Folge 228

Die Falle Befristungsrecht



Der Fall:


    Arbeitgeber Hippokrates betreibt ein Krankenhaus. Den Arzt Aeskulap stellt er schriftlich befristet für 3 Jahre ein. Der Befristungsgrund ist im Vertrag
    aber nicht aufgeführt.

    Der Krankenpfleger Orpheus wird zunächst für 6 Monate befristet zur Erprobung eingestellt. Da Hippokrates nicht zufrieden war, verlängert er die Befristung für weitere 12 Monate. Als
    Befristungsgrund ist im 2. Vertrag ebenfalls die Erprobung genannt. Die ihm vom Konzertverein gut bekannte Schwester Helena stellt Hippokrates ebenfalls befristet für 1 Jahr ein. Wegen der gemeinsamen Freude an
    der Musik und der langjährigen Bekanntschaft hält er einen schriftlichen Vertrag für überflüssig.

    Da Hippokrates umstrukturiert, will er bei allen 3 Arbeitnehmern die Weiterbeschäftigung mit Ablauf der
    Befristung beenden. Die Arbeitnehmer sind damit nicht einverstanden. Sie meinen wegen Rechtsfehlern des Arbeitgebers bei der Befristungsvereinbarung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu stehen. Wer hat
    Recht?



Die Lösung:



1. Gesetzliche Befristungsregeln


    Die wichtigsten Regeln zum befristeten Arbeitsverhältnis sind mittlerweile in § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) und in den nachfolgenden
    Paragrafen enthalten.

    Nach § 14 Abs. 2 TzBfG kann Arbeitgeber Hippokrates insgesamt 2 Jahre lang ohne einen Sachgrund („einfach so“) das Arbeitsverhältnis befristen. Die Befristung muß nicht auf 2 Jahre
    abgeschlossen werden. Er kann kürzere Zeiträume wählen und die Befristung jeweils vor Ablauf bis zu insgesamt 3 Mal verlängern.




    Beispiel:


    4 Befristungen mit
    jeweils 6 Monaten, die ersten 2 Befristungen jeweils 3 Monate, die nächste Befristung 6 Monate und die vierte Befristung 12 Monate. Entscheidend ist nur, daß die Verlängerung jeweils vor Ablauf der letzten
    Befristung erfolgt.


    Eine Befristung ohne Sachgrund ist nicht möglich, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits zu früheren Zeiten ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

    Im übrigen kann das Arbeitsverhältnis mit einem Sachgrund befristet werden. § 14 Abs. 1 TzBfG hat eine Liste von 8 Sachgründen aufgestellt, die aber nicht abschließend ist. Zu den Befristungsgründen
    zählen z.B.:

    – ein vorübergehender betrieblicher Bedarf, z.B. im Weihnachtsgeschäft, in der Hochsaison, zur Abwicklung eines einzelnen Forschungsprojekts,

    – Vertretung eines anderen Arbeitnehmers, z.B. bei
    Krankheit, Elternzeit, Urlaub,

    – Erprobungszwecke,

    – Eigenart der Arbeitsleistung, z.B. im Bereich der Kunst, Schauspieler und Sänger, Schönheitstänzerinnen,

    – Befristung im gerichtlichen Vergleich.



2. Schriftlichkeit der Befristung


    In § 14 Abs. 4 TzBfG ist ausdrücklich geregelt, daß die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Dies gilt generell
    für alle Beendigungsarten des Arbeitsverhältnisses, z.B. auch für die Kündigung oder den Auflösungsvertrag. Nach § 623 BGB müssen auch diese schriftlich sein.




    Achtung:


    Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift aber nur geregelt, daß die Befristung an sich zur Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Werden andere wichtige Vertragsbestandteile nur mündlich vereinbart, so sind
    diese gleichwohl wirksam. Dies gilt insbesondere für den Befristungsgrund! Der Befristungsgrund muß nicht schriftlich vereinbart sein.


    Die Befristungsvereinbarung mit
    Krankenschwester Helena ist rechtsunwirksam, weil sie nur mündlich getroffen ist. Wenn Helena trotz des musikalisch begründeten Vertrauensverhältnisses vor dem Arbeitsgericht klagt, wird sie gewinnen. Ihr
    Arbeitsverhältnis besteht unbefristet fort.

    Der befristete Vertrag von Aeskulap wird dagegen nicht deshalb unwirksam, weil der Befristungsgrund nicht schriftlich niedergelegt ist. Wenn ein Befristungsgrund
    tatsächlich bestand, ist auch die schriftliche Befristungsabrede wirksam.



3. Austausch des Befristungsgrundes


    Für eine Befristung von 3 Jahren beim Arzt Aeskulap brauchte Arbeitgeber Hippokrates einen sachlichen Grund. Dieser fehlt im Vertrag. Nach neuer
    Rechtsprechung ist nicht entscheidend, ob der Befristungsgrund im Vertrag genannt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob objektiv ein Befristungsgrund vorlag.

    Im Prozeß führt Arbeitgeber Hippokrates an, daß er
    Aeskulap als Mutteschafts- und Elternzeitvertretung für die schwangere Ärztin Daphne eingestellt hat. Wenn Daphne tatsächlich in Elternzeit gegangen war, besteht objektiv ein Befristungsgrund. Die Befristung auf
    3 Jahre ist dann wirksam. Aeskulap verliert den Prozeß.

    Pfleger Orpheus hat im Vertrag Erprobung stehen. Nach der Rechtsprechung ist bei normalen Tätigkeiten nur eine einmalige Erprobung von 6 Monaten
    möglich. Die 2. Befristung mit dem gleichen Befristungsgrund Erprobung ist deshalb rechtsunwirksam. Es bestand kein ausreichender sachlicher Grund für eine Verlängerung der Erprobung. Diese 2. Befristung ist
    unwirksam.

    Arbeitgeber Hippokrates möchte den Befristungsgrund zwar auswechseln wegen Schwangerschaft diverser Krankenschwestern. Dies ist aber nicht möglich, wenn der Befristungsgrund im Arbeitsvertrag
    konkret festgelegt ist. Arbeitgeber Hippokrates ist daran gebunden. Orpheus obsiegt.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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