Der Fall:
Arbeitgeber Pietro Metastasico will Ethik-Regeln per Rundschreiben im Betrieb einführen. Die Regel Nr. 1 lautet:
„Die Firma Metastasico setzt sich für eine drogen- und alkoholfreie
Arbeitsumgebung ein. Sie kämpft mit strengen Richtlinien gegen Alkohol- und Drogenmißbrauch. Deshalb verlangt Metastasico von allen Bewerbern für einen Arbeitsplatz als Teil des Einstellungsprozesses einen
Leber- und Drogentest. Ein Bewerber, der positiv auf Drogen getestet wird, wird nicht eingestellt.
Bei Beförderung wird ebenfalls jeder Bewerber auf Drogenkonsum und Alkoholabhängigkeit getestet. Ein solcher
Test findet außerdem statt im Falle von Arbeitsunfällen und jederzeit bei einem begründeten Verdacht“.
Der Betriebsratsvorsitzende Rinaldo Kuttelwascher ist empört. Er ist nicht generell gegen Alkohol- und
Drogentests. Er reklamiert jedoch für sich ein Mitbestimmungsrecht und will dem Arbeitgeber untersagen, ohne Zustimmung des Betriebsrats ein Alkohol- und Drogenscreening durchzuführen.
Der Bewerber Johnny
Schneeweiß und die Mitarbeiterin Emmy Asbach fragen sich, ob sie verpflichtet sind, solche Tests durchzuführen, was passiert bei einer Weigerung?
Pietro Metastasico verweist darauf, daß die „sauberen
Arbeitnehmer“ nichts zu befürchten haben. Deshalb seien die Tests unbedenklich. Wer sich weigert, wird nicht eingestellt bzw. abgemahnt und gekündigt.
Die Lösung:
1. Allgemeines
Ganz unmerklich steigt die Zahl der Unternehmen, die bei der Einstellung Alkohol- und Drogentests verlangen. Drogentests werden insbesondere bei der Einstellung jüngerer Arbeitnehmer
immer häufiger gefordert.
Solche Tests greifen tief in das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein. Mit dem Ergebnis der Tests kann insbesondere auch ein Rückschluß auf das
Privatleben gezogen werden. Bei Leber-, Blut- und Haartests kann auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit betroffen sein.
Die Problematik gliedert sich in zwei rechtlich und tatsächlich
unterschiedliche Bereiche, nämlich in Tests bei der Einstellung einerseits und Tests während des laufenden Arbeitsverhältnisses andererseits.
2. Tests bei Einstellung
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Arbeitgeber generell berechtigt, vor der Einstellung eines Mitarbeiters eine ärztliche Gesundheitsuntersuchung zu verlangen. Der untersuchende Arzt
des medizinischen Dienstes prüft die Tauglichkeit des Bewerbers für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im allgemeinen und im speziellen auf den Arbeitsplatz bezogen. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes
Interesse daran, zu erfahren, ob der Arbeitnehmer gesundheitlich überhaupt in der Lage ist, die von ihm geforderte Arbeitsleistung vertragsgemäß zu erbringen.
Der untersuchende Arzt darf dem Arbeitgeber aber
nur das generelle Ergebnis der Untersuchung mitteilen, also „geeignet“ oder „nicht geeignet“. Will er mehr wissen, muß der Arbeitnehmer den Arzt von der Schweigepflicht entbinden.
3. Zulässigkeit eines Alkohol- und Drogentests
Bei der Einstellung von Mitarbeitern darf Arbeitgeber Metastasico nicht generell von jedem Bewerber einen vorsorglich Leber-, Blut- oder Drogentest verlangen. Eine entsprechende
Untersuchung ist nur dann zulässig, wenn die Eignung des Bewerbers bei Alkohol- oder Drogenmißbrauch generell entfällt.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Suff oder im Drogenrausch noch in
der Lage ist, vernünftige Arbeitsergebnisse zu erzielen. Käme es darauf an, müßte quasi jeder Arbeitnehmer entsprechend untersucht werden.
Vielmehr verlangt die Rechtsprechung auf den konkreten Arbeitsplatz
bezogen eine besondere Risikolage bei Alkohol- und Drogenkonsum, die über das allgemeine Risiko einer Schlechtleistung des Arbeitnehmers im Rauschfalle hinausgeht.
4. Beispiele
Die besonders hohe Risikolage bezogen auf den konkreten Arbeitsplatz muß in jedem Einzelfalle kritisch geprüft werden. Eine solche Risikolage liegt insbesondere dann vor, wenn die durch
Alkohol und Drogen bedingte Einschränkung des Arbeitnehmers zu einer besonderen Gefahrenlage für Leib und Leben von Arbeitskollegen oder Dritten führt.
Aus diesem Grunde wird im allgemeinen bei Berufsgruppen
mit besonderen Gefährdungslagen die Berechtigung eines solchen Tests befürwortet.
Darunter fallen z.B. Kraftfahrer, Gefahrgutfahrer, Waffenträger, Sicherheitsfachleute, Geldtransportfahrer, Piloten, aber auch
Chirurgen und Arbeitnehmer, die arbeitsbedingt Umgang mit Drogen haben.
Z.T. wird darauf abgestellt, ob eventuell besonders hohe Sachschäden drohen. Zu denken ist an das Personal von teuren oder gefährlichen
Spezialgeräten, die Bedienungsmannschaften von Hochöfen, Atomkraftwerken, Großbaggern oder Kränen, aber auch das Kassenpersonal in Banken.
Als weitere Gruppe von Arbeitnehmern kommen diejenigen in Betracht,
die sich selbst gefährden, wie z.B. Dachdecker, Taucher, Testfahrer oder Wartungspersonal von Elektrizitätswerken und Überlandleitungen.
5. Recht zur Verweigerung
Jeder Bewerber hat das Recht, solche Tests zu verweigern. Allerdings muß er damit rechnen, daß er dann nicht eingestellt wird. Schadenersatzansprüche sind in solchen Fällen kaum zu
realisieren. Schmerzensgeld dürfte ausscheiden, da durch die Weigerung gerade die Verletzung des Persönlichkeitsrechtes vermieden wurde. Im Ergebnis bedeutet dies, daß der Bewerber relativ hilflos dem Verlangen
nach solchen Tests ausgeliefert ist.
6. Mitbestimmung des Betriebsrats
Einzig der Betriebsrat kann eventuell dem Mißbrauch von solchen Tests durch den Arbeitgeber entgegentreten:
Einstellung. Hat der Arbeitgeber Metastasico in unzulässiger Weise unter
Verletzung des Persönlichkeitsrechtes einen Test gefordert, so kann der Betriebsrat der Einstellung des getesteten Mitarbeiters nach § 99 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG widersprechen. Der Arbeitgeber hat nämlich gegen
geltendes Recht und damit gegen ein „Gesetz“ verstoßen.
Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG). Will der Arbeitgeber Metastasico entsprechend seiner Ethik-Richtlinien zukünftig nur noch Bewerber einstellen, die
einen Test mit negativem Ergebnis durchlaufen haben, so hat er mit der Ethik-Richtlinie eine mitbestimmungspflichtige Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG aufgestellt. Der Betriebsrat hat insoweit ein
Mitbestimmungsrecht. Er kann seine Zustimmung verweigern oder eine Veränderung der Richtlinie verlangen. Im Streitfall muß der Arbeitgeber die Einigungsstelle anrufen.