Folge 27

Teilzeitanspruch / Gesetzliche Ablehnungsgründe

(Stand 2025)

Der Gesetzgeber hat einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit gesetzlich festgelegt. Der Arbeitgeber muß jedoch nicht jedem Anspruch stattgeben. Er kann bei entgegenstehenden betrieblichen Gründen ablehnen.



Der Fall:

Arbeitgeber Paulus meinte, alles in seinem Betrieb gut organisiert zu haben. Da kommen die Arbeitnehmer Lukas, Moses und Esther und wollen ihre Vollzeitarbeit auf Teilzeitarbeit kürzen.


Die Mitarbeiterin Esther will nach dem Erziehungsurlaub nur noch halbtags vormittags arbeiten, Arbeitnehmer Moses nur noch von Dienstag bis Donnerstag, allerdings mit 30 Stunden, d.h. 10 Stunden pro Arbeitstag.
Arbeitnehmer Lukas will den Freitag streichen und 5 Wochenstunden weniger arbeiten.

Welche betrieblichen Gründe könnten von dem in Unruhe befindlichen Arbeitgeber Paulus dagegengehalten werden?



Die Lösung:


1. Betriebliche Ablehnungsgründe

Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bestimmt, dass der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit und der gewünschten Verteilung der neuen Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer zustimmen muss, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese betrieblichen Gründe können vielfältig sein. In der vorangegangenen Folge habe ich den in der Praxis wohl wichtigsten Grund des Fehlens einer geeigneten Ersatzkraft erörtert.

Der Gesetzgeber hat entgegenstehende betriebliche Gründe in § 8 Abs. 4 TzBfG genannt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern nur um Beispiele. Diese Beispiele zeigen aber, dass der Prüfungsmaßstab für die betrieblichen Gründe nicht zu niedrig angesetzt werden darf.


2. Betriebliche Organisation

Ein der Teilzeit entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn durch die Teilzeitarbeit die betriebliche Organisation wesentlich beeinträchtigt würden.

Die Organisation eines Betriebes betrifft verschiedene übergeordnete Dinge, z.B. die Organisation und Leitung des Betriebes, die Abteilungsorganisation, die Struktur der Arbeitnehmerschaft.

Die Organisation des Betriebes betrifft im wesentlichen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit.

Aus diesem Grunde wird die Ansicht vertreten, dass ein Arbeitgeber frei darüber entscheiden könne, ob er nur Vollzeitarbeitnehmer beschäftige, oder aber auch Teilzeitarbeitnehmer. Dies halte ich für sehr fraglich. 


Der Gesetzgeber hat nämlich in § 6 des Gesetzes ausdrücklich festgehalten, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern
Teilzeitarbeitsplätze zu ermöglichen hat. Insoweit ist die unternehmerische Freiheit eingeschränkt. Die generelle Ablehnung von Teilzeitarbeitsplätzen bedarf deshalb eines weiteren nachvollziehbaren und sachlich-proportionalen Grundes.

Dies gilt auch für die Leitungsfunktionen. Generell muß davon ausgegangen werden, daß die allermeisten Arbeitsplätze teilbar sind, auch bis zu einem gewissen Grad Leitungsfunktionen. So sieht es der Gesetzgeber in § 6 des Gesetzes.

Darüber hinaus wird verlangt, daß die Organisation des Betriebes “wesentlich” beeinträchtigt wird durch die Einführung von Teilzeitarbeit.
Eine solche Begründung durch den Arbeitgeber ist deshalb nicht einfach.


3. Beeinträchtigung der Arbeitsabläufe

Die Teilzeitarbeit kann zurückgewiesen werden, wenn sie die Arbeitsabläufe wesentlich beeinträchtigt. Dies kann bei festen Organisationsstrukturen häufiger der Falls sein.

