Folge 318

Klatsch und Tratsch im Betrieb I


Frage:


Ist jede Äußerung, die ich im Betrieb zu Arbeitskollegen mache oder außerhalb über meinen Arbeitgeber für mich gefährlich?
Darf ich im Rahmen meiner Meinungsfreiheit mich über meine Arbeit und meinen Arbeitgeber äußern wie ich will? Muß ich mir gefallen lassen, wenn Arbeitskollegen über mich unwahre Dinge erzählen?


Der Fall:


    Der Betriebsrat Anton Bruckner behauptete von der neuen unbeliebten Personalleiterin Diana von Poitiers, sie habe die
    Stellung nur erhalten, weil sie sich „hochgebumst“ habe. Er wird gekündigt.

    Maschinenarbeiter Eduard Möricke behauptet vom Betriebsratsmitglied Richard Löwenherz, dieser sei bestechlich.

    Clemens von
    Brentano erzählt gegenüber wichtigen Zulieferern und Lieferanten, daß sein Chef Achim von Arnim pleite sei.

    Arbeitgeber Friedrich von Savigny erzählte in kleinem Kreis, daß der Betriebsleiter ETA Hoffmann weg
    müsse. Das sei ihm im Zweifel 50.000 Euro wert. Der schlecht deutsch sprechende Mitarbeiter Deng Xiao Ping erstattete daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen eines Mordauftrages und wurde fristlos
    gekündigt.

    Die Kreditsachbearbeiterin Leni Riefenstahl verdrehte jedesmal ihre Augen und spuckte aus, wenn ihr Abteilungsleiter Luis Trenker an ihrem Schreibtisch vorüberging. Das will sich Luis Trenker nicht
    länger bieten lassen.


Die Lösung:


1. Kommunikation im Betrieb


    Kommunikation ist in allen Betrieben sehr wichtig, um Geschäftsabläufe zu optimieren und um den Mitarbeitern ein Klima zu
    bieten, bei dem sie sich wohl fühlen.

    Zu viel an Kommunikation kann allerdings problematisch werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kommunikation sich auf einer weniger sachlichen Ebene bewegt, in
    Gerüchten und Tratsch endet.

    Andererseits läßt es sich beim Zusammenarbeiten von vielen Menschen nicht verhindern, daß deren Lieblingsbeschäftigung tatsächlich stattfindet, nämlich über andere Menschen zu
    reden. Die Frage ist, wie weit hier die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Vertraulichkeit zu wahren sind im Spannungsverhältnis zum Persönlichkeitsrecht der Arbeitskollegen bzw. zur Wahrheitspflicht und
    zur Wahrung des Respekts.


2. Geschäftsschädigende Äußerungen


    Äußert sich Arbeitnehmer Brentano über seinen Chef Achim von Arnim in geschäftsschädigender Weise, ist dies stets
    problematisch. Behauptet der Mitarbeiter gegenüber Geschäftskunden oder Geschäftspartnern gar, daß der Chef pleite sei, so kann dies nach der Rechtsprechung eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dies gilt
    jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Position und aufgrund seiner Kenntnislage ernstzunehmen war.


3. Verletzung der Menschenwürde


    Die Behauptung von Bruckner, die Personalchefin habe sich im Unternehmen „hochgebumst“ kann ebenfalls eine Kündigung
    rechtfertigen. Eine solche Behauptung ist nicht nur beleidigend, sondern geeignet, das Ansehen und die Durchsetzungsfähigkeit der Personalchefin massiv zu untergraben.

    Ein Betriebsrat ist nur außerordentlich
    kündbar. Im entsprechenden Fall hat das Arbeitsgericht eine fristlose Kündigung für nicht gerechtfertigt angesehen, weil das Betriebsratsmitglied nachweislich unter Streß gestanden hat und es sich um eine
    einmalige Entgleisung gehandelt habe. Gleichwohl ist eine solche Äußerung geeignet, das Vertrauensverhältnis massiv zu stören.


4. Weitergabe an zuständige Stellen


    Hört ein Arbeitnehmer Gerüchte über angebliche strafbare Handlungen oder sexuelle Übergriffe eines Kollegen und gibt er
    diese Gerüchte an den Betriebsrat weiter mit der Bitte um Klärung, so kann der Mitarbeiter nicht so ohne weiteres wegen falscher Anschuldigung entlassen werden. Der Mitarbeiter ist in diesem Falle kein
    Denunziant, da der Betriebsrat einerseits zur Klärung solcher Probleme berufen und andererseits zur Kündigung nicht berechtigt ist.

    Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Mitarbeiter positiv gewußt haben
    sollte, daß die Gerüchte falsch sind und vorsätzlich wahrheitswidrig andere beschuldigt.


5. Denunzierung


    Denunzierungen sind grundsätzlich sehr problematisch, auch wenn sie dem Empfänger im Einzelfall nützen mögen. Schon die
    Republik Venedig hat für Jahrhunderte ein offizielle Denunzianten-System errichtet mit steinernen Briefkästen an vielen Orten, um anonyme Anschuldigungen entgegenzunehmen. Dies hat zu der Verfolgung vieler
    Unschuldiger geführt.

    Hinterbringt ein Arbeitnehmer abfällige oder beleidigende Äußerungen eines Arbeitskollegen über Vorgesetzte oder Kollegen selbst dem Arbeitgeber, so kann dies nach der älteren
    Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung des Denunzianten führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der angeschwärzte Arbeitskollege weigert, weiter mit dem Denunzianten zusammenzuarbeiten.

    Problematisch wird die Sache dann, wenn der Arbeitgeber die Mitarbeiter zur Denunziation regelrecht auffordert. Dies war z.B. bei den „Ethik-Richtlinien“ einer amerikanischen Firma der Fall. Die Firma hat die
    Mitarbeiter aufgefordert, alle vertragswidrigen Handlungen der Kollegen anzuzeigen. Sie hat dafür sogar eine eigene kostenlose Hot-Line errichtet. In diesem Fall hat der Arbeitgeber keinen Kündigungsgrund.
    Allerdings ist von einem solchen Meldesystem aus diversen Gründen generell abzuraten. Die Firma ist mittlerweile in Deutschland nicht mehr vertreten.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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