Folge 279

Arbeitslosengeld – Sperrzeit I


Der Fall

    Die leidenschaftliche Arbeitnehmerin Simone Beauvoir geriet mit ihrer Arbeitgeberin Maria Callas so in Streit, daß beide nur noch Arien von sich gaben. Über den Anlaß des Streits konnten
    beide Kontrahentinnen keine genauen Angaben mehr machen. Jedenfalls beendete Simone Beauvoir die disharmonische Polyphonie mit dem Bemerken: „In diesem Orchester flöte ich nicht mehr mit.“ Sodann zog sie eine
    schriftliche fristlose Kündigung aus ihrem Dekoltee und verließ postwendend und für immer die Bühne.

    Alexander Mitscherlich diente immer treu seinem Arbeitgeber Sigmund Freud. Als dieser aber zum wiederholten
    Male mit dem Lohn mehr als 3 Monate im Rückstand war, kündigte Alexander Mitscherlich das Arbeitsverhältnis, um bei Wilhelm Reich eine neue Existenz zu beginnen. Leider war dieser auch pleite. Mitscherlich mußte
    sich wie Simone Beauvoir arbeitslos melden.

    Arbeiter Emil Zatopek zeigte seinen Arbeitgeber Harry Belafonte ohne Vorankündigung bei der Gewerbeaufsicht an, weil er zum zweiten Mal unerlaubte Sonntagsarbeit
    leisten mußte.

    Arbeitnehmer Willy Birgel wies seinen Arbeitgeber Gustav Gründgens seit zwei Jahren vergeblich darauf hin, daß das von ihm geleitete Lager für Feuerwerkskörper und Sprengstoffe in einem
    Wohngebiet jeglicher Sicherheitsvorkehrungen entbehre und höchste Explosionsgefahr bestehe. Da Arbeitgeber Gründgens sich dafür überhaupt nicht interessierte, zeigte Willy Birgel den Arbeitgeber schließlich bei
    der Gewerbeaufsicht und der Polizei an.

    Die Arbeitgeber Belafonte und Gründgens warfen ihre Mitarbeiter Zatopek und Birgel jeweils fristlos raus. Alle 4 Arbeitnehmer meldeten sich bei der Arbeitsagentur
    Marburg pflichtgemäß arbeitslos mit dem Begehren um Arbeitslosengeld.

    Die Arbeitsagentur verhängte jedoch für alle 4 Arbeitnehmer eine Sperrzeit von 12 Wochen.

    Dagegen wenden sich die Arbeitnehmer. Sie
    halten die Sperrzeitregelung für ungerecht bzw. falsch. Simone Beauvoir wies nach, daß sie von ihrer Chefin Callas vor dem Streit mehrfach tief gedemütigt worden war. Die Callas habe sogar versucht, ihren
    Lebensgefährten Jean Paul Sartre zu verführen.

    Ist die Sperrzeit berechtigt?


Die Lösung


1. Sperrzeitregelung

      In § 144 SGB III hat der Gesetzgeber geregelt, daß der Arbeitslosengeldanspruch bis zur Dauer von 12 Wochen ruht, wenn die arbeitslose Person zum Eintritt der Arbeitslosigkeit oder
      zur Fortdauer der Arbeitslosigkeit durch versicherungswidriges Verhalten in entsprechendem Maße selbst beigetragen hat. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die arbeitslose Person einen wichtigen Grund für
      ihr versicherungswidriges Verhalten nachweisen kann.

      Dieser Ruhenstatbestand führt dazu, daß die arbeitslose Person während der Sperrzeit von der Arbeitsagentur keine Arbeitslosengeldzahlungen erhält. Das
      kann zu erheblichen finanziellen Engpässen bei den Betroffenen führen.

      Der Gesetzgeber hat 7 verschiedene Sperrzeittatbestände in § 144 Abs. 1 Ziff. 1 – 7 SGB III aufgeführt.


2. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe

    Nach Nr. 1 liegt versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst hat, z.B. durch eine Eigenkündigung. Ein weiterer
    Sperrzeittatbestand ist gegeben, wenn der Arbeitslose durch ein vertragswidriges Verhalten Anlaß für die Lösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat, z.B. für eine fristlose Kündigung des Arbeitgebers oder einen
    Auflösungsvertrag. Voraussetzung für die Verhängung der Sperrzeit ist allerdings die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit durch das entsprechende Verhalten des Arbeitnehmers.


3. Sperrzeit bei Arbeitsablehnung

    Versicherungswidriges Verhalten mit der Folge der Sperrzeit liegt auch vor, wenn der Arbeitslose oder ein noch in Arbeit befindlicher, aber arbeitssuchend gemeldeter Arbeitnehmer trotz
    Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit angebotene neue Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt.

    Zur Sperrzeit führt in diesem Zusammenhang auch ein Verhalten des Arbeitslosen,
    der die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert.


4. Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen oder Ablehnung einer Eingliederungsmaßnahme

    Die Sperrzeit kann verhängt werden, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen Eigenbemühungen und Maßnahmen nicht nachweist, die zuvor von der Agentur für Arbeit von ihm
    gefordert wurden.

    Die Sperrzeit kann von der Arbeitsagentur auch dann verhängt werden, wenn der Arbeitslose sich nach Belehrung weigert, an einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung, einer Trainingsmaßnahme,
    einer Maßnahme der Eignungsfeststellung und Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen.

    Zwar empfinden manche Arbeitslose die Aufforderung der Arbeitsagentur Teilnahme an
    einer Fortbildungsmaßnahme als Schikane. Insbesondere schränkt dies erheblich ihren Raum zur Freizeitgestaltung ein. Gleichwohl ist allen Arbeitslosen dringend anzuraten, diesen Aufforderungen der Arbeitsagentur
    ordnungsgemäß nachzukommen.


5. Sperrzeit bei Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme, bei Meldeversäumnis oder verspäteter Arbeitssuchendmeldung

    Mit einer Sperrzeit rechnen muß jeder Arbeitslose, der eine Trainingsmaßnahme, eine Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder beruflichen Weiterbildung oder Teilhabe am Arbeitsleben
    abbricht. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitslose durch maßnahmewidriges Verhalten Anlaß für den Ausschluß aus einer dieser Maßnahmen gegeben hat.

    Wer trotz Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung
    der Arbeitsagentur zur Meldung nicht nachkommt, oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin nicht erscheint, muß ebenso mit einer Sperrzeit rechnen, wie der Arbeitslose, der seine Meldung
    zur Arbeitssuche verspätet vornimmt.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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