Der Fall
Arbeitgeber Sergej Eisenstein residiert mit seinem Filmimperium im gläsernen Potempkin-Tower. Die Arbeitnehmer stöhnen im Sommer über die massive Sonneneinstrahlung. Betriebsrätin
Florence Nightingale möchte helfen. Sie fordert deshalb von Eisenstein für den Sommer zusätzlich bezahlte Pausen, den Einbau einer umfassenden Klimaanlage und als Sofortmaßnahme kostenlose Getränke für alle
Arbeitnehmer.
Arbeitgeber Eisenstein schlägt dagegen eine Reduzierung der täglichen Arbeitszeit auf die Vormittagsstunden vor und die Verrechnung des Nachmittags mit dem Urlaubsanspruch, evtl. noch eine Woche
Betriebsferien. Arbeitnehmerin Katharina erhebt Einspruch, weil sie keinen Urlaubsanspruch mehr besitzt.
Arbeitnehmer Ivan der Schreckliche wäre schon froh, wenn er nicht jeden Tag am Arbeitsplatz frisch
rasiert, mit geschlossenem weißen Hemd, Jacket und Schlips antreten müßte.
Die Lösung:
1. Arbeitszeitverkürzung
Eine vorübergehende Arbeitszeitverkürzung auf die kühleren Vormittage während der Hitzewochen ohne Lohnausgleich ist problematisch. Sofern kein Betriebsrat besteht, wäre eine
Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich per Direktionsrecht generell nicht möglich. Entsprechende Eingriffsmöglichkeiten des Arbeitgebers sind in Arbeitsverträgen normalerweise nicht geregelt. Selbst dann wäre
eine einseitige Reduzierung der Arbeitszeit gegen den Willen des Arbeitnehmers wegen Verstoßes gegen die Billigkeitsgrundsätze des § 315 BGB problematisch.
Arbeitgeber Eisenstein könnte mit der Betriebsrätin
Nightingale per Betriebsvereinbarung Kurzarbeit als vorübergehende Arbeitszeitverkürzung gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 3 Betriebsverfassungsgesetz regeln. In diesem Falle würde eine entsprechende Vergütungsminderung
für den Mitarbeiter eintreten. Es ist aber nicht davon auszugehen, daß die Betriebsrätin eine solche Betriebsvereinbarung ohne Not unterschreibt. Wenn nicht massive Gründe vorliegen, könnte dies sogar eine
Amtspflichtverletzung darstellen.
Anders würde es sich verhalten, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat per Betriebsvereinbarung wegen der Hitze die Durchführung von Betriebsferien vereinbaren. Da hier eine
Anrechnung auf den Urlaubsanspruch erfolgt, entfällt der Lohnanspruch nicht. Die Durchführung von Betriebsferien bedarf jedoch der Zustimmung der Betriebsrätin Nightingale nach § 87 Abs. 1 Nr. 5
Betriebsverfassungsgesetz. Dringende betriebliche Belange im Sinne des § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz lägen vor.
Sollte kein Betriebsrat existieren, ist die Einführung von Betriebsferien zwar generell
möglich, aber schwieriger. Nach § 7 Bundesurlaubsgesetz müssen die dringenden betrieblichen Belange gegenüber den persönlichen Interessen der Mitarbeiter überwiegen. Dies muß jedoch genau geprüft werden.
Wird
Betriebsurlaub kurzfristig eingeführt, so muß der Arbeitgeber auch den Mitarbeitern Urlaub gewähren, die ihren Urlaubsanspruch bereits aufgezehrt haben. Er bleibt diesen Mitarbeitern gegenüber zahlungspflichtig
aus den Grundsätzen des Annahmeverzugs nach § 615 BGB. Arbeitnehmerin Katharina braucht keine Bedenken zu haben.
Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber den restlichen Urlaub des Arbeitnehmers in Übereinstimmung
mit diesem bereits genehmigt und festgelegt hat. Auch dann wäre er bei der Einführung des kurzfristigen Betriebsurlaubs verpflichtet, diesem Mitarbeiter den Urlaub zusätzlich zu gewähren und zu bezahlen.
Achtung: Es ist nicht möglich, die tägliche Arbeitszeitverkürzung auf den Vormittag mit dem Urlaubsanspruch zu verrechnen. Halbe Tage (Nachmittag) können nicht als Urlaub gewährt werden. Der Urlaub muß
mindestens tageweise genommen werden. Der entsprechende Vorschlag von Eisenstein ist rechtlich nicht durchführbar.
2. Pausen
Arbeitgeber und Betriebsrat können per Betriebsvereinbarung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz die Einführung von zusätzlichen Pausen vereinbaren. Betriebsrätin Florence
Nightingale kann dies auch durch ihr Initiativrecht wegen der Hitze beantragen.
Allerdings sind solche Pausen generell nicht vergütungspflichtig. Die Betriebsrätin kann durch Initiativrecht
vergütungspflichtige Pausen nicht durchsetzen. Dies könnte Arbeitgeber Eisenstein nur freiwillig den Mitarbeitern anbieten.
