Folge 283

Überstunden / Verfallfrist I


Der Fall

    Heidschnuckenschäfer Hermann Löns war bei dem Jungunternehmer Emil von Behring als Landschaftspfleger angestellt, um die Grünanlagen rund um das gesamte Firmengelände und die
    Produktionsanlagen mit seinen Heidschnucken in Ordnung zu halten.

    Im schriftlichen Arbeitsvertrag war ein Gehalt von 2.500 Euro brutto monatlich bei 40 Wochenarbeitsstunden geregelt. Außerdem war vereinbart,
    daß mit diesem Gehalt sämtliche Überstunden, egal welcher Art und aus welchem Grunde, abgegolten seien.

    In § 15 des Arbeitsvertrages war außerdem eine Ausschlußklausel geregelt. Danach war der Arbeitnehmer
    verpflichtet, sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Fälligkeit schriftlich innerhalb eines Monats geltend zu machen. Andernfalls sollen diese Ansprüche verfallen.

    Als Hermann Löns im Frühsommer
    mit seinen Heidschnucken in der Sonne so still vor sich hin träumte, erhielt er die schneidige Anweisung des Betriebsleiters Doc Holiday, sich die nächsten Wochen über das normale Maß hinaus kräftig ins Zeug zu
    legen, um die Außenanlagen für den Tag der Offenen Tür der Behringwerke Tiptop auf Vordermann zu bringen. Löns und seine Schafe knieten sich kräftig ins Gras. Zur Erfüllung des Auftrages leistete Löns im Juni
    262 Stunden, im Juli 270 Stunden.

    Als die Herbstnebel durch das Lahntal zogen, kam dem still vor sich hin sinnierenden Heidschnuckenschäfer die Idee, daß er wenigstens einen Teil seiner Überstunden bezahlt
    bekommen müsse. Er machte deshalb mit Schreiben vom 20.11. die Bezahlung aller Überstunden geltend, die über 216 Monatsstunden hinaus gingen. Außerdem wollte er einen Zuschlag von 25 % auf die Überstunden.

    Unternehmer Emil von Behring ist der Ansicht, daß ein Überstundenanspruch wegen der vertraglichen Regelung generell nicht besteht. Außerdem wäre ein solcher Anspruch durch die arbeitsvertragliche Ausschlußfrist
    verfallen und untergegangen. Doch der von Hermann Löns eingeschaltete Rechtsanwalt Dr. Eisenbart fackelte nicht lange und erhob Klage. Mit Erfolg?


Die Lösung


1. Gesetzliche Arbeitszeit

      Das Arbeitszeitgesetz regelt die gesetzliche Arbeitszeit. In § 3 Arbeitszeitgesetz ist vorgesehen, daß die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden nicht überschreiten
      darf. Das Gesetz geht allerdings von einer 6-Tage-Woche aus!

      Die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden kann bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24
      Wochen im Durchschnitt wiederum 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

      Damit ergibt sich eine gesetzlich zulässige monatliche Höchstarbeitszeit von ca. 208 bis 216 Stunden, je nach Anzahl der
      Monatstage (8 Stunden pro Werktag x 26/27 Werktage). Das ergibt sich auch aus der zulässigen gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden x 13 Wochen ÷3 Monate = 208 Stunden pro Monat.


2. Tarifliche Arbeitszeit

    Die in Tarifverträgen vorgesehene tarifliche Wochenarbeitszeit ist i.d.R. deutlich kürzer, als die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit. Viele Tarifverträge gehen von der
    38,5-Stunden-Woche aus, manche Tarifverträge von 35 Arbeitsstunden pro Woche, andere Tarifverträge von 40 Wochenstunden. Darüber hinaus regeln die Tarifverträge die Zahlung von Überstundenzuschlägen.

    Die
    Regeln des Tarifvertrages gelten im Arbeitsverhältnis jedoch nur dann, wenn entweder Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitgeberverband und der zuständigen Gewerkschaft organisiert sind, der Tarifvertrag nach §
    5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt wurde, oder die Geltung des Tarifvertrages im Arbeitsvertrag vereinbart wurde bzw. der Tarifvertrag aufgrund betrieblicher Übung im Betrieb allgemein auf alle Arbeitnehmer
    Anwendung findet.


3. Vertragliche Arbeitszeit

    Findet kein Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, so kann, wie bei Hermann Löns, auch eine vertragliche Wochenarbeitszeit vereinbart werden. Diese darf jedoch nicht gegen die
    im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Höchstgrenzen verstoßen.


4. Überstundenzuschläge

    Die Zahlung von Zuschlägen bei Überstunden (z.B. 25 %) ergibt sich nicht aus dem Arbeitszeitgesetz. Lediglich in Tarifverträgen sind solche Überstundenzuschläge geregelt.

    Findet ein
    Tarifvertrag, wie bei Hermann Löns, auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung, so besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Überstundenprozente nur dann, wenn entweder der Tarifvertrag insoweit
    arbeitsvertraglich vereinbart wurde, oder im Arbeitsvertrag die Zahlung von Überstundenzuschlägen ausdrücklich vereinbart wurde. Bei Hermann Löns war das nicht der Fall.


5. Pauschale Abgeltung von Überstunden

    Sehr oft findet sich die pauschale Abgeltung von Überstunden in Arbeitsverträgen geregelt. Solche Regelungen sind jedoch bei genauer Nachprüfung oft problematisch und teilweise auch
    rechtswidrig.

    Teilweise findet sich neben dem Gehalt ein pauschaler Zuschlag zur Abgeltung von Überstunden, teilweise soll mit dem Gehalt auch ohne Zuschlag jede zusätzliche Arbeit abgegolten sein.

    Die
    pauschale Abgeltung von Überstunden durch das Gehalt oder einen Zuschlag ist jedoch nur dann rechtswirksam, wenn die Anzahl der Überstunden mit dem pauschalen Überstundenzuschlag oder dem entsprechend erhöhten
    Gehalt in einem angemessenen Verhältnis stehen.

    Eine Regelung wie im Arbeitsvertrag von Hermann Löns, das mit dem Gehalt sämtliche Überstunden abgegolten sind, egal welcher Art, Güte und Umfang, kann in
    dieser umfassenden Form nicht rechtmäßig sein.

    In der Regel kann mit einer solchen pauschalen Regelung bei einem angemessenen Zuschlag die Arbeitszeit bis max. zur gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 48
    Wochenstunden abgegolten sein. Das muß jedoch im Einzelfall geprüft werden.

    Die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit wird im allgemeinen als „Mehrarbeit“ bezeichnet. Diese Mehrarbeit über das
    gesetzlich zulässige Maß hinaus ist regelmäßig nicht von dem übertariflichen Gehalt, dem Überstundenzuschlag etc. mit umfaßt.

    Achtung: Dies gilt auch für die Mehrarbeit von sog. außertariflichen Angestellten
    (AT-Angestellten). Auch bei diesen AT-Angestellten ist die Mehrarbeit nicht automatisch von dem übertariflichen Gehalt abgegolten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das AT-Gehalt nicht ganz erheblich über dem
    höchsten Tarifgehalt liegt.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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