Der Fall
 
  Der klamme Archivar Bickell will immer noch neben dem Staatsarchiv als Würstchenverkäufer arbeiten. General Gordon besteht auf einer Nebentätigkeit als Brauereibetreiber. Personalchef
                                    Hugo von Hofmannsthal will zur Aufbesserung der Finanzen als Rausschmeißer im Nachtclub „Moulin Rouge“ fungieren. Krankenpfleger Heinrich Heine möchte gerne nebenberuflich als Leichenbestatter tätig sein.
  
  Der
                                    Arbeitgeber verweigert jeweils die Nebentätigkeitsgenehmigung mit der Begründung, daß Würde und Ansehen der Position des Arbeitgebers darunter litten.
  
  Figaro Viktor von Scheffel ist nicht ausgelastet. Er
                                    beantragt die Genehmigung zur Durchführung von Hausbesuchen mit Frisurgestaltung in seinem Freundes- und Bekanntenkreis. Arbeitgeber Johann Friedrich Cotta lehnt dies mit dem Hinweis auf Wettbewerb ab. Viktor
                                    findet das lächerlich, da seine Freunde ohnehin keine Cotta-Kunden sind.
  
  Die im Schichtdienst arbeitende Maschinenbedienerin Bertha von Suttner betreibt abends noch eine Dorfkneipe. Da sie die Brenner
                                    regelmäßig erst nach Mitternacht hinauswirft, kommt sie zur Frühschicht immer wieder zu spät. Als Arbeitgeber Blücher von der Kneipentätigkeit erfährt, verweigert er die Nebentätigkeit und mahnt Bertha unter
                                    Kündigungsandrohung ab.
 
 
  Die Lösung
 
 
  1. Rufschädigung
 
  Die Anzeige- und Genehmigungspflicht zu Nebentätigkeiten dient vor allem dazu, dem Arbeitgeber die Möglichkeit der Überprüfung zu geben und ihm die Wahrung seiner berechtigten Interessen
                                    zu ermöglichen. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Verpflichtung, so ist eine Abmahnung und im Extremfall auch eine Kündigung gerechtfertigt. Nebentätigkeiten können den Arbeitgeber bzw. das Arbeitsverhältnis
                                    vielfach beeinträchtigen und stören. Dies will die Rechtsprechung vermeiden.
  
  Die Störung berechtigter Interessen kann insbesondere auch darin bestehen, daß der Ruf eines Arbeitgebers oder das Ansehen und der
                                    Respekt eines Arbeitnehmers in einer führenden Position durch Nebentätigkeiten massiv leiden kann. Hier muß der Arbeitgeber darauf achten, daß die Nebentätigkeiten sowohl mit Position, wie auch mit dem Ruf des
                                    einzelnen und der Betriebsgemeinschaft im Einklang stehen.
  
  Es ist kaum vorstellbar, daß ein Personalchef des nachts als Türsteher oder Rausschmeißer in einem Nachtlokal fungiert. Auch General Gordon kann von
                                    Seiten des Dienstherrn verweigert werden, neben seinem Offiziers-Beruf als Bierbrauer und Bierverkäufer tätig zu werden. Das Ansehen und das Vertrauen in die Integrität der Armee könnte dadurch massiv geschädigt
                                    werden.
  
  Das Bundesarbeitsgericht hat es ebenfalls als nicht zumutbar angesehen, einem Krankenpfleger die Nebentätigkeit als Leichenbestatter zu erteilen. Wird dies in der Klinik ruchbar, könnte das
                                    Vertrauensverhältnis zu den Patienten gestört werden.
  
  Ob es zulässig ist, dem Archivar Bickell die Würstchenverkäufertätigkeit zu untersagen, ist fraglich. Da der klamme Bickell als Archivmaus kaum
                                    Außenwirkung erzielt, dürfte es für das Ansehen des Arbeitgebers nicht schädlich sein, wenn Bickell Würstchen verkauft.
 
 
  2. Wettbewerb
 
  Im Arbeitsverhältnis ist generell jede Wettbewerbs- und Konkurrenztätigkeit untersagt. Für den Handlungsgehilfen ist in § 60 Handelsgesetzbuch ausdrücklich geregelt, daß er zu einer
                                    selbständigen oder unselbständigen Konkurrenztätigkeit der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Dieser Grundsatz gilt für alle anderen Arbeitnehmer ebenso. Ein solcher Wettbewerb führt immer zu einem
                                    Vertrauensbruch. Außerdem könnte eine vertragswidrige Schädigung des Arbeitgebers damit verbunden sein oder gar unlauterer Wettbewerb im Sinne von §§ 1, 17 UWG.
  
  Arbeitgeber Johann Friedrich Cotta lehnt
                                    deshalb das Geschäft mit den Hausfrisuren zu Recht ab. Entgegen der Ansicht Viktors kommt es nicht darauf an, ob seine Freunde schon Kunden im Salon waren. Er hat generell jede Wettbewerbstätigkeit zu seinem
                                    Arbeitgeber zu unterlassen.
 
 
  3. Beeinträchtigung der Arbeitsleistung
 
  Als vertragliche Nebenpflicht ergibt sich aus jedem Arbeitsvertrag das Verbot, Nebenbeschäftigungen aufzunehmen, die die Arbeitsleistung im Arbeitsverhältnis spürbar beeinträchtigen.
                                    Deshalb ist eine jede Nebentätigkeit untersagt, die den Arbeitnehmer hindert, seinen Arbeitspflichten aus dem Arbeitsverhältnis vertragsgerecht nachzukommen.
  
  Der Arbeitgeber kann Bertha von Suttner es
                                    untersagen, am Abend eine Kneipe persönlich zu betreiben, da zumindest ihre Arbeitsleistung in der Frühschicht dadurch massiv beeinträchtigt werden kann. Dies zeigt sich schon darin, daß Bertha immer wieder zu
                                    spät kam. Außerdem führt diese Mehrfachbelastung zu Ermüdungs- und Ausfallerscheinungen.
  
  Da die Arbeitsleistung nicht vertragsgemäß erbracht wird, kann der Arbeitgeber Blücher dem Lohnanspruch von Bertha die
                                    Einrede des nichterfüllten Vertrages entgegensetzen. Unterläßt Bertha ihre allabendlichen Kneipiers-Tätigkeiten nicht, so kann der Arbeitgeber Bertha abmahnen und ggf. auch das Arbeitsverhältnis kündigen.
  
  Achtung: Wann ist der Umfang der Nebentätigkeit übermäßig? Dies hängt vom Einzelfall und der Tätigkeit ab und ist allgemein schwer zu beantworten. Allerdings wird z.T. von einer übermäßigen Beanspruchung
                                    ausgegangen, wenn die Nebentätigkeiten mehr als 20 % der regelmäßigen Vollzeit-Wochenarbeitszeit überschreiten.