Frage:
Muß ich es als Frau mir gefallen lassen, daß stets ich im Büro den Kaffee kochen muß? Ist es richtig, daß Teilzeitkräfte wegen der Teilzeit kein Weihnachtsgeld, keine Betriebsrente und
kein Fahrgeld bekommen? Dürfen islamische Mitarbeiter während der Arbeitszeit ihre 5 Tagesgebete verrichten?
Der Fall:
Im Betrieb von Adalbert Stifter herrscht noch „die gute alte Zeit“. Für verheiratete Mitarbeiter gibt es Zulagen, für Lebensgemeinschaften nicht. Das Kaffekochen wird noch von den
weiblichen Mitarbeitern durchgeführt. Als K.u.K.-Österreicher hat er die Türkenkriege nicht vergessen. Deswegen dürfen seine türkischen Mitarbeiter den Hof kehren. Als Abteilungsleiter werden nur
muttersprachliche Mitarbeiter befördert.
Die Arbeitgeberin Anna Amalie aus Weimar kämpft gegen die Frauenunterdrückung. Deshalb werden in ihrem Betrieb zum Säubern der Maschinen und zu Reinigungsarbeiten nur
Männer eingesetzt. Sie ist sehr aufgeschlossen. Als jedoch mohammedanische Mitarbeiter ihre Korangebete während der Arbeitszeit in ihrer Bibliothek verrichten wollten und türkische Mitarbeiterinnen mit dem
Kopftuch die Kunden bedienten, hörte bei ihr die Toleranz auf. Das wollte sie nicht mitmachen. Liegen hier verbotene Diskriminierungen nach dem AGG vor?
Die Lösung:
5. Versetzung
Versetzungen innerhalb des Betriebes oder des Unternehmens können per Direktionsrecht durchgeführt werden, soweit dies der Arbeitsvertrag zuläßt. Andernfalls muß eine Änderungskündigung
ausgesprochen werden. In jedem Falle müssen bei Versetzungen (nicht bei Umsetzungen) die Betriebsräte vorher angehört werden und zustimmen.
Sowohl Arbeitgeber wie Betriebsräte müssen darauf achten, daß
Versetzungen nicht diskriminierend sind. Hier ist vor allem darauf zu achten, daß bei Versetzungen niemand benachteiligt wird wegen seines Geschlechtes, wegen seiner ethnischen Herkunft oder seines Glaubens.
Versetzungen dürfen insbesondere nicht schikanös sein. Entbehrt die Versetzung einer sachlichen Grundlage, liegt ein Indiz dafür vor, daß Schikane obwaltet. Dann muß der Arbeitgeber beweisen, daß er einen
sachlichen Grund für die Versetzung besaß.
6. Religiöse Bräuche
Verschiedene Religionszugehörigkeiten und religiöse Gebräuche können Konflikte in Betrieben provozieren. Hier stellt sich die Frage, inwieweit der Arbeitgeber auf religiöse Wünsche und
Besonderheiten eingehen und diesen Vorrang einräumen muß. Im Einzelfall ist dies stark umstritten.
Merke: Nach der bisherigen Rechtsprechung ist der Arbeitgeber nur verpflichtet, auf religiöse Belange und
Gebräuche der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen, soweit es nicht berechtigten betrieblichen Belangen entgegensteht. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, religiöse Belange in schikanöser Form oder aus Prinzip zu
unterbinden. Stören diese aber den Betriebsablauf, so muß er sie nicht dulden.
Diese Grundsätze der Rechtsprechung sind auch unter Berücksichtigung der neuen Regeln des AGG nicht verändert worden. Das Verbot
der Benachteiligung von Mitarbeitern wegen der Religion oder Weltanschauung führt nur dazu, daß Nachteile beseitigt werden, die ohne sachliche Rechtfertigung entstehen. Das AGG fordert jedoch nicht,
Arbeitnehmern wegen ihrer Religion Vorteile einzuräumen!
7. Beispiele:
– Die unterschiedlichen Feiertagsregelungen (Mohammedaner am Freitag, Juden am Samstag, Christen am Sonntag; die verschiedenen Feste wie Weihnachten, Ramadan-Ende, Jom-Kippur-Fest etc.)
dürfen den Betriebsablauf nicht stören. Aus diesem Grunde kann ein Mohammedaner nicht verlangen, am Freitag frei zu bekommen und dafür am Sonntag zu arbeiten. Es gelten im übrigen in Deutschland die staatlichen
Feiertagsgesetze verbindlich für alle Mitarbeiter, egal welcher Konfession.
– Sind Mitarbeiter einer Konfession stark vertreten, so gebietet es die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, ggf. in der Kantine ein
entsprechendes Essen (z.B. ohne Schweinefleisch) für diese Mitarbeiter anzubieten, wenn dies aus wirtschaftlichen und organisatorischen Gründen zumutbar ist.
– Gebetszeiten: Generell hat kein Muslim das
Anrecht, im Betrieb 5 die Arbeit zu unterbrechen, um zu beten. Sollte dies aber ohne größere Störung der Betriebsabläufe und der Arbeitskollegen bzw. des Kundenverkehrs möglich sein, so müßte der Arbeitgeber dem
Mitarbeiter insoweit entgegenkommen, wenn dieser die ausgefallene Arbeitszeit nacharbeiten kann.
– Konflikte entstehen immer wieder durch das Tragen bestimmter Kleidung, z.B. des Kopftuches oder der Bourka.
Nach der Rechtsprechnung des Bundesarbeitsgerichts ist das Tragen des Kopftuches generell erlaubt, soweit nicht konkrete betriebliche Belange dem entgegenstehen. Alleine die Befürchtung, daß Kunden durch das
Kopftuch sich abwenden, reicht nicht aus, um ein Kopftuchverbot einzuführen. Dagegen dürfte das Tragen der Bourka (Ganzkörperschleier) in der Regel den betrieblichen Ablauf so stören, daß der Arbeitgeber dies
verbieten kann.