Der Fall
Arbeitgeber Mark Twain möchte seine deutschen Verkaufsmitarbeiter ang
esichts der Währungsschwankungen lieber in Dollar als in Euro bezahlen.
Sektfabrikantin Rotkäppchen möchte den Lohn ihrer Arbeitnehmer zumindest in Höhe von 100 Flaschen monatlich in Sekt bezahlen.
Autofabrikant Horch verkauft seinen Mitarbeitern seine Autos auf Kredit. Als
Alternative bietet er an, das Auto über ein Darlehn bei seiner Horch-Bank zu bezahlen. Arbeitgeber Karl May möchte den Absatz seiner Werke fördern, indem er jedem Arbeitnehmer statt Barzahlung jeweils 5
Gesamtausgaben seiner Werke gibt und von der alten Büroeinrichtung jeweils einen Schreibtisch.
Ist das alles zulässig?
Die Lösung
4. Warenüberlassung statt Arbeitsentgelt
In § 107 Abs. 2 Satz 3 – 5 GewO ist geregelt:
„Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt
überlassen, wenn die Anrechnung zu den durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt. Die geleisteten Gegenstände müssen mittlerer Art und Güte sein, soweit nicht ausdrücklich eine andere Vereinbarung getroffen ist.
Der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt darf die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen.“
Der Gesetzgeber hat damit im
Rahmen der Vertragsfreiheit zugelassen, daß der Arbeitgeber neben der Auszahlung in Euro den Lohn zumindest teilweise auch in Waren, d.h. in geldwerten Leistungen erbringen darf. Voraussetzung ist allerdings,
daß der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, oder einen entsprechende vertragliche Regelung besteht.
Grenze:
Die Warenüberlassung darf stets nur bis zur
Höhe der Pfändungsfre
igrenze erfolgen. Der Rest muß stets in Euro ausgezahlt werden, um den notwendigen Lebensunterhalt des Arbeitnehmers in Geld sicherzustellen. Es soll
verhindert werden, daß der Arbeitnehmer Waren verkaufen muß, um Geld zur Verfügung zu haben.
Probleme ergeben sich insbesondere, wenn ein Mitarbeiter ein Gehalt bezieht, das unterhalb der Pfändungsfreigrenze
liegt oder wenn alle Bezüge über der Pfändungsfreigrenze bereits gepfändet sind. Dann entfällt nach dem Gesetz die Möglichkeit, Waren an den Arbeitnehmer zu verkaufen.
Problem:
Die Frage ist, inwieweit unterhalb der Pfändungsfreigrenze Sachb
ezüge zulässig sind, z.B. freie Logis (Unterkunft und Verpflegung) im Gaststättengewerbe. Dies wird
ausnahmsweise bei einem berufstypischen Sachbezug zulässig sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine Anrechnung auf das Arbeitsentgelt erfolgt, weil der Sachbezug zusätzlich zum vereinbarten Entgelt gewährt
wird.
5. Selbstkostenpreis
Problematisch ist die Frage, was der Gesetzgeber unter den durchschnittlichen Selbstkosten versteht. Zum einen gibt es den reinen Selbstkostenpreis, d.h.
den Einkaufspreis. Daneben gibt es auch den korrigierten, echten Selbstkostenpreis. Dies ist der Preis, bei dem der Arbeitgeber unter Berücksichtigung seiner eigenen Kosten weder Gewinn noch Verlust macht.
Richtigerweise wird dieser bereinigte Selbstkostenpreis bei der Abrechnung zugrunde zu legen sein.
Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es jedenfalls so, daß der Arbeitgeber keinen Gewinn machen soll. In den
Gesetzesmaterialien ist etwas mißverständlich als Beispiel der Werksverkauf aufgeführt. Bei dem üblichen Werksverkauf macht der Arbeitgeber jedoch stets noch einen Gewinn. Nach dem Gesetz kann jedoch ein solcher
Werksverkauf nicht gemeint sein.
Der Verkauf zum tatsächlichen Selbstkostenpreis bedingt, daß der Arbeitgeber im Streitfall den Einkaufspreis nebst seinen eigenen Kosten umgelegt auf die Waren substantiiert
berechnet und ggf. nachweist. Dies kann sehr aufwendig sein. Im Streitfall besteht deshalb für den Arbeitgeber ein deutliches Risiko. Fordert der Arbeitnehmer ganz oder teilweise verrechneten Lohn heraus, muß
der Arbeitgeber seine Kalkulation in diesem Sinne offenlegen.
6. Waren mittlerer Art und Güte
Der Gesetzgeber fordert weiter, daß die Beschäftigten keinen Nachteil dadurch erleiden dürfen, daß die Waren des Arbeitgebers zu schlecht sind. Deshalb
fordert er Waren von mindestens mittlerer Art und Güte.
Diese Regelung entspricht bereits dem bestehenden Kauf- und Schuldrecht. Letztendlich handelt es sich auch im vorliegenden Falle um die Überlassung
einer Ware aufgrund eines Kaufvertrages. Die allgemeinen Regeln des Kaufrechts sind deshalb auch hier anzuwenden. Dies erhöht ebenfalls das Risiko des Arbeitgebers.