Folge 188

Ein-Euro-Job XI



Der Fall


    Betriebsrat Lorenzo Medici will bei der Einstellung der Arbeitslosen in Arbeitsgelegenheiten mitbestimmen. Das verweigert Lukretia, weil diese Arbeitslosen
    keine Arbeitnehmer sind.

    Lorenzo will klagen. Auch Leonardo will klagen auf ein ordentliches Zeugnis und Schmerzensgeld. Zu welchem Gericht sollen sie gehen?



Die Lösung



IX. Mitbestimmung des Betriebsrats


    1. Einerseits gilt das Betriebsverfassungsgesetz für arbeitslose Hilfebedürftige im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II nicht, da diese nicht Arbeitnehmer sind.
    Der Betriebsrat ist dafür gewählt, die Interessen der beschäftigten Arbeitnehmer zu vertreten.

    Andererseits aber muß stets berücksichtigt werden, daß die Interessen der Arbeitnehmer eines Betriebes auch dann
    beeinträchtigt oder tangiert werden können, wenn außenstehende Dritte in den Betrieb eingegliedert werden und im Betriebsablauf mitwirken.


    2. Aus diesem Grunde hat der Betriebsrat nach § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung von Arbeitslosen in Arbeitsgelegenheiten nach § 16
    Abs. 3 SGB II.

    Das Bundesarbeitsgericht hat nach der sog. „Eingliederungstheorie“ schon lange entschieden, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats sich auf alle faktischen Einstellungen bezieht, unabhängig
    davon, welchen rechtlichen Status die im Betrieb Tätigen besitzen, d.h. ob sie Arbeitnehmer sind, freie Dienstnehmer oder gar Selbständige, die in den Betriebsablauf eingegliedert werden.

    Entscheidend ist nur
    die tatsächliche Eingliederung in den Betriebsablauf, d.h. die Unterstellung unter das Direktionsrecht des Dienstherrn. Das ist gerade auch bei Arbeitsmaßnahmen gegeben. Aus diesem Grunde hat Betriebsrat Lorenzo
    Medici Recht, daß Arbeitgeberin Lukretia verpflichtet ist, bei allen Einstellungen dieser Art vorher die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.

    Inwieweit andere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats durch
    die Einstellung von Mitarbeitern über Arbeitsgelegenheiten berührt werden, muß die Zukunft zeigen.



X. Prozessuales


    Die Frage der Zuständigkeit der Gerichte für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitsgelegenheiten kann schwierig zu beantworten sein. Sie hängt
    insbesondere auch von der Frage ab, ob das Rechtsverhältnis zwischen dem Maßnahmeträger und dem arbeitslosen Leistungsempfänger ein privatrechtliches oder ein öffentlich-rechtliches Verhältnis ist.



1. Streit Leistungsträger – Leistungsempfänger


    Streitigkeiten zwischen dem Leistungsträger (Arbeitsagentur etc.) und dem Arbeitslosen bzw. Leistungsempfänger sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten
    nach dem SGB II. Für diese Streitigkeiten ist die Sozialgerichtsbarkeit zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 45a SGB). Dies gilt sowohl für Streitigkeiten aus der Eingliederungsvereinbarung wie auch für Streitigkeiten
    wegen einer Zwangszuweisung durch Verwaltungsakt oder z.B. Streitigkeiten wegen Kürzung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 SGB II.



2. Streit Leistungsträger – Maßnahmeträger


    Bei Streitigkeiten zwischen dem Leistungsträger und dem Maßnahmeträger könnten ebenfalls die Sozialgerichte zuständig sein. Insoweit liegt ein
    öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis nach SGB II vor.



3. Streit Maßnahmeträger – Leistungsträger


    Schwieriger gestaltet sich die Zuständigkeitsfrage bei Streit zwischen dem Maßnahmeträger und dem Leistungsempfänger, d.h. dem Arbeitslosen.

    Soweit in
    Zukunft von den Gerichten ein öffentlich-rechtliches Verhältnis auch zwischen dem Arbeitslosen und dem Maßnahmeträger angenommen wird, wären wohl ebenfalls die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig.
    Soweit die Gerichte aber das Vorliegen eines privat-rechtlichen Vertrages wegen arbeitnehmerähnlicher Person annehmen würden, käme die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts in Betracht. Für arbeitnehmerähnliche
    Personen sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig.

    Insbesondere diese Frage ist jedoch noch ungeklärt. Wer klagen will, muß sich entscheiden und beantragen, den Rechtsstreit bei
    Unzuständigkeit zum zuständigen Gericht zu verweisen. Dies gilt auch für Leonardo und sein Zeugnis sowie seinen Schmerzensgeldanspruch. Beide Ansprüche sind privatrechtlicher Art. Gleichwohl könnte bei einem
    öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Leonardo die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sein.



4. Streit Betriebsrat – Arbeitgeber


    Für die Streitigkeiten des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin wegen Mitbestimmungsfragen auch bezüglich Mitarbeiter in Arbeitsgelegenheiten sind stets
    die Gerichts für Arbeitssachen nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zuständig. Streitigkeiten über Mitbestimmungsfragen sind Zivilverfahren, die vor dem Arbeitsgericht im Rahmen eines Beschlußverfahrens abzuwickeln
    sind.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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