Der Fall:
Arbeitgeberin Pallas Athene kündigt betriebsbedingt ihren flotten Fahrradboten Hermes. Post- und Frachtbeförderung werden im Weg des Outsourcing auf die
Trojanische Spedition Priamus ausgelagert.
Der altgediente Hermes ist empört. Unter Vermittlung des Rechtsanwaltes und Mediators Sokrates schlossen Pallas Athene und Hermes 2 Wochen nach Ausspruch der
Kündigung einen Abwicklungsvertrag, um eine Kündigungsschutzklage zu vermeiden. Darin ist geregelt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet wird. Im Gegenzug bekommt Hermes eine Abfindung von 5.000
Euro.
Als bei der Arbeitsagentur die zuständige Sachbearbeiterin Cassandra von diesem Abwicklungsvertrag erfuhr, verhängte sie gegen den unglücklichen Hermes unverzüglich eine Sperrfrist von 5 Wochen für das
Arbeitslosengeld.
Hermes ist verzweifelt. Was haben beide Parteien falsch gemacht?
Die Lösung
1. Die gesetzliche Sperrzeitregelung
In § 144 Abs. 1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) hat der Gesetzgeber in Ziffer 1 die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe wie folgt geregelt:
Hat der
Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlaß für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und hat er dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig
die Arbeitslosigkeit herbeigeführt,
ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben,
so tritt eine Sperrzeit ein. Der Arbeitslose hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgeblichen
Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Gründe in seiner Sphäre oder seinem Verantwortungsbereich liegen.
Die Sperrzeit beträgt nach § 144 Abs. 2 SGB III 12 Wochen. Sie kann unter bestimmten
Umständen auf 3 bis 6 Wochen abgekürzt werden.
2. Das neue BSG-Urteil
Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Urteil vom 18.12.2003 (Az: B11AL35/03R) eine für Arbeitsvertragsparteien und für Arbeitslose wichtige Entscheidung
getroffen. Damit wird die bisherige Praxis des außergerichtlichen Abwicklungsvertrages zu Sperrzeiten von 12 Wochen führen.
3. Der Wille des Gesetzgebers
Der Gesetzgeber hat in § 144 SGB III bestimmt, daß eine Sperrfrist erst dann zu verhängen ist, wenn der Arbeitnehmer durch arbeitsvertragswidriges
Verhalten (Vertragsverstöße, Vertragsbruch) eine ordentliche oder außerordentliche fristlose Kündigung erhält. Hier liegt eine schuldhafte Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor.
Nach dem Willen des
Gesetzgebers soll eine Sperrfrist weiter verhängt werden, wenn der Arbeitnehmer mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden ist (einvernehmliche Beendigung) oder durch sein „kooperatives Verhalten“
an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitwirkt.
Dagegen soll keine Sperrfrist erhoben werden, wenn eine betriebsbedingte Kündigung oder eine personen-/krankheitsbedingte Kündigung vorliegt. Hier liegt
die Kündigungsursache entweder nicht im Verfügungsbereich des Arbeitnehmers oder es ist zumindest keine schuldhaftes Herbeiführen der Arbeitslosigkeit gegeben.
4. Neue Rechtsprechung
Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts ist es für die Verhängung einer Sperrfrist ausreichend, wenn der Arbeitnehmer durch seine Zustimmung zum
Aufhebungsvertrag eine wesentliche Ursache zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gesetzt hat. Unerheblich ist es, ob die Initiative zu diesem Aufhebungsvertrag vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber
ausgegangen ist.
Es ist nach der neuen Entscheidung nunmehr nicht mehr zweifelhaft, daß der Arbeitnehmer auch durch den Abschluß eines sog. „Abwicklungsvertrages“ einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung
seiner Beschäftigungslosigkeit leistet. Mit diesem Abwicklungsvertrag verzichtet der Arbeitnehmer nämlich ausdrücklich oder konkludent auf die Geltendmachung seines Kündigungsschutzes.
Es ist dabei nicht
entscheidend, ob die Abwicklungs-Vereinbarung über die Hinnahme der Arbeitgeberkündigung und Zahlung einer Abfindung vor oder nach dem Kündigungsausspruch getroffen wird. Auch der erst nach Ausspruch einer
Kündigung vereinbarte Abwicklungsvertrag beinhaltet danach eine aktive Mitwirkung des beschäftigungslos gewordenen Mitarbeiters.
Solche nachfolgenden Abwicklungsvereinbarungen sind nämlich dadurch
gekennzeichnet, daß dem Arbeitnehmer für den Verzicht auf den Kündigungsschutz eine Abfindung in Aussicht gestellt wird.
5. Mitwirkung Dritter
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist es unerheblich, ob der Aufhebungs-/Abwicklungsvertrag unmittelbar zwischen dem Arbeitgeber und dem
Arbeitnehmer abgeschlossen wurde, oder ob Dritte, z.B. Rechtsanwälte eingeschaltet wurden.
Pallas Athene und Hermes können sich nicht darauf berufen, daß sie den Abwicklungsvertrag auf den wohlmeinenden Rat
des Rechtsanwaltes Sokrates hin abgeschlossen haben. Für die Verhängung der Sperrfrist ist dies ohne Belang.
Achtung:
Ausnahmen zu diesen Grundsätzen in der nächsten Folge!