Folge 185

Ein-Euro-Job VIII