Folge 281

Arbeitslosengeld – Sperrzeit III


Der Fall

    Der Pendler Leon Foucault hat sich nach Ablauf seines Pendel-Patentes zur Vermeidung von Armut als Lagerarbeiter beim Komponisten und Notenproduzenten Rolf Liebermann verdingt. Der
    Arbeitgeber Liebermann baute im Zuge von „Lean Production“ das Lager ab und wollte allen Lagerarbeitern kündigen. Zunächst aber bot er Leon Foucault und Kollegen einen Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der
    vertraglichen Kündigungsfrist an nebst einer Abfindung. Diese betrug im Falle von Foucault 5000 Euro.

    Die Arbeitsagentur hat wegen Arbeitsaufgabe durch Aufhebungsvertrag eine Sperrzeit von 12 Wochen
    verhängt.

    Die ebenfalls zur Kündigung anstehende Notenmalerin Greta Garbo nahm ebenso wie Leon das Abfindungsangebot an. Auf Vorschlag des Arbeitgebers Liebermann wurde im Auflösungsvertrag von Greta die
    Kündigungsfrist um 3 Monate verkürzt. Dafür erhöhte Liebermann den Abfindungsbetrag um 2 Monatsgehälter von 5000 Euro auf 8000 Euro.

    Justinus Kerner war Hofpoet bei Kaiser Trajan. Irgendwann konnte Justinus
    nicht mehr verbergen, daß er schwerer Stotterer war.

    Der empörte Trajan bot Kerner die fristlose Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag „im beiderseitigen Einvernehmen“ ohne Abfindung an. Um den Makel der
    fristlosen Kündigung zu verhindern, unterschrieb Justinus Kerner den Aufhebungsvertrag.

    Justinus Kerner hat einen Grad der Behinderung von 50 wegen Stottern und sonstigem. Die Arbeitsagentur fragt, warum er
    nicht wenigstens auf die Einschaltung des Integrationsamtes durch Kaiser Trajan bestanden habe.

    Sowohl Greta Garbo wie auch Justinus Kerner wurde wie schon Leon jeweils eine Sperrzeit verhängt. Alle 3 wollen
    dagegen klagen. Mit Erfolg?


Die Lösung


1. Versicherungswidriges Verhalten

    Nach § 144 Abs. 1 Ziff. 1 SGB III liegt versicherungswidriges Verhalten insbesondere dann vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst hat. Gerade der Abschluß
    eines Aufhebungsvertrages stellt generell eine freiwillige Arbeitsaufgabe dar, die zu einer Sperrzeit führen kann.

    Dabei spielt es keine Rolle, wie der Aufhebungsvertrag bezeichnet wird, ob als Auflösungs-,
    Beendigungs-, Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag. In jedem Falle wäre ein versicherungswidriges Verhalten gegeben.


2. Wichtiger Grund

    Von einer Sperrzeit ist jedoch dann abzusehen, wenn für das versicherungswidrige Verhalten ein wichtiger Grund vorlag. Nach § 144 Abs. 1 Satz 4 SGB III muß der Arbeitnehmer bzw. der
    Arbeitslose die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen jedoch darlegen und im Zweifel auch nachweisen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Tatsachen in seiner Sphäre oder in seinem
    Verantwortungsbereich liegen.


3. Leon Foucault

    Lagerarbeiter Leon hätte in jedem Falle die betriebsbedingte Kündigung gedroht, da der Arbeitgeber Liebermann das Lager schließen wollte und im Bereich der Notenproduktion für einen
    Arbeiter keine andere Verwendung mehr vorhanden gewesen wäre. Bei einem derartigen Sachverhalt steht das berechtigte Interesse des Lagerarbeiters, sich wenigstens eine Abfindung zu sichern, gleichwertigen
    Interessen der Versichertengemeinschaft gegenüber.

    Aus diesem Grunde hat das Bundessozialgericht entschieden, daß der Arbeitnehmer Leon für den Abschluß des Auflösungsvertrages einen wichtigen Grund im Sinne
    des § 144 SGB III hatte. Es war ihm das Abwarten einer arbeitgeberseitigen Kündigung ohne Abfindung nicht zuzumuten, da er ohnehin keine Chance gehabt hätte, gegen die sozial gerechtfertigte Kündigung
    erfolgreich vorzugehen.

    Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch der Wille des Gesetzgebers, der in § 1 a Kündigungsschutzgesetz zum Ausdruck kommt. Danach ist es ohne Sperrzeit möglich, daß der
    Arbeitgeber im Vorfeld einer Kündigung eine Abfindung in Höhe von ½ Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr anbietet. Verzichtet der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, so entsteht ein
    entsprechender Abfindungsanspruch. Auch in diesem Falle ist die Verhängung einer Sperrzeit wegen rechtmäßigem Verhalten des Arbeitnehmers ausgeschlossen.

    Leon Foucault wäre mit einer Klage gegen eine
    Sperrzeitverhängung erfolgreich.


4. Greta G.

    Für Greta Garbo würde zwar im Grundsatz dasselbe gelten, wie für Leon Foucault. Im Falle von Greta ist jedoch die vertragliche Kündigungsfrist nicht eingehalten.

    Hat der Arbeitslose
    wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung erhalten und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet worden, so ruht nach § 143 a SGB III ebenfalls der
    Anspruch auf Arbeitslosengeld.

    Das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches beginnt mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der ordnungsgemäßen
    Kündigungsfrist geendet hätte.

    Dies bedeutet, daß Greta Garbo mit der Erhöhung der Abfindung unter Verzicht auf die Kündigungsfrist nichts gewonnen hat.

    Achtung: Außerdem besteht der dringende Verdacht,
    daß in der Abfindung insoweit verstecktes Entgelt enthalten ist. Der Arbeitgeber muß deshalb damit rechnen, daß er für den Abfindungsbetrag ganz oder teilweise noch Sozialversicherungsbeiträge abführen muß.


5. Justinus K.

    Justinus Kerner hat einen besonderen Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX genossen. Als schwerbehinderter Arbeitnehmer ist er mit einem Grad der Behinderung von 50 erst dann kündbar, wenn
    das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hat.

    Der Abschluß eines Aufhebungsvertrages mit Kaiser Trajan stellte, wie schon bei seinen Vorgängern, ein versicherungswidriges Verhalten dar, das nach § 144
    Abs. 1 Ziff. 1 SGB III zu einer Sperrzeit bis zu 12 Wochen Anlaß gibt.

    Justinus Kerner hat keine wichtigen Gründe, die für den Auflösungsvertrag und gegen eine Sperrzeit sprächen.

    Vor allem hätte er sich
    gegen die ihm von Trajan angekündigte Kündigung erfolgreich arbeitsrechtlich wehren können, solange das Integrationsamt nicht angehört wurde und der Kündigung zugestimmt hat. Der Umstand, daß Justinus wegen
    seines Stotterns und damit wegen seiner Behinderung gekündigt werden sollte, hätte voraussichtlich zu einer Ablehnung der Kündigung durch das Integrationsamt geführt.

    Justinus hat deshalb letztendlich die
    Beendigung seines Arbeitsverhältnisses herbeigeführt, ohne für den Auflösungsvertrag einen wichtigen Grund im Sinne des Gesetzes besessen zu haben. In seinem Falle wäre die Sperrzeit durch die Arbeitsagentur
    begründet gewesen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.