Der Fall:
Arbeitgeber John möchte mit der Arbeitnehmerin Marylin einen möglichst freien Arbeitsvertrag abschließen. Er beruft sich auf die Unternehmerfreiheit. Marylin dagegen möchte möglichst
alles genau im Detail im Arbeitsvertrag geregelt haben. John hält dies für technisch nicht mac
hbar.
Rechtsberater Elvis verweist die beiden auf die neuen Vorschriften in der
Gewerbeordnung.
Die Lösung:
1. Gewerbeordnung – neue Arbeitsrechtsregeln
Der Gesetzgeber wollte mit dem Dritten Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung, gültig ab dem 1. Januar 2003, eine Rechtsbereinigung vornehmen und
Überregulierungen beseitigen. Die in der 130 Jahre alten Gewerbeordnung (GewO) vorhandenen arbeitsrechtlichen Vorschriften wurden vollständig neu gefaßt. Dabei handelt es sich um wichtige Grundlagenvorschriften
des Arbeitsrechts.
Kritisch anzumerken ist, daß diese Vorschriften eigentlich in der Gewerbeordnung nichts zu suchen haben, sondern in ein Arbeitsvertragsgesetz aufzunehmen wären. Leider hat der Gesetzgeber
trotz seiner Verpflichtungen im Einigungsvertrag bis heute ein Arbeitsvertragsgesetz oder gar ein Arbeitsgesetzbuch nicht geschaffen.
Die neuen Vorschriften sollen vorgestellt werden, weil sie in der
gerichtlichen Praxis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, aber auch von Rechtsanwälten gerne übersehen werden bzw. unbekannt sind.
Dabei handelt es sich um die Regelung der Vertragsfreiheit in § 105 GewO, um
die Definition des Direktionsrechtes § 106 GewO, um die Vorschrift zur Berechnung und Zahlung des Arbeitsentgeltes in § 107 GewO, die Abrechnung des Arbeitsentgeltes in § 108 GewO, die Vorschrift zum Zeugnis, §
109 GewO und den Hinweis auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot, § 110 GewO.
2. Alle Arbeitnehmer
Die Vorschriften der alten Gewerbeordnung galten nur für gewerbliche Arbeitnehmer, d.h. insbesondere für Arbeiter. Nach § 6 Abs. 2 GewO ist dieser
Anwendungsbereich nun erweitert und erstreckt sich auf alle Arbeitnehmer.
Die neue Gewerbeordnung gilt erstmalig auch für die neuen Bundesländer, was im Einigungsvertrag vom 31. August 1996 noch
ausgeschlossen war.
3. Vertragsfreiheit
Der Gesetzgeber hat in § 105 die freie Gestaltung des Arbeitsvertrages wie folgt definiert:
„Arbeitgeber und Arbeitnehmer können Abschluß, Inhalt und
Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Soweit die
Vertragsbedingungen wesentlich sind, richtet sich ihr Nachweis nach den Bestimmungen des Nachweisgesetzes.“
Die neue Vorschrift verweist richtigerweise auf den im Zivilrecht und BGB geltenden Grundsatz der
Vertragsfreiheit, d.h. der freien Arbeitsvertragsgestaltung.
Das Gesetz enthält keine besondere Formvorschrift. Aus diesem Grunde sind auch mündlich abgeschlossene Verträge rechtswirksam. Allerdings gibt es
einzelgesetzliche Einschränkungen, wonach bestimmte Willenserklärungen schriftlich gefaßt sein müssen.
Nach § 14 Abs. 4 TzBfG muß z.B. Befristung eines Arbeitsvertrages schriftlich vereinbart sein. Nach § 623
BGB muß die Kündigung wie auch ein Beendigungsvertrag schriftlich gefaßt sein.
Aus dem Gesetz geht aber auch hervor, daß die Vertragsfreiheit nicht unu
mschränkt gilt. Sie
ist eingeschränkt insbesondere durch zwingende gesetzliche Vorschriften (z.B. durch das Kündigungsschutzgesetz, das Mutterschutzgesetz, das Teilzeit- und Befristungsgesetz, Betriebsverfassungsgesetz,
Bundesurlaubsgesetz etc.).
Eine weitere Einschränkung kann sich aus entsprechenden normativ oder vertraglich geltenden Tarifverträgen ergeben. Darüber hinaus gelten Betriebsvereinbarungen, die zwischen
Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossen werden im Betrieb unmittelbar und zwingend, d.h. normativ für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Achtung:
Der
Gesetzgeber will im Nachweisgesetz, daß Arbeitsverträge mit allen wesentlichen Bedingungen schriftlich abgeschlossen werden. Auch wenn § 105 GewO eine Formvorschrift nicht enthält, so ist es doch dringend zu em
pfehlen, den Arbeitsvertrag entsprechend dem Nachweisgesetz schriftlich abzufassen.
4. Direktionsrecht des Arbeitgebers
In § 106 GewO ist das Direktionsrecht neu gefaßt:
„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher
bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzlichen Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt
auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“
Diese Regelung
gibt im wesentlichen die von der Rechtsprechung entwickelten Standards wieder. Die neue gesetzliche Fassung ist deshalb nur eine Wiedergabe des schon entwickelten Arbeitsvertragsrechts und seiner Grundsätze zum
Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Wichtig:
Entscheidend für das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist immer der Arbeitsvertrag und sein Inhalt. Um Streit und
Mißverständnisse zu vermeiden, ist es deshalb wirklich wichtig, den Arbeitsvertrag schriftlich niederzulegen.
Je differenzierter und ausführlicher, je genauer und substantiierter die vertragl
ichen Regelungen sind, um so mehr ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt.
Je unbestimmter und allgemeiner, je schlampiger oder unvollständiger ein Arbeitsvertrag abgefaßt ist,
um so weiter und um so bedeutsamer ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers.
Beispiel:
Ist nichts geregelt, so kann der Arbeitgeber Ort und Zeit der
Arbeitsleistung besti
mmen. Der Ort der Arbeitsleistung kann jedoch auch im Vertrag festgelegt werden. Dasselbe gilt für die Arbeitszeit.
Der Gesetzgeber hat in Satz 2 auch
festgeschrieben, daß das Weisungsrecht des Arbeitgebers auch betriebsbezogene Verhaltensweisen umfaßt, z.B. die Erteilung eines Rauchverbots oder einer Kleiderordnung. Allerdings ist dabei auch stets die
Mitbestimmung des Betriebsrats vom Arbeitgeber zu beachten!
Wichtig ist auch der Hinweis des Gesetzgebers zur Rücksichtnahme des Arbeitgebers auf Behinderungen der Arbeitnehmer. Daraus kann der Behinderte im
Einzelfall neben § 81 Abs. 2 SGB IX eigene Rechte herleiten.