Der Fall
Arbeitgeber Abu Simbel ärgert sich darüber, daß trotz Rauchverbots auf Toiletten und in Umkleideräumen geraucht wird. Außerdem schwätzen ihm die
Mitarbeiter dort zu viel. Schließlich wurde ihm zugetragen, daß dort auch Mitarbeiter über ihn lästern.
Er will dies unterbinden und die Störenfriede dingfest machen. Deshalb installiert er sowohl auf den
Toiletten wie in den Umkleideräumen verdeckte Videokameras und Abhöranlagen.
Bei der Auswertung der Filme und Tonbänder stellt er den Mitarbeiter Ali Baba als Hauptqualmer fest, der außerdem über den
Arbeitgeber noch herzog. Abu Simbel kündigt fristlos. Ali Baba klagt dagegen. Wer obsiegt?
Die Lösung
1. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gewährleistete Allgemeine Persönlichkeitsrecht enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht
gegenüber den Staatsorganen. Es fordert außerdem den Schutz der Bürger durch den Staat. Dies betrifft auch die privaten Grundrechtsträger, die diesen Schutz im gesamten Privatrechtsverkehr, aber auch im
Arbeitsverhältnis zu beachten haben.
Dies bedeutet, daß jeder einzelne Bürger innerhalb und außerhalb des Arbeitsverhältnisses vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung seiner Grundrechte durch andere
Privatpersonen bewahrt werden muß. Dieser Grundrechtsschutz umfaßt das Recht auf Wahrung der Privat- und Intimsphäre ebenso wie das Recht am gesprochenen Wort, das Recht am eigenen Bild, das Recht auf Wahrung
der Menschenwürde, Schutz der körperlichen Integrität.
2. Grundrechtskollision
Die Persönlichkeitsrechte werden jedoch auch im Zivilrecht nicht schrankenlos gewährleistet. Dies gilt auch für das Arbeitsverhältnis. Eingriffe in das
Persönlichkeitsrecht des Arbeitgebers können durch dessen Persönlichkeitsrechte, wie auch durch sein Recht auf ungestörte unternehmerische Tätigkeit und sein Recht am Schutz seines Eigentums (Art. 12 und 14 GG)
gerechtfertigt sein.
Es kommt somit im Arbeitsverhältnis immer wieder zu einer Kollision wichtiger Rechte sowohl der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers. Bei dieser Kollision des Allgemeinen
Persönlichkeitsrechts wie den berechtigten Interessen des Arbeitgebers ist deshalb stets eine Güterabwägung im Einzelfall vorzunehmen. Es ist zu ermitteln, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht den Vorrang
verdient, oder ob Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht durch die Wahrnehmung überwiegender schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sind.
Das zulässige Maß einer Beschränkung des Allgemeinen
Persönlichkeitsrechtes bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muß eine vom Arbeitgeber zu seinem Schutz im Betrieb getroffene Regelung:
– geeignet,
– erforderlich und
– angemessen sein,
um den angestrebten Zweck zu erreichen.
Geeignet
ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg und Schutz gefördert werden kann.
Erforderlich
ist die Regelung, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber das Persönlichkeit
srecht weniger einschränkendes Mittel zur
Verfügung steht.
Angemessen
ist die Regelung, wenn sie verhältnismäßig ist.
Hier muß eine G
esamtabwägung zwischen der Intensität und Stärke des Eingriffs einerseits
und dem Gewicht der den Eingriff rechtfertigenden Gründe andererseits vorgenommen werden. Die Grenze der Zumutbarkeit darf dabei nicht überschritten werden.
3. Bundesdatenschutzgesetz
Der Gesetzgeber hat in § 6 b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) eine wichtige neue Regelung geschaffen zur Überwachung in öffentlichen Räumen. Die
Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen ist nur ganz eingeschränkt zulässig, soweit diese Videoüberwachung erforderlich ist
– zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
– zur Wahrnehmung des Hausrechtes oder
– zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke.
Zusätzlich ist gefordert, daß keine Anhaltspunkte bestehen, wonach das schutzwürdige
Interesse der betroffenen überwachten Personen überwiegen. Sollten diese überwiegen, ist die Videoüberwachung trotz der guten Gründe unzulässig.
Die Tatsache der Videoüberwachung und die dafür verantwortliche
Stelle muß zusätzlich durch geeignete Maßnahmen den Überwachten erkennbar gemacht werden. Dies gilt auch für die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Arbeitsräumen (z.B. Kaufhaus).
4. Mitbestimmung
In allen Fällen der Mitarbeiterkontrolle und Mitarbeiterüberwachung ist stets auch zu prüfen, ob oder inwieweit ein Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrats/Personalrats besteht. Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung bestehen dann nicht, wenn der Arbeitgeber lediglich die Erbringung der Arbeitsleistung und die Arbeitsergebnisse überprüfen will.
Ein Mitbestimmungsrecht besteht jedoch stets dann, wenn der Arbeitgeber technische Einrichtungen einführen will, mit denen die Überwachung der Mitarbeiter in ihrer Arbeitsleistung oder in ihrem sonstigen
Verhalten möglich ist. Es reicht aus, daß diese Anlagen dazu geeignet sind (§ 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG).
Ein weiteres Mitbestimmungsrecht besteht dann, wenn außerhalb des eigentlichen Arbeitsverhaltens
Regelungen im Rahmen der Ordnung des Betriebes eingeführt werden (§ 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG). Darunter fallen z.B. Tor- und Personalkontrollen am Ausgang, Taschenkontrollen. Schließlich kann auch ein
Mitbestimmungsrecht bestehen, wenn spezielle Mitarbeiter oder Detektive eingestellt oder in den Betrieb eingeschleust werden, um andere Mitarbeiter zu kontrollieren.
5. Toiletten und Umkleideräume
Die Ton- und Videoüberwachung auf Toiletten, Umkleideräumen oder in Mitarbeiterräumen stellen generell einen Verstoß gegen das Allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter und ggf. gegen das Recht auf Wahrung der Würde des Menschen dar. Leider häufen sich solche Fälle in der Praxis.
Es ist doch klar festzuhalten, daß der Arbeitgeber keine
schutzwürdige Interessen daran besitzt, Mitarbeiter illegal zu filmen oder abzuhören. Hier geht der Schutz der Privat- und Intimsphäre in jedem Falle vor, wenn nicht Kapitalverbrechen oder ähnliches zu
befürchten sein sollte.