Andererseits kann Arbeitgeber Eisenstein einseitig durch das Direktionsrecht nicht
zusätzlich unbezahlte Pausen den Arbeitnehmern aufzwingen. Insoweit ist, wenn ein Betriebsrat nicht existiert, nur eine einvernehmliche Regelung mit Zustimmung der Arbeitnehmer möglich.
3. Kostenlose Erfrischungen
Arbeitnehmer haben aus dem Arbeitsvertrag gegen den Arbeitgeber in der Regel weder einen Anspruch auf kostenlose Erfrischungen, Speisen, Gelatti oder Getränke. Auch in der sommerlichen
Hitze entsteht ein solcher arbeitsvertraglicher Anspruch nicht kraft „höherer Gewalt“.
Aus diesem Grunde kann Betriebsrätin Nightingale zwar dem Arbeitgeber einen solchen Vorschlag gem. § 80 Abs. 1 Ziff. 2
Betriebsverfassungsgesetz machen. Sie kann diesen Vorschlag jedoch nicht gegen den Willen des Arbeitgebers durchsetzen.
4. Sonnenschutz
Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 1 Arbeitsstättenverordnung und nach den §§ 3, 4 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, eine Gefährdung der Gesundheit der Mitarbeiter mit allen zumutbaren
Mitteln zu vermeiden. Dies gilt insbesondere für die Abwehr schädigender oder belastender unmittelbarer Sonneneinstrahlung. Aus diesem Grunde ist Arbeitgeber Eisenstein verpflichtet, in seinem Kristall-Tower die
Fenster mit einer entsprechenden Schutztönung zu versehen oder Sonnenrollos, Gardinen, Sonnensegel etc. anzubringen.
Der Betriebsrat hat hier ein Mitbestimmungsrecht sowohl nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG wie
auch nach § 90 Abs. 1 BetrVG.
5. Klimaanlage etc.
Zur Minderung der Hitzebelastung kann der Einbau verschiedener mechanischer Vorrichtungen beitragen, wie z.B. der Einbau von Ventilatoren, eines Gebläses oder einer Klimaanlage.
Es
ist im Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit der Einbau solcher Anlagen für die Verminderung der gesundheitlichen Belastung oder zur Verhinderung der Gesundheitsgefährdung erforderlich und geeignet ist. Dies
muß stets im Einzelfall geprüft werden, da sowohl Ventilatoren, wie auch Gebläse und Klimaanlagen wiederum negative gesundheitliche Auswirkungen haben können. Teilweise sind die gesundheitlichen Schäden durch
solche Anlagen größer, als die Belastungen durch die Hitze.
Aus diesen Gründen kann Betriebsrätin Nightingale den Einbau einer Klimaanlage oder sonstigen Lüftungsgeräte durch den Arbeitgeber Eisenstein nicht
erzwingen.
Sollte allerdings eine solche Anlage eingebaut werden, besteht nach § 90 und nach § 87 Abs. 1 Ziff. 7 Betriebsverfassungsgesetz ein Mitbestimmungsrecht, da der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter in
jedem Falle durch den Einbau der Anlagen berührt ist.
6. Bekleidung
Strenge Bekleidungsvorschriften sind im Laufe der letzten 10 Jahre in den meisten Unternehmen deutlich gelockert worden.
Die Frage, ob die strengen Bekleidungsvorschriften im
Firmenimperium geändert werden, ist zunächst eine Entscheidung des Arbeitgebers Eisenstein. Gerade bei entsprechender Hitzebelastung und dem Fehlen von Publikumsverkehr erscheint eine entsprechende Suspendierung
sachlich gerechtfertigt und angebracht. Allerdings kann Arbeitnehmer Ivan die Änderung der Kleidervorschriften nicht einseitig erzwingen.
Achtung: Bekleidungsvorschriften betreffen in der Regel nicht die
Erbringung der Arbeitsleistung, sondern das Ordnungsverhalten des Arbeitnehmers im Betrieb. Aus diesem Grunde sind Bekleidungsvorschriften generell mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 1
Betriebsverfassungsgesetz. Besteht ein Betriebsrat und will der Arbeitgeber Bekleidungsvorschriften, z.B. Krawattenzwang einführen, so benötigt er die Zustimmung des Betriebsrats. Dasselbe gilt für die Änderung
oder die Abschaffung der Kleiderordnung. Auch hier muß Betriebsrätin Nightingale zustimmen. Verweigert sie dies, muß Igor weiter mit weißen Hemd, Schlips und Jacket am Arbeitsplatz dienen.
Beachte: Etwas
anderes gilt für Sicherheitskleidung. Soweit durch berufsgenossenschaftliche Vorschriften Sicherheitsbekleidung vorgeschrieben ist, darf der Arbeitgeber diese Vorschriften nicht suspendieren. Insoweit besteht
auch kein Mitbestimmungsrecht, da der Arbeitgeber durch zwingende Vorschriften keine Entscheidungs- und Ermessensfreiheit besitzt.