Frage:
Wenn ich einem Bewerber/einer Bewerberin eine Absage erteile, warum darf ich nicht das sagen, was ich denke und fühle oder wirklich meine Beweggründe waren? Vergiftet „political
correctness“ den ganzen Umgang der Menschen miteinander?
Der Fall:
Erzbischof Thomas Morus lehnt Bewerberinnen für Professorenstellen in seinem Priesterseminar mit der Bemerkung ab, daß dafür nur Männer in Betracht kommen. Arbeitgeber Gottlieb Daimler
lehnt Bewerberinnen in seiner KFZ-Werkstatt ab, weil er sonst zusätzlich Toiletten und Duschen für Frauen bauen müßte.
Arbeitgeber Leo Trotzki schreibt einem abgelehnten Bewerber, daß er Sprößlinge aus dem
Großbürgertum generell ablehne. Konrad Lorenz hat zum Test bei den Bewerbungsgesprächen seine Gänse im Raum gelassen. Ein Bewerber wird dem Bemerken abgelehnt, daß nur Tierliebhaber im Lorenz-Institut
beschäftigt werden können.
Astrid Lindgren bevorzugt Bewerberinnen mit Kindern, insbesondere Mädchen. Ein männlicher Bewerber wird mit der Begründung abgelehnt, daß er nur Söhne aufzuweisen habe.
Die Lösung:
1. Diskriminierende Bemerkungen
Es ist jedem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, in Absageschreiben möglichst alle diskriminierenden Bemerkungen zu unterlassen. Je neutraler das Absageschreiben ist, um so geringer die
Gefahr einer Diskriminierung und Klage. Rein arbeitsplatz- und qualifikationsbezogene Absageargumente sind zwar rechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl kann dadurch ein Bewerber auch tief verletzt sein.
Verletzungen zu vermeiden, muß grundsätzlich ein Anliegen der Arbeitgeberseite sein.
2. Rechtfertigungsgründe
Dies bedeutet nicht, daß der Arbeitgeber stets einen „Maulkorb“ tragen muß. Sofern die Ablehnungsgründe aus der Tätigkeit heraus sachlich gerechtfertigt sind, können sie auch aufgeführt
werden. Selbst diskriminierende Bemerkungen sind unschädlich, wenn der Arbeitsplatz bestimmte Qualifikationen erfordert.
Z.B.:
– Die Tierliebe ist im Konrad-Lorenz-Institut an vielen Arbeitsplätzen
erforderlich, da Tierverhaltensforschung mit Tieren betrieben wird.
– Die Ablehnung einer Frau im Priesterseminar als Priesteranwärterin wäre gerechtfertigt, da in der katholischen Kirche das Priesteramt an
das männliche Geschlecht gebunden ist. Dagegen wäre es nicht zwingend erforderlich, bei den Lehrkräften ausschließlich Männer zu beschäftigen.
– Die Ablehnung von Männern oder Frauen wegen Kosten für
zusätzliche Aufenthaltsräume, Duschen, Waschräume etc. ist kein Rechtfertigungsgrund für eine Diskriminierung. Hier verlangt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom Arbeitgeber den entsprechenden
Kosteneinsatz.
– Politische oder menschliche Vorlieben (Leo Trotzki und Astrid Lindgren) sind keine guten Begründungen in Ablehnungsschreiben. Sie sollten tunlichst vermieden werden. Hier liegt eine
Diskriminierung vor.
3. Beweislastumkehr
In § 22 AGG hat der Gesetzgeber geregelt:
Wenn im Streitfall eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, so trägt die
andere Partei die Beweislast dafür, daß kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Der Gesetzgeber hat damit allen scheinbar oder wirklich diskriminierten Bewerbern
oder Beschäftigten eine Beweiserleichterung an die Hand gegeben.
Indizien für eine Diskriminierung können bei allen schriftlichen Dokumenten, wie Stellenanzeigen, Auswahlrichtlinien, Personalfragebögen,
Ablehnungsschreiben gegeben sein. Solche Indizien können aber auch aufgrund mündlicher Aussagen oder Fragen vorliegen.
Es ist deshalb dringend zu empfehlen, alle Schriftstücke, Fragebögen, Formschreiben etc.
auf einen diskriminierenden Inhalt zu untersuchen und ggf. zu revidieren. Andernfalls muß der Arbeitgeber mit einer Schadenersatz-/Entschädigungsforderung der Bewerber/Beschäftigten rechnen.
Da ein
Entschädigungs- oder Schadenersatzanspruch nach § 15 Abs. 4 AGG binnen einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden muß, empfiehlt es sich, zumindest in Risikofällen für den Zugang des
Ablehnungsschreibens einen Zugangsnachweis zu führen.
Um unnötige Risiken auszuschließen ist außerdem grundsätzlich zu empfehlen, gegenüber externen Personen, wie Bewerbern, keine telefonischen Auskünfte zu
geben.
Tipp: Im Prozeßfall verlangen die Gerichte Fakten und Nachweise. Um die entsprechenden Nachweise führen zu können, ist es empfehlenswert, bereits das Vorstellungsgespräch in wichtigen Punkten zu
dokumentieren. Außerdem sollten zum Zweck des Nachweises die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber solange aufbewahrt werden, wie mit Klagen wegen Diskriminierung zu rechnen ist. Nur aufgrund der vorhandenen
Unterlagen kann im Zweifel der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung und ihre sachliche Begründung dokumentieren.