Folge 263

Surfen im Internet – Kündigung III


Der Fall

    Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten
    Arbeitszeit im Internet beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis
    angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, daß jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und
    gespeichert wird und daß Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.

    Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur
    privaten Internetnutzung hingewiesen.

    Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, daß der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3
    Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-bay, aber auch verschiedene Chat-Foren. Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von
    Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien.

    Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, daß dieser stundenlang mit diversen
    Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er zu Hunderten pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per e-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.

    Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten. Sie behaupten, von dem Verbot der
    privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.


Die Lösung


5. Datenschutz und Persönlichkeitsrecht

    Immer dann, wenn der Arbeitgeber über Server oder Rechner das Handeln seiner Arbeitnehmer kontrolliert, stellt sich die Frage nach dem Persönlichkeitsrecht und dem Datenschutz. Das gilt
    auch für die Überprüfung von Jerome Lustigk und dem Alten Fritz durch Maria Theresia.

    Jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf Achtung seiner Person und der ihr unmittelbar zugehörigen Daten. Verletzt der
    Arbeitgeber das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, z.B. im Datenbereich, so erwachsen dem Arbeitnehmer Unterlassungsansprüche gegen zukünftige Verletzungen sowie Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche
    wegen Verletzungen und unerlaubten Handlungen.

    Das Bundesdatenschutzgesetz und die Datenschutzgesetze der Länder verfolgen u.a. das Ziel, diese persönlichen Daten und damit auch das Persönlichkeitsrecht des
    Einzelnen zu schützen.

    Entgegen einer verbreiteten Ansicht in Arbeitnehmerkreisen enthält das Bundesdatenschutzgesetz kein Verbot für eine generelle Datenerhebung. § 28 BDSG erlaubt eine Datenverarbeitung im
    Rahmen der Zweckbestimmung eines Arbeitsverhältnisses oder eines vertragsähnlichen Verhältnisses sowie eine Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen der speichernden Stelle, soweit schutzwürdige
    Belange des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden.

    Dies bedeutet im Ergebnis, daß der Arbeitgeber berechtigt ist, alle Daten, die im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung und der Ausfüllung
    des Arbeitsverhältnisses anfallen, zu speichern und auszuwerten. In diesem dienstlichen Bereich gibt es kein schützenswertes Interesse des Arbeitnehmers gegen die Datenerfassung und Auswertung. Es ist
    insbesondere das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht betroffen, da es sich insoweit um dienstliche, arbeitsplatzbezogene bzw. betriebsbezogene Daten handelt.

    Datenschutzrechtlich unbedenklich ist
    deshalb die Datenüberprüfung, wenn die Arbeitgeberin Maria Theresia ein generelles Verbot für private Internetnutzung ausgesprochen hat. Dann sind alle auf den Rechnern angefallenen und gespeicherten Daten
    dienstlicher Natur und stehen der Arbeitgeberin zur Nutzung und zur Kontrolle frei zur Verfügung. Arbeitgeberin Maria Theresia hat das Recht, etwaige vom Arbeitgeber erlaubniswidrig produzierte oder aufgespielte
    private Daten zu überprüfen und zu verwerten.

    Schwieriger wird die Lage, wenn die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern die private Internetnutzung ganz oder teilweise erlaubt hat. Hier empfiehlt es sich, zur
    Durchführung der Kontrolle einen Weg anzuordnen, auf dem zunächst die dienstliche und die private Internetnutzung zu trennen ist. Allerdings darf die Arbeitgeberin dann auch bei der Privatnutzung zumindest
    Datum, Uhrzeit und Dauer sowie Kosten der Privatnutzung kontrollieren und verarbeiten. Insoweit handelt die Arbeitgeberin zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen.

    Achtung: Bei erlaubter privater
    Internetnutzung ist eine Inhaltskontrolle durch die Arbeitgeberin höchst problematisch bzw. untersagt. Wenn z.B. e-mails im privat gekennzeichneten Sektor vom Arbeitnehmer verschickt werden, so ist es der
    Arbeitgeberin untersagt, deren Inhalt zu kontrollieren oder gegen den Arbeitnehmer zu verwenden.

    Empfehlung: Sofern kein Betriebsrat existiert, ist bei der Gestattung der privaten Internetnutzung dringend zu
    empfehlen, eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer wegen der Frage der Überprüfung seiner privaten Internetnutzung zu treffen!


6. Mitbestimmung

    Die Datenerfassung und Datenverarbeitung, insbesondere die Datenerfassung im Bereich des Internet oder eine Telefondatenerfassung unterliegt als Kontrolleinrichtung den Mitwirkungs- und
    Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats. Sofern ein Betriebsrat besteht, ist er darüber zu unterrichten, wo überall Personaldaten verarbeitet werden.

    Bei der Einführung von Personalinformationssystemen muß der
    Arbeitgeber mit dem Betriebsrat beraten, da es sich um eine technische Anlage nach § 90 BetrVG handelt.

    Der Betriebsrat hat ein echtes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der
    Datenverarbeitung, die generell als technische Kontrolleinrichtung zur Überwachung von Arbeitnehmern geeignet ist.

