Der Fall
Der Schokoladenmischmaschinenarbeiter Wenzeslaus von Knobelsdorff kann seit Jahren wegen seiner schweren Bandscheibenerkrankung keine Kakaobohnensäcke mehr schleppen. Nach dem Tod seines
Vaters will er aber dessen Nebenerwerbslandwirtschaft weiter betreiben. Arbeitgeber Corelli verbietet dies strikt und droht die Kündigung an. Sänger Antonius Salieri hat sich wegen Stimmbandflattern und einem
steifen Hals bei den städtischen Bühnen krank gemeldet. Intendant Eckewitz trifft Salieri beim Schlendern durch die Stadt als Eisverkäufer an. Er wittert unerlaubte Nebentätigkeit und Schwarzarbeit.
Die Lösung
1. Arbeitsunfähigkeit
Ist ein Arbeitnehmer wegen einer Krankheit arbeitsunfähig, so muß er alles tun, um möglichst bald zu genesen. Er hat alles zu unterlassen, was genesungsschädlich wäre. Auch wenn eine
Krankheit, wie Bandscheibenschäden, nicht zur ständigen Arbeitsunfähigkeit führt, ist der Arbeitnehmer gleichwohl verpflichtet, alles Zumutbare zu tun, um seine Arbeitsfähigkeit zu behalten oder
herbeizuführen.
Dies bedeutet nicht, daß während einer Erkrankung jede Nebentätigkeit oder sonstige Betätigung untersagt wäre. Zunächst ist immer auf die konkrete Erkrankung abzustellen und die Frage, was
in Bezug auf diese Krankheit genesungsschädlich wäre.
Die Tätigkeit in der Nebenerwerbslandwirtschaft wäre für den bandscheibengeschädigten Wenzelslaus von Knobelsdorff in jedem Falle
gesundheitsschädlich. Seine Ausfälle durch Arbeitsunfähigkeit würden dadurch nicht gestoppt, sondern gefördert. Alleine das nicht zu vermeidende schwere Heben ist gesundheitsschädlich. Das gleiche gilt für
das besonders rückenschädliche Trecker-Fahren auf dem Acker. Arbeitgeber Corelli hat deshalb gute Gründe, Herrn von Knobelsdorff die Nebentätigkeit nicht zu gestatten.
Sänger Antonio Salieri muß beim
Eisverkaufen während seiner Arbeitsunfähigkeit in der Marburger Oberstadt nicht notwendigerweise singen. Intendant
Eckewitz hätte insoweit eventuell keine Beanstandung. Allerdings deutet der steife Hals
von Salieri auf eine Erkältungskrankheit hin. Eisverkaufen ist jedenfalls bei Erkältungskrankheiten nicht genesungsförderlich. Das viele Reden als Eisverkäufer strapaziert außerdem zusätzlich die
Stimmbänder. Salieri verstößt deshalb gegen seinen Arbeitsvertrag, wenn er während der Erkrankung Eis verkauft. Intendant Eckewitz kann dies untersagen bzw. ihn abmahnen.
Insgesamt ist es stets
problematisch, wenn ein Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit eine andere Erwerbstätigkeit durchführt. Diese Tätigkeit muß zwar nicht stets genesungsfeindlich sein. Im Einzelfall kann sie sogar
genesungsförderlich sein. Es kann aber in jedem Falle das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber erheblich belastet werden. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich dringend, eine solche
Nebentätigkeit vorher anzuzeigen und ggf. die Genehmigung des Arbeitgebers einzuholen.
2. Schwarzarbeit
Schwarzarbeit ist nach dem „Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit“ verboten. Dies gilt auch für Nebentätigkeiten. Der Vertrag zwischen dem Nebenarbeitgeber und dem Schwarzarbeiter ist
deshalb wegen Verstoßes ein zwingendes Gesetz gem. § 134 BGB nichtig.
Dies bedeutet nicht, daß der Arbeitgeber dadurch von der Lohnzahlungspflicht befreit wird. Der Schwarzarbeiter kann Wertersatz bzw. den
Lohn gleichwohl verlangen. Schwarzarbeit führt auch nicht dazu, daß der Haupt-Arbeitgeber automatisch abmahnen oder kündigen könnte. Es kommt darauf an, ob die Schwarzarbeit das Hauptarbeitsverhältnis
beeinträchtigt.
Im Falle des Eisverkäufers Salieri ist davon auszugehen, da der Eisverkäufer mit seiner Tätigkeit seine Gesundheit weiter schädigt, indem er Stimmbänder belastet und den steifen Hals nicht
auskuriert.
Arbeitgeber Eckewitz kann Salieri deshalb nicht nur wegen Verletzung seiner Genesungspflichten, sondern auch wegen vertragswidriger Schwarzarbeit abmahnen.
3. Nebentätigkeit im Urlaub
Nach § 8 Bundesurlaubsgesetz darf der Arbeitnehmer während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Eine urlaubswidrige Tätigkeit liegt dann vor, wenn
eine anderweitige Arbeitstätigkeit / Nebentätigkeit ein solches Ausmaß besitzt, daß die durch den Urlaub bezweckte Erholung nicht stattfinden kann. Dies ist im Einzelfall zu prüfen, da unter Umständen
Nebentätigkeiten trotz großer Anstrengung erholungsförderlich sein können (z.B. Trecking in Nepal, Segeln um den Admirals-Cup).
Bei Verstößen gegen den Erholungszweck des Bundesurlaubsgesetzes können die
Urlaubsvergütungsansprüche, d.h. der Anspruch auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld entfallen. Hat jedoch der Arbeitgeber die Nebentätigkeit zuvor generell genehmigt, so darf der Arbeitnehmer diese Nebentätigkeit
auch während des Urlaubs ausüben, ohne daß die Urlaubsvergütungsansprüche entfallen.