Das Arbeitszeugnis ist zu allen Zeiten für den einzelnen Arbeitnehmer, aber auch für den einstellenden Arbeitgeber von großer Bedeutung. Ein schlechtes oder falsches Zeugnis kann einen erheblichen Schaden anrichten.
Dabei sind die Interessengegensätze sehr groß. Der Arbeitnehmer möchte ein möglichst gutes Zeugnis bekommen, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, andererseits aber liegt dem einstellenden
Arbeitgeber möglichst viel an einem wahren und ungeschminkten Zeugnis.
Der Fall:
Frau Holle beschäftigt in der Abteilung Winterdienst den Abteilungsleiter Eisenhans. Eisenhans will gehen und hat ein Zeugnis beantragt. Die unerfahrene Frau Holle hat schon viel von den Tücken des Zeugnisses
gehört. Sie weiß nicht, wie sie sich verhalten soll. Deshalb fragt sie den alten und erfahrenen Fuchs Dr. Allwissend, ob sie überhaupt ein Zeugnis ausstellen muß und wie dieses ggf. auszusehen hat.
Die Lösung:
1. Anspruchsgrundlagen
Arbeitnehmer, Auszubildende, wie auch Beamte haben einen Anspruch auf ein Arbeits- oder Dienstzeugnis. Der Anspruch kann entweder aus diversen Gesetzen folgen, nämlich § 113
Gewerbeordnung, § 73 Handelsgesetzbuch, § 630 BGB, § 8 Berufsbildungsgesetz oder § 92 Bundesbeamtengesetz.
Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis kann aber ebenso aus Tarifverträgen oder dem Arbeitsvertrag
folgen. Im übrigen ergibt sich der Anspruch aus einer vertraglichen Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis.
Dies gilt auch dann, wenn eine entsprechende Vereinbarung nicht ausdrücklich
zustandegekommen ist. Da ein Arbeits- und Dienstzeugnis heute zum arbeitsrechtlichen Standard gezählt wird, muß Frau Holle dem Abteilungsleiter Eisenhans in jedem Falle das gewünschte Zeugnis ausstellen.
2. Art des Arbeitsverhältnisses
Frau Holle meint, daß das Arbeitsverhältnis mit Eisenhans erst 2 Jahre bestanden hat und am Anfang nur ein Teilzeitarbeitsverhältnis war. Muß deshalb trotzdem ein volles Zeugnis
ausgestellt werden?
Die Art des Arbeitsverhältnisses spielt für die Zeugnispflicht des Arbeitgebers keine Rolle. Der Anspruch auf ein Zeugnis besteht auch dann, wenn es sich um eine nebenberufliche Tätigkeit,
eine Teilzeittätigkeit oder eine Geringbeschäftigtentätigkeit gehandelt hat.
Frau Holle muß auch ihren nur saisonbedingt kurzzeitig eingesetzten “Schneeflockenzerstäuberkolonnen” ein Arbeitszeugnis
ausstellen, wenn dies verlangt wird. Selbst wenn diese Tätigkeit im Jahr nur wenige Tage umfaßt hat.
3. Zeugnisart
Die Rechtsprechung und die Praxis kennt 2 Arten von Zeugnis, nämlich:
das einfache Zeugnis und
das qualifizierte Zeugnis.
Das einfache Zeugnis beinhaltet mehr oder weniger nur einen Beschäftigungsnachweis. Aus diesem Zeugnis muß einerseits der Arbeitnehmer und andererseits der Arbeitgeber hervorgehen.
Außerdem beinhaltet das Zeugnis die Bestätigung der Beschäftigungsdauer und die Art der Beschäftigung. Eine Beurteilung wird aber nicht vorgenommen. Ggf. kann die Tätigkeitsbeschreibung etwas ausführlicher sein.
Auf Verlangen ist der Entlassungsgrund anzugeben.
Entscheidend beim einfachen Zeugnis ist das Weglassen einer Beurteilung. Es fehlen Ausführungen über Führung und Leistung.
Dagegen erstreckt sich das
qualifizierte Zeugnis gerade auf Führung und Leistung. Es enthält zunächst eine umfassende Tätigkeitsbeschreibung. Diese Beschreibung muß vollständig sein. Sie muß sich auf die gesamte Dauer des
Arbeitsverhältnisses beziehen. Dies gilt auch für die Beurteilung der Leistung des Arbeitnehmers in Bezug auf Führung und Leistung.
Das qualifizierte Zeugnis muß einen umfassenden Überblick über die
verschiedenen Aspekte des Arbeitsverhältnisses liefern. Erfahrungsgemäß gibt ein solches Zeugnis immer wieder Anlaß zu Streitigkeiten vor dem Arbeitsgericht.
4. Wahlrecht des Arbeitnehmers
Frau Holle würde wegen zurückliegender Abmahnungen und Vorfälle gerne ein einfaches Zeugnis ausstellen. Dies hat den Vorteil, daß sie allen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen kann.
Damit ist Abteilungsleiter
Eisenhans aber nicht einverstanden. Er braucht das Zeugnis, um den Arbeitgeber bei einer gerade laufenden Bewerbung von seiner Qualifikation zu überzeugen.
Auf Befragen belehrt Ratgeber Dr. Allwissend die
Arbeitgeberin Frau Holle, daß nach ständiger Rechtsprechung alleine der Arbeitnehmer das Wahlrecht besitzt und darüber entscheidet, ob sie ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis auszustellen hat.
Ein
einfaches Zeugnis empfiehlt sich insbesondere bei kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen. Es kann auch ohne Schaden bei Arbeitsverhältnissen ausgestellt werden, die ganz einfach strukturiert waren oder als Nebenjobs
ein Arbeitsverhältnis betreffen, das für den Mitarbeiter nicht von großer Bedeutung war.
Im übrigen aber kann bei einer Bewerbung ein einfaches Zeugnis negativ ausgelegt werden. Es kann vermeintlich oder
tatsächlich darauf hindeuten, daß der Arbeitnehmer mit der Wahl des einfachen Zeugnisses eine schlechte Beurteilung durch den Arbeitgeber hat verhindern wollen.
Das einfache Arbeitszeugnis ist letztendlich
nur ein Tätigkeitsnachweis ohne weitere Aussagekraft. Es bestätigt allerdings, daß der Arbeitnehmer während der entsprechenden Zeit gearbeitet hat, d.h. nicht arbeitslos war und nicht “auf der faulen Haut” lag.
Weiter bestätigt es eine gewisse Berufserfahrung, mehr aber nicht.
Deshalb tut Abteilungsleiter Eisenhans gut daran, gerade in seiner herausgehobenen Stellung auf einem qualifizierten Zeugnis zu bestehen.
Alles andere wäre für ihn bei einer Neubewerbung “nahezu tödlich”.
5. Checkliste
- Gesetzlicher Anspruch auf Arbeitszeugnis
- Daneben Anspruch des Arbeitnehmers aus Tarifvertrag / Arbeitsvertrag / Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
- Art des Arbeitsverhältnisses unwesentlich, egal ob Vollzeit, Teilzeit, Geringbeschäftigung, Dauer von wenigen Wochen oder Jahren.
- Einfaches Zeugnis: bessere Arbeitsbestätigung, Arbeitsnachweis, ohne Beurteilung.
- Qualifiziertes Zeugnis: Umfassende Tätigkeitsbeschreibung und Leistungsbewertung.
- Arbeitnehmer kann Zeugnisart wählen. Mit der Erfüllung ist der Arbeitgeber aus der Pflicht.
- Generell ist bei längeren Beschäftigungen ein qualifiziertes Zeugnis zu empfehlen.