Im Falle bestimmter Maschinenlaufzeiten oder eines Schichtsystems ist es kaum möglich, dass ein Arbeitnehmer nach der Art von Lukas oder Moses einfach einen oder zwei Arbeitstage streicht. Gerade bei schwierigeren
Maschinen- oder Schichttätigkeiten ist es nicht ohne weiteres möglich, einen Ersatzarbeitnehmer für eine Teilschicht oder einen Teil der Maschinenlaufzeit einzusetzen.

Arbeitsabläufe können auch gestört werden bei häufigen Reisetätigkeiten, z.B. im Bereich der Spedition und Fernfahrer.

Inwieweit Arbeitsabläufe durch Teilzeitarbeit im Bereich des Kundenverkehrs beeinträchtigt werden, muss im Einzelfall
beurteilt werden. Solche Beeinträchtigungen werden z.B. im Bereich des Verkaufes, der Auftragsbearbeitung, des Chefsekretariats etc. behauptet. Dies ist aber nicht generell einleuchtend.

Arbeitsabläufe können dagegen leichter gestört werden, wenn intensive Übergabegespräche und intensive Einweisungen für jede Übergabe erforderlich sein sollten.


4. Unverhältnismäßig hohe Kosten

Der Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers darf nicht unverhältnismäßig sein. Er darf deshalb dem Arbeitgeber keine hohen oder unverhältnismäßigen Kosten aufbürden. Der Arbeitnehmer muss bedenken, dass der Zweck der Betriebstätigkeit insgesamt die Erzielung von Profit und Gewinnen ist.

Das Arbeitsverhältnis ist ein Austauschverhältnis, nämlich Leistung gegen Lohn. Zu hohe Arbeitskosten machen eine Weiterbeschäftigung oder eine Veränderung der Arbeitszeit dem Arbeitgeber unzumutbar.

Eine unverhältnismäßige Kostenbelastung kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Teilzeitarbeit erhebliche Zusatzinvestitionen (z.B. die Einrichtung eines technisch aufwendigen oder teuren Arbeitsplatzes oder zusätzliche Büroräume erfordert. Dies gilt auch für eine sehr lange Einarbeitungszeit.

Allerdings kann der Arbeitgeber in der Regel nicht anführen, dass ein erhöhter Verwaltungskostenaufwand durch die Teilzeitarbeit erforderlich sei. Dies ist mittlerweile widerlegt. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand würde im übrigen durch andere Vorteile der Teilzeitarbeit kompensiert.


5. Sicherheitsfragen

Die Sicherheit im Betrieb darf nicht wesentlich durch Teilzeitarbeitnehmer beeinträchtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Vermehrung von Geheimnisträgern.


6. Überschreitung von Schwellenwerten

Die Vermehrung der Mitarbeiter durch Teilzeitkräfte kann im Einzelfall zur Erhöhung von gesetzlichen Arbeitnehmerwerten führen:

– Das Kündigungsschutzgesetz gilt bei mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmern. Teilzeitarbeitnehmer bis 20 Std. werden mit 0,5 und bis 30 Std. mit 0,75 berücksichtigt.

– Ab 200 Arbeitnehmern ist mindestens ein Betriebsratsmitglied unter Vergütungsfortzahlung freizustellen.

– Ab 20 Arbeitnehmern erhöht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG.

– Ab 20 Arbeitnehmern entsteht bei Betriebsveränderungen die Pflicht zum
Interessenausgleich und Sozialplan.

Die Überschreitung dieser gesetzlichen Schwellenwerte ist nur eine Folge der Wahrnehmung von Rechten der Arbeitnehmer. Nach § 5 des Gesetzes darf der Arbeitgeber Arbeitnehmer nicht wegen der Inanspruchnahme ihrer Rechte nach diesem Gesetz benachteiligen.

Deshalb führt m.E. die Ausweitung der Mitarbeiterzahl die dadurch entstehende zusätzliche Belastung des Arbeitgebers nicht zu einem betrieblichen Ablehnungsgrund. Der Arbeitgeber hat keinen originären Rechtsanspruch darauf, die Betriebsgröße unter einem bestimmten Schwellenwert zu halten. Der Eingriff in die unternehmerische Freiheit ist nicht unverhältnismäßig.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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