    Wenn der Arbeitgeber die private Nutzung von Internet durch Arbeitnehmer zu gestatten
    beabsichtigt, so empfiehlt es sich dringend, zuvor mit einem vorhandenen Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen über die Frage, in welchem Umfange die Gestattung erfolgt und wie die Speicherung,
    Verarbeitung und Kontrolle der Daten zu erfolgen hat. Eine solche Betriebsvereinbarung gilt nach § 77 Abs. 4 BetrVG zwischen dem Arbeitgeber und allen Arbeitnehmern als Norm unmittelbar und zwingend. In diesem
    Falle braucht der Arbeitgeber nicht die jeweilige Zustimmung der Arbeitnehmer einzuholen bzw. keine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern über die Kontrolle seiner Privatdaten zu treffen.

    Allerdings muß auch eine solche Betriebsvereinbarung das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und den Schutz seiner Privatdaten in ausreichendem Maße gewährleisten. Aus diesem Grunde werden in der Regel
    Kontrollgremien eingerichtet, die vom Arbeitgeber unabhängig arbeiten.


7. Verbot der Privatnutzung

    Die Arbeitgeberin Maria Theresia hat das Recht, die Privatnutzung des Internet während der Arbeitszeit auf ihre Kosten generell zu verbieten. Jeder Arbeitnehmer verpflichtet sich im
    Arbeitsvertrag, während der gesamten Arbeitszeit seine Dienste in vollem Umfange der Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen. Es bleibt deshalb nach dem Arbeitsvertrag keine Zeit, um private Internetnutzung zu
    betreiben.

    Soweit eine private Internetnutzung durch die Arbeitgeberin generell untersagt ist, braucht sie auch nicht den Betriebsrat zu konsultieren. Allerdings besteht ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des
    Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG bei der Frage der Datenverarbeitung. Die Einführung von PCs mit entsprechender Software ist generell mitbestimmungspflichtig, soweit sie als technische Einrichtung
    geeignet ist, Arbeitnehmer und ihre Arbeitsleistung bzw. ihr generelles Handeln zu überwachen. Hier muß zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber im Wege der Betriebsvereinbarung eine Regelung getroffen werden. Diese
    hat den Vorteil, daß die Kontrollregelung auch dann in allen Arbeitsverhältnissen normativ, d.h. unmittelbar zwingend gilt.

    Soweit eine Internetnutzung ganz oder teilweise vom Arbeitgeber nicht gestattet
    wird, muß dieser gegenüber den Arbeitnehmern ein klares Verbot aussprechen, d.h. klare Verhältnisse schaffen. Andernfalls läuft er immer wieder Gefahr, daß einzelne Arbeitnehmer angeblich oder tatsächlich von
    dem Privatnutzungsverbot nichts wissen.

    Empfehlung: Am einfachsten ist es, wenn die Arbeitgeberseite jeden Arbeitnehmer bei der Einstellung oder bei der Einführung des Privatnutzungsverbotes auch eine
    Empfangsbestätigung unterzeichnen läßt, daß er von dem Verbot Kenntnis erlangt hat bzw. ihm entsprechende Unterlagen ausgehändigt wurden.

    Ein entsprechender, gut platzierter Hinweis auf der Eingangsseite des
    Arbeitgebers im PC neben einer Mitteilung auf Betriebsversammlung oder in einem Rundschreiben reicht zwar im Prinzip auch aus. Es wird aber immer wieder einzelne Arbeitnehmer geben, die dann entweder über einen
    anderen PC-Zugang oder durch Fehlen bei der Betriebsversammlung etc. keine Kenntnis vom Internetverbot erlangt haben.

    Besteht ein solch generelles Verbot der privaten Internetnutzung, so verletzt der
    Arbeitnehmer bei einem Verstoß grundsätzlich seine Hauptleistungspflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung. Im Regelfall darf die private Nutzung des Internet auch bei einer teilweisen Erlaubnis die Erbringung
    der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht bzw. nicht erheblich beeinträchtigen. Diese Pflichtverletzung des Arbeitnehmers wiegt umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des
    Internet seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt hat.

    Hatten die Arbeitnehmer Jerome und Fritz vom Internetverbot der Maria Theresia nachweislich Kenntnis, so würde ihre
    umfangreiche private Internettätigkeit einen schwerwiegenden Verstoß gegen ihre Arbeitspflichten darstellen. In diesem Falle wäre nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zweifel eine
    außerordentliche Kündigung zulässig, woeit eine erhebliche Internetnutzung vorliegt, wie bei Fritz.

    Entscheidend ist dabei nicht nur der Verstoß gegen das Privatnutzungsverbot. Vielmehr haben die Arbeitnehmer
    Jerome und Fritz darüber hinaus Kosten für die Arbeitgeberin Maria Theresia durch die Internetnutzung verursacht und ihre arbeitsvertraglichen Pflichten stundenlang erheblich vernachlässigt, sowie für diese Zeit
    der privaten Tätigkeit dann auch noch Vergütung kassiert. Dies wäre strafrechtlich als Betrug zu werten.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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