Der Fall
Heidschnuckenschäfer Hermann Löns war bei dem Jungunternehmer Emil von Behring als Landschaftspfleger angestellt, um die Grünanlagen rund um das gesamte Firmengelände und die
Produktionsanlagen mit seinen Heidschnucken in Ordnung zu halten.
Im schriftlichen Arbeitsvertrag war ein Gehalt von 2.500 Euro brutto monatlich bei 40 Wochenarbeitsstunden geregelt. Außerdem war vereinbart,
daß mit diesem Gehalt sämtliche Überstunden, egal welcher Art und aus welchem Grunde, abgegolten seien.
In § 15 des Arbeitsvertrages war außerdem eine Ausschlußklausel geregelt. Danach war der Arbeitnehmer
verpflichtet, sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Fälligkeit schriftlich innerhalb eines Monats geltend zu machen. Andernfalls sollen diese Ansprüche verfallen.
Als Hermann Löns im Frühsommer
mit seinen Heidschnucken in der Sonne so still vor sich hin träumte, erhielt er die schneidige Anweisung des Betriebsleiters Doc Holiday, sich die nächsten Wochen über das normale Maß hinaus kräftig ins Zeug zu
legen, um die Außenanlagen für den Tag der Offenen Tür der Behringwerke Tiptop auf Vordermann zu bringen. Löns und seine Schafe knieten sich kräftig ins Gras. Zur Erfüllung des Auftrages leistete Löns im Juni
262 Stunden, im Juli 270 Stunden.
Als die Herbstnebel durch das Lahntal zogen, kam dem still vor sich hin sinnierenden Heidschnuckenschäfer die Idee, daß er wenigstens einen Teil seiner Überstunden bezahlt
bekommen müsse. Er machte deshalb mit Schreiben vom 20.11. die Bezahlung aller Überstunden geltend, die über 216 Monatsstunden hinaus gingen. Außerdem wollte er einen Zuschlag von 25 % auf die Überstunden.
Unternehmer Emil von Behring ist der Ansicht, daß ein Überstundenanspruch wegen der vertraglichen Regelung generell nicht besteht. Außerdem wäre ein solcher Anspruch durch die arbeitsvertragliche Ausschlußfrist
verfallen und untergegangen. Doch der von Hermann Löns eingeschaltete Rechtsanwalt Dr. Eisenbart fackelte nicht lange und erhob Klage. Mit Erfolg?
Die Lösung
13. Schriftliche Geltendmachung
In der Regel wird sowohl in den tariflichen wie auch arbeitsvertraglichen Verfallregelungen eine schriftliche Geltendmachung der Ansprüche verlangt. Dies ist aus Gründen der
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sehr wichtig.
Schriftliche Geltendmachung bedeutet jedoch nicht nur die Geltendmachung des Anspruches per Schriftstück. Darüber hinaus ist der Anspruch nach ständiger
Rechtsprechung in solchen Fällen auch klar beziffert oder bezifferbar zu benennen. Nur die schriftliche, bezifferte Geltendmachung erfüllt diese Voraussetzungen.
Achtung: In einzelnen Tarifverträgen oder
Arbeitsverträgen ist eine zweistufige Ausschlußfrist vorgesehen. Nach schriftlicher Geltendmachung und Ablehnung wird verlangt, daß der abgelehnte Anspruch dann binnen einer gewissen Frist, oft 2 Monate,
gerichtlich eingeklagt werden muß. Andernfalls geht der Anspruch wiederum unter.
14. Fristbeginn ab Fälligkeit
In der Ausschlußklausel des Arbeitsvertrags von Hermann Löns wird der Fristbeginn zur Geltendmachung des Anspruchs durch die Fälligkeit in Gang gesetzt. So sind auch die tariflichen
Ausschlußfristen regelmäßig ausgestaltet.
Dem gegenüber beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren nach § 199 BGB erst mit dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
Die in
Ausschlußklauseln viel kürzere Frist in Verbindung mit der Fälligkeit stellt jedoch keine unangemessene und rechtswidrige Benachteiligung der Arbeitsvertragspartner dar. Daß der Lauf der Ausschlußfrist bereits
mit der Fälligkeit des Anspruches beginnt, entspricht dem Zweck der Ausschlußfrist, rasch Rechtsklarheit zu schaffen.
Achtung: Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlußfrist fällig, wenn
der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann.
15. Unzulässige Frist unter 3 Monaten
Mit den neuen schuldrechtlichen Regelungen der §§ 305 ff BGB ist die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur zulässigen Dauer der Ausschlußfrist hinfällig. Nach früherer
Rechtsprechung war es möglich, daß sich die Arbeitsvertragsparteien auch an den z.T. sehr kurzen Ausschlußfristen der Tarifvertragsparteien von 1 oder 2 Monaten orientieren durften.
Nach der neuesten
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist jedoch die Frist für eine erstmalige Geltendmachung von weniger als 3 Monaten für arbeitsvertragliche Ansprüche unangemessen kurz. Diese zu kurze Frist führt zur
Unwirksamkeit der Klauselregelung.
Dies gilt insbesondere für alle Arbeitsverträge, die formularmäßig erstellt wurden und deshalb als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ (AGB) im Sinne der §§ 305 ff BGB gelten.
Davon ist auch immer auszugehen, wenn der Arbeitgeber den Text des Arbeitsvertrages vorgegeben hat.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind alle Bestimmungen mit formularmäßigen Arbeitsverträgen oder
Arbeitsverträgen, die vom Arbeitgeber inhaltlich bestimmt wurden unwirksam, wenn diese Bedingungen den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
Das BAG geht davon
aus, daß eine kurze einzelvertragliche Verfallfrist von 1 oder 2 Monaten mit den wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechtes nicht vereinbar sei. Die Rechtsposition des Vertragspartners sei so
erheblich eingeschränkt, daß diese Regelung eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB darstelle.
Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist für die bezifferte schriftliche
Geltendmachung eines Vergütungsanspruchs eine Mindestfrist von 3 Monaten erforderlich. Dies bedeutet, daß eine Ausschlußfristenregelung im Arbeitsvertrag nur dann rechtswirksam ist, wenn die Ausschlußfrist zur
Geltendmachung von Ansprüchen 3 Monate nicht unterschreitet.
Die im Arbeitsvertrag von Hermann Löns vorgesehene kürzere Ausschlußfrist von 1 Monat ist damit unheilbar wirksam. Sie kann nach der Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts nicht angepaßt werden, sondern entfällt ersatzlos. Emil von Behring kann sich nicht auf den Verfall des Anspruches berufen.
16. Einseitige Verfallfrist
Nach ständiger Rechtsprechung ist auch eine einseitige Verfallfrist unzulässig, nach der ausschließlich der Arbeitnehmer seine Ansprüche binnen einer bestimmten Ausschlußfrist geltend
machen muß, nicht aber der Arbeitgeber.
17. Merke:
Eine einzelvertragliche Ausschlußfrist, die die schriftliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als 3 Monaten ab Fälligkeit
verlangt, benachteiligt unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben und schränkt wesentliche Rechte so erheblich ein, daß die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Diese Ausschlußfrist ist
aufgrund der unangemessenen Kürze rechtsunwirksam. Sie fällt ersatzlos weg.