Folge 207

Betriebliche Mitarbeiterkontrollen III – Detektiveinsatz



Der Fall


    Kaufmann Billig-Maxx hat in seinen vielen Verkaufsfilialen durch verdeckte und scheinbare Käufer Testkäufer zur Kontrolle seines Kassenpersonals
    durchführen lassen. Außerdem hat er heimlich und stichprobenartig die Kassenbestände erhöht, um festzustellen, ob die erhöhten Bestände am Tagesende auch ordentlich mitgeteilt und abgeführt werden.

    Die
    ertappten Mitarbeiter werfen Billig-Maxx Heimtücke vor und Verführung zur Unterschlagung. Sie bestreiten deshalb ein Kündigungsrecht des Arbeitgebers.

    Kaufmann Billig-Maxx führt außerdem wegen erheblicher
    Inventurdifferenzen und Warenschwunds Detektive im Betrieb ein, die die Mitarbeiter auf Ehrlichkeit kontrollieren sollen. Wegen erheblichen Krankfeierns läßt er auch Mitarbeiter im Krankenstand durch Detektive
    beobachten.

    Das halten Mitarbeiter und Betriebsrat für eine überzogene und unzulässige Maßnahme.



Die Lösung



1. Anstiftung zur Straftat


    Unzulässig wäre es, wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter durch Provokateure zu einer Straftat anstiften würde. Eine solche Anstiftung wäre sogar strafbar,
    sowohl für den Arbeitgeber, wie auch für den eigentlichen Anstifter. Vor solchen „Ehrlichkeitstests“ ist dringend zu warnen.



2. Verführung


    Sofern der Arbeitgeber durch heimliche Erhöhung des Kassenbestandes oder ähnliche Maßnahmen die Arbeitnehmer in eine „Verführungssituation“ bringt, muß er
    im Rahmen der Verhältnismäßigkeit diese Mitwirkungshandlung auch gegen sich gelten lassen. Nach der Rechtsprechung des BAG ist in solchen Fällen bei Vertragsverstößen ggf. nur eine Abmahnung oder eine
    ordentliche Kündigung gerechtfertigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die erfolgte Vertragsverletzung durch Verfügung des Arbeitgebers nicht zu einem erheblichen Schaden geführt hat.



3. Detektive im Betrieb


    Der Einsatz von Detektiven ist gesetzlich nicht geregelt. Bei Vorliegen eines Verdachtes oder berechtigter Interessen ist ein Detektiveinsatz jedoch
    grundsätzlich zulässig.

    Ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse besteht vor allem dann, wenn einerseits ein konkreter Schaden schon eingetreten ist oder ein solcher zu befürchten steht oder wenn konkrete
    Verdachtsmomente gegen einzelne Arbeitnehmer bestehen. Weiterhin ist erforderlich, daß andere innerbetriebliche Aufklärungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind.

    Gerade bei erheblichen und überdurchschnittlichen
    Inventurdifferenzen oder bei erheblichem Warenschwund, z.B. in bestimmten Abteilungen oder Verkaufsfilialen ist innerbetrieblich der Einsatz von Detektiven durch die Rechtsprechung zugelassen worden.



4. Detektive außerhalb des Betriebs


    Ein Detektiveinsatz wird immer wieder vorgenommen im Falle des „Krankfeierns“. Häufig erfolgen Detektiveinsätze auch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
    anderweitiger Erwerbstätigkeit/Schwarzarbeit während der Krankschreibung verdächtigt.

    Auch hier ist erforderlich, daß konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Eine Überwachung ohne Anfangs- oder Tatverdacht oder
    ohne konkrete Anhaltspunkte wäre unverhältnismäßig und würde das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzen.

    Nach der Rechtsprechung unbedenklich ist die Überwachung einzelner Arbeitnehmer aufgrund
    eines Anfangsverdachtes im öffentlichen Raum und in allgemein zugänglichen Gebäuden (Straßenverkehr, beim Verlassen der Wohnung, in Kaufhäusern, Kneipen, Konzerten, im Baumarkt etc.) problemlos möglich.

    Es
    ist zulässig, daß Detektive Aufzeichnungen über das Verhalten des Mitarbeiters machen. Darüber hinaus ist es auch zulässig, daß in diesem öffentlichen Umfeld bei einem Anfangsverdacht auch Foto- und
    Filmaufnahmen von der Person gefertigt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn neben der persönlichen Überwachung durch den Detektiv zur Beweissicherung z.B. für Schwarzarbeit während der Erkrankung Foto- oder
    Filmmaterial erforderlich oder gerechtfertigt erscheint.



5. Grenzen der Überwachung


    Die Grenzen der Überwachung durch Detektive ergeben sich wiederum aus dem Persönlichkeitsrecht der überwachten Person. Es ist dabei vor allem die Privat-
    und Intimsphäre des Arbeitnehmers zu wahren. Der Detektiv darf z.B. nicht in den privaten Wohnbereich des Arbeitnehmers eindringen oder intime, nicht mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängende Umstände
    ausspionieren.

    Dabei müssen insbesondere auch die Grundsätze des Strafgesetzbuches gewahrt werden (kein Hausfriedensbruch, Unverletzlichkeit der Wohnung des Arbeitnehmers, keine Lauschangriffe auf die Wohnung
    oder das private Telefon, keine Fotos in der Privatsphäre).



6. Detektivkosten


    Wird der Arbeitnehmer einer Straftat überführt, so kann der Arbeitgeber ggf. einen Teil der Detektivkosten im angemessenen Rahmen von dem Arbeitnehmer
    zurückverlangen. Dies muß im Einzelfall geprüft werden.



7. Mitbestimmung


    Bei der Überprüfung des Arbeitsverhaltens und der Ehrlichkeit an der Arbeit besteht ein Mitbestimmungsrecht nur dann, wenn der Arbeitgeber technische
    Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG einsetzt. Sonst ist die Überwachung durch Ehrlichkeitstests, Testkäufe etc. mitbestimmungsfrei.

    Dasselbe gilt für den Einsatz von Detektiven, soweit diese
    nicht in den Betrieb eingeschleust oder eingegliedert werden. Bei einer Eingliederung auch fremder Detektive in den Betrieb besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Es handelt sich
    dabei nämlich dann um eine Einstellung im Sinne des Betriebsverfassungsrechts.

    Grundsätzlich empfiehlt es sich stets, bei solchen Überprüfungsmaßnahmen und Tests den Betriebsrat zu beteiligen und möglichst
    mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. Der Arbeitgeber sichert sich dadurch regelmäßig gegen Vorwürfe der mangelnden Fairneß etc. Er erhöht dadurch die Akzeptanz seiner Maßnahmen sowohl bei
    Mitarbeitern wie auch bei Gericht.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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