Folge 306

AGG XIV – Handlungspflichten des Arbeitgebers

(Stand 2025)


Frage:

Was kann man als Arbeitgeber tun, um diesen ganzen Anforderungen gerecht zu werden? Ein Hauptproblem besteht darin, dass viele Diskriminierungshandlungen innerhalb der Belegschaft
stattfinden. Was kann der Arbeitgeber tun, um das zu verhindern bzw. um sich abzusichern?


Der Fall:

Arbeitgeber Albert Lortzing hat sich selbst im Rahmen von mehreren Vorträgen über seine Rechte und Pflichten nach dem AGG schulen lassen. Die Mitarbeiter dagegen leben noch „im Tal der Ahnungslosen“.

Der Betriebsrat Otto Freischütz verlangt deshalb auch eine Schulung und Information an alle Mitarbeiter. Er will ebenfalls auf Kosten des Arbeitgebers über das neue Gesetz geschult werden.

Der Betriebsrat Freischütz will auch eine Betriebsvereinbarung über Diskriminierungsprobleme abschließen und verlangt von Albert Lortzing, dass eine Beschwerdestelle eingerichtet wird.

Albert Lortzing sieht enorme Kosten auf sich zukommen. Alleine die Information aller Mitarbeiter hält er für viel zu aufwendig. Muss er dem Betriebsrat folgen?


Die Lösung


1. Handlungspflicht des Arbeitgebers

In § 12 des AGG hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, dass der Arbeitgeber handeln muss. Er ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen und Diskriminierungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfasst vor allem auch vorbeugende Maßnahmen. Ohne vorbeugende Maßnahmen riskiert der Arbeitgeber, dass er sich wegen Unterlassung und Organisationsverschuldens schadenersatzpflichtig macht.


2. Schulungen

In § 12 Abs. 2 AGG ist bestimmt, dass der Arbeitgeber in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit von Diskriminierungen hinweist und hinwirken muss. Er muss in diesem Rahmen dafür sorgen, dass diese unterbleiben.

Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zweck der Verhinderung von Benachteiligungen geschult, so gilt dies als Erfüllung der Arbeitgeberpflichten. Der Arbeitgeber ist dann „exkulpiert“, d.h. er kann in der Regel nicht schadenersatzpflichtig gemacht werden.

Die gebotenen Maßnahmen hängen von der Größe des Betriebes ab. Von großen Unternehmen kann ein höherer Aufwand gefordert werden, als von Kleinunternehmen.

Von kleinen Unternehmen und Betrieben muss verlangt werden, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Schulung im Rahmen einer Betriebsversammlung von mindestens 1 bis 2 Stunden durchführt. Den Arbeitnehmern soll anhand von Beispielen klargemacht werden, in welchen Verhaltensweisen und Vorgängen eine Diskriminierung liegt oder liegen kann.

Den Arbeitnehmern sind die verschiedenen Diskriminierungstatbestände im einzelnen aufzuzeigen. Außerdem ist den Arbeitnehmern deutlich zu machen, dass sie im Falle von solchen Diskriminierungen mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu einer Kündigung oder Entschädigungsansprüchen zu rechnen haben.

Auch in großen Unternehmen müssen alle Mitarbeiter geschult werden. Dies kann organisatorisch z.B. in Abteilungsversammlungen durchgeführt werden. Fraglich ist, ob eine Information im Intranet ausreicht. Im Zweifel wird dies nicht der Fall sein.

Vorgesetzte und Abteilungsleiter, also Beschäftigte mit Weisungsbefugnis, müssen daneben besonders ausführlich über die neuen Regelungen informiert und geschult werden.


3. Die Organisations- und Schulungsmaßnahmen nach § 12 AGG

Schulungsmaßnahmen sind nach § 98 Betriebsverfassungsgesetz sowie i.d.R. nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat mitbestimmungspflichtig. Es ist deshalb wichtig, dass der Arbeitgeber – schon zur eigenen Absicherung – in diesen Fällen stets mit dem Betriebsrat zusammenarbeitet.


4. Maßnahmen gegen Diskriminierer

Verstoßen Arbeitnehmer oder sonstige Beschäftigte gegen Diskriminierungstatbestände des § 1 AGG bzw. das Diskriminierungsverbot des § 7 AGG, so muss der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 3 AGG
gegen diese Mitarbeiter geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung treffen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder eine Kündigung zu ergreifen ist. Nur bei besonders leichten Verstößen genügt eine Ermahnung.


5. Maßnahmen gegen dritte Personen

Der Arbeitgeber muss die bei ihm Beschäftigten vor Diskriminierungen auch gegen Außenstehende, d.h. gegen dritte Personen schützen. Nach § 12 Abs. 4 AGG muss der Arbeitgeber im Einzelfall auch gegen Dritte, wie z.B. Kunden, Lieferanten, Speditionsmitarbeiter etc. geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ergreifen.

Hier kann es Zielkonflikte geben, da der Arbeitgeber i.d.R. seine Kunden oder Lieferanten nicht verlieren will. Es ist deshalb im Konfliktfalle dringend zu empfehlen, mit den Drittpersonen Gespräche zu führen, ggf. einen Verhaltenskodex in die Verträge mit Dritten aufzunehmen.

Ist eine Regelung des Problems auf diese Weise nicht möglich, so kann auch daran gedacht werden, den diskriminierten Arbeitnehmer aus der Kundenbeziehung bzw. der Außenbeziehung herauszunehmen und an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, um ihn zu schützen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.