Der Fall
Arbeitnehmerin Mata Hari mußte als Spionin wegen Arbeitsmangel entlassen werden. Zum Ausscheiden hatte ihr Arbeitgeber Basta ein zufriedenstellendes
Zeugnis erteilt. Er hatte ihre Leistungen beim Nachrichtendienst als vorbildlich und hervorragend bezeichnet.
Mata Hari gab dem Arbeitgeber Basta ihr Zeugnis mit der Bitte um Korrektur wegen eines falschen
Geburtsdatums und diverser Schreibfehler zurück.
Im neuen Zeugnis hatte der darob verärgerte Arbeitgeber Basta dann die Beurteilung „vorbildlich“ und „hervorragend“ gestrichen. Statt dessen nahm er auf: „Sie
war stets mit sich und ihrer Leistung zufrieden. Es gelang ihr immer wieder, sich dem Durchschnittsniveau des Spionagebetriebs anzunähern. An dem, was sie sich leistete, hatte auch die Konkurrenz Freude.“
Die
Schlußformel: „Wir hätten ihren erfolgreichen Einsatz gerne noch weiter genutzt“ hat Arbeitgeber Basta gestrichen. Die Unterschrift unter das neue Zeugnis leistete eine Abteilungsleiterin.
Mata Hari ist
empört. Aus ihrer Sicht bestand kein Anlaß für diese Verschlechterung. Arbeitgeber Basta dagegen erklärte, mit dem ersten Zeugnis habe man sich geirrt. Das neue Zeugnis entspreche der Wahrheit.
Die Lösung
1. Anspruchsgrundlagen
Die Arbeitnehmerin hat Anspruch auf ein Arbeits- und Dienstzeugnis mittlerweile nach dem neuen § 109 Gewerbeordnung. Diese Rechtsvorschrift ersetzt die
alten Anspruchsgrundlagen. Ein Anspruch auf ein Zeugnis ergibt sich aber auch aus der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Rahmen des Arbeitsvertrages.
2. Qualifiziertes Zeugnis
Die Arbeitnehmerin kann zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis wählen. Das einfache Zeugnis wäre lediglich eine Arbeitsbescheinigung,
die lediglich Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthält.
Darüber hinaus kann aber die Arbeitnehmerin nach § 109 Abs. 1 Gewerbeordnung verlangen, daß im Zeugnis Angaben über ihre Leistung und ihr
Verhalten im Arbeitsverhältnis aufgenommen werden. Dies ist dann ein qualifiziertes Zeugnis.
3. Allgemeine Zeugnisgrundsätze
Das Zeugnis hat sich insbesondere an 4 Grundsätzen zu orientieren:
– es gilt der Grundsatz der Wahrheit,
– genauso wichtig ist der Grundsatz des Wohlwollens,
– daneben ist noch der Grundsatz der Vollständigkeit und
– der Grundsatz der individuellen Beurteilung
zu beachten.
Dabei stehen aber der
Grundsatz der Zeugniswahrheit und der Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung im Vordergrund. Diese auseinanderstrebenden Grundsätze in einem Zeugnis zu vereinigen, ist eine besondere Kunst.
Wahrheit und
Wohlwollen können sich widersprechen. Wichtig ist aber, daß im Zeugnis nichts Unwahres stehen darf. Deshalb besteht die Kunst des Zeugnisschreibens manchmal im Weglassen. Ein Zeugnis wird nicht generell unwahr,
wenn der Arbeitgeber einzelne Schwächen oder Vorfälle wegläßt. Das darf allerdings nicht dazu führen, daß ganz wesentliche und wichtige Fakten weggelassen werden. Sonst könnte das Zeugnis ein falsches Gesamtbild
ergeben.
4. Ausstellungsbefugnis
Das Arbeitszeugnis muß grundsätzlich vom Arbeitgeber persönlich oder bei einem Großbetrieb von dem dazu bestellten Vertreter der Personalabteilung
unterschrieben werden. Es reicht nicht aus, wenn irgendein Vorgesetzter oder Abteilungsleiter das Zeugnis unterschreibt. Auch ein außenstehender Dritter, z.B. ein Steuerberater oder Handlungsbevollmächtigter des
Arbeitgebers darf das Zeugnis nicht unterschreiben.
