er braucht jeweils einen Tag Urlaub. Arbeitgeber Cleverle will ihn
    freistellen, aber ohne Bezahlung.

    Arbeitnehmer Schlau hat selbst gekündigt. Er will ebenfalls Bewerbungsurlaub. Cleverle verweigert dies und versteht die Welt nicht mehr.

    Die junge Svetlana ist im
    Probearbeitsverhältnis gekündigt worden und Maria ist nur aushilfsweise befristet beschäftigt. Auch sie wollen bezahlte Bewerbungsfreizeit.

    Dem Cleverle wird das alles zu viel. Er wird besonders sauer, als
    Balduin Bieberle noch einen Tag Verlängerung für eine Bewerbung in Düsseldorf wollte, um die Fahrt dorthin zu nutzen, die Altstadt richtig kennenzulernen.



Die Lösung:


1. Rechtsanspruch

    Der Rechtsanspruch auf Bewerbungsurlaub kann sich zum einen aus Gesetz, aber auch aus Tarifverträgen ergeben.

    Nach § 629 BGB ist der Arbeitgeber bei einem dauernden Arbeitsverhältnis
    verpflichtet, dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine angemessene Zeit für die Bewerbung zu gewähren.

    Auch § 616 BGB sieht vor, daß der Arbeitgeber wegen einer persönlichen Arbeitsverhinderung Lohn oder Gehalt
    weiter fortzahlt.

    Im Ergebnis reicht es also nicht aus, wenn Cleverle den von ihm gekündigten Balduin Bieberle nur unbezahlt von der Arbeit freistellt. Balduin hat Anspruch auf mehrere Tage bezahlten
    Bewerbungsurlaub.

    Dies gilt aber nur dann, soweit dieser Urlaub notwendig ist. Wenn Balduin Bieberle sich am Ort bewirbt, braucht er in der Regel keinen ganzen Arbeitstag dafür.

    Ein Anspruch auf
    Bewerbungsurlaub kann sich auch aus Tarifverträgen ergeben, sofern Tarifverträge im Arbeitsverhältnis Anwendung finden oder vereinbart sind.

    Schließlich können Arbeitgeber und Betriebsrat im Wege der
    freiwilligen Mitbestimmung solchen Bewerbungsurlaub durch Betriebsvereinbarung geregelt haben.


2. Dauer des Arbeitsverhältnisses

    Einen Anspruch auf bezahlten Bewerbungsurlaub hat der Arbeitnehmer in der Regel nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis über einen längeren Zeitraum angedauert hat. Dazu zählen generell
    nicht Probearbeitsverhältnisse, wie im Fall der Arbeitnehmerin Svetlana.

    Dazu zählt aber auch nicht ein befristetes Arbeitsverhältnis, wenn im Falle der Arbeitnehmerin Maria das Arbeitsverhältnis nur wenige
    Wochen befristet war oder ein Aushilfsarbeitsverhältnis vorlag.


3. Wie wird das Arbeitsverhältnis beendet?

    Für die Gewährung des Bewerbungsurlaubs durch Arbeitgeber Cleverle ist es letztendlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung, wie das Arbeitsverhältnis beendet wurde. § 629 BGB spricht
    nur von der Kündigung des Arbeitsverhältnisses, egal wer gekündigt hat.

    Danach kann auch der Arbeitnehmer Schlau von Cleverle bezahlten Bewerbungsurlaub verlangen, obwohl Schlau selbst gekündigt hat.


4. Antrag/betriebliche Belange

    Der Arbeitnehmer, der Bewerbungsurlaub geltend macht, muß generell auch Rücksicht nehmen auf die betrieblichen Belange.

    Hier gelten die gleichen Voraussetzungen wie im Falle des
    Erholungsurlaubs. Dies bedeutet, daß der Arbeitnehmer seinen Bewerbungsurlaub so früh wie möglich beantragen sollte. Wird er nicht rechtzeitig beantragt, so kann der Arbeitgeber Cleverle den Bewerbungsurlaub aus
    betrieblichen Gründen ablehnen.

    Wenn allerdings die Kündigungsfrist nur kurz ist, z.B. 2 Wochen, dann kann der Arbeitnehmer den Bewerbungsurlaub nur kurzfristig beantragen.


5. Dauer des Bewerbungsurlaubs

    Arbeitgeber Cleverle muß die Arbeitnehmer Bieberle und Schlau nur solange freistellen, wie es für ihr Bewerbungsgespräch erforderlich ist.

    Bei Bewerbungen im Ort können dies
    regelmäßig einige Stunden sein. Ist das Bewerbungsgespräch in größerer Entfernung zu führen, so wird in der Regel 1 Tag bezahlt freizustellen sein.

    Bei einer Bewerbung am anderen Ende der Republik oder gar im
    Ausland, muß Sauberle ggf. sogar zwei Tage bezahlt freistellen.

    Balduin Bieberle hat allerdings nicht Anspruch darauf, sein Bewerbungsgespräch durch einen Zusatztag in Richtung Düsseldorfer Altstadt zu
    erweitern. Will er das gleichwohl tun, müßte er mit dem Arbeitgeber über eine unbezahlte Freistellung oder über Erholungsurlaub verhandeln. Offen bleibt hier allerdings, ob ein kräftiger “Zug durch die Altstadt”
    tatsächlich Erholung für Sinn, Herz und Leber ist.


6. Rechtswidrige Verweigerung des Bewerbungsurlaubs

    Arbeitgeber Cleverle ist am Verzweifeln. Da er nicht weiß, was richtig ist, lehnt er den gesamten Bewerbungsurlaub für Balduin Bieberle, Schlau, Svetlana und Maria ab.

    Balduin und Schlau müssen jedoch unbedingt zum Vorstellungsgespräch.

    Nach ständiger Rechtsprechung haben sie im Falle der rechtswidrigen Verweigerung des Bewerbungsurlaubs gleichwohl das Recht, ihre
    Arbeitsleistung zurückzuhalten und das Bewerbungsgespräch zu führen. Der Arbeitgeber darf hier nicht abmahnen oder gar fristlos kündigen.


    Achtung:

    In einem solchen Falle trägt der Arbeitnehmer
    allerdings das Risiko dafür, daß die Ablehnung des Bewerbungsurlaubs tatsächlich rechtswidrig war. Dann muß der Arbeitgeber zahlen. Irrt der Arbeitnehmer dagegen, entfällt ein Vergütungsanspruch.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.