Deshalb kann Mata Hari darauf bestehen, daß Arbeitgeber Basta das Zeugnis unterschreibt.
5. Zeugnisinhalt
Das qualifizierte Zeugnis soll ein getreues Spiegelbild der vom Arbeitnehmer erbrachten Tätigkeiten, Verhaltensweisen etc. sein. Deshalb erstreckt sich das
Zeugnis auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis.
Zur Leistung gehören insbesondere Kriterien wie Fachkenntnisse, Arbeitsbereitschaft, Arbeitsinitiative, Arbeitsqualität und Fleiß.
Das
Verhalten erstreckt sich vor allem auf das soziale Verhalten, z.B. das Verhalten gegenüber vorgesetzten Kollegen, Untergebenen, Kunden etc.
Am Schluß des qualifizierten Zeugnisses muß eine Gesamtbeurteilung
vom Arbeitgeber vorgenommen werden. Diese „Gesamtnote“ führt immer wieder zu Problemen.
6. Zeugnisberichtigungsanspruch
Entspricht das erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt nicht den tatsächlichen oder den rechtlichen Anforderungen, so hat die Arbeitnehmer einen Anspruch auf
Berichtigung des Zeugnisses. Dies gilt sowohl für Fehler bei den Fakten, z.B. beim Geburtsdatum, wie auch für Rechtschreibfehler, wie auch für inhaltliche Fehler.
Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch
der Mitarbeiterin nach § 109 Gewerbeordnung erst dann, wenn er ein formal und inhaltlich korrektes Zeugnis erstellt hat. Dies bedeutet, daß er in der Regel auch die Beweislast für die von ihm aufgestellten
Behauptungen oder Wertungen trägt.
Achtung:
Nach neuerer Rechtsprechung trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für eine Benotung, die
unterdurchschnittlich ist. Will die Arbeitnehmerin eine überdurchschnittl
iche Benotung, so trägt sie insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Als gute durchschnittliche Benotung
hat das Bundesarbeitsgericht die Formulierung „Zur vollen Zufriedenheit“ angesehen. Will die Arbeitnehmerin eine bessere Benotung, z.B. „stets zur vollen Zufriedenheit“ oder „zur vollsten Zufriedenheit“, so muß
sie beweisen, daß ihre Leistungen besser waren als „gut durchschnittlich“ und damit besser als vom Arbeitgeber angegeben. Will der Arbeitgeber dagegen lediglich die Benotung „Zur Zufriedenheit“ (etwa:
ausreichend) oder „Stets zur Zufriedenheit“ (schwaches befriedigend) wählen, so trägt er bei Streit die Beweislast für die unterdurchschnittliche Bewertung.
7. Bindung an das Vorzeugnis
Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, daß der Arbeitgeber an den Wortlaut des von ihm bereits erteilten Beendigungszeugnisses gebunden ist,
soweit die Arbeitnehmerin nicht eine Zeugnisberichtigung oder Zeugnisänderung beantragt. Der Streit der Parteien dreht sich dann nur noch um die beanstandeten Teile. Sind diese beanstandeten Teile ganz oder
teilweise falsch, so muß der Arbeitgeber ein neues Zeugnis ausstellen.
Bei der Erstellung dieses neuen Zeugnisses ist der Arbeitgeber jedoch im übrigen an den bisherigen, von der Arbeitnehmerin nicht
beanstandeten Zeugnistext gebunden. Er kann nicht aus Rache oder als „Bestrafung“ eine gute Formulierung einfach abändern und verschlechtern.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Arbeitgeber nachträglich,
d.h. nach der Ausstellung des ersten Zeugnisses Umstände bekannt geworden sind, die Leistung oder Verhalten der Arbeitnehmerin in einem anderen Licht erscheinen lassen. Nur solche neuen Erkenntnisse oder
Informationen können zu einer weiteren Änderung oder Verschlechterung führen.
Da Arbeitgeber Basta solche neuen Informationen nicht vorgetragen hat, ist er an den alten Zeugnistext einschließlich der
Schlußformulierung gebunden. Er muß die neuen Formulierungen wieder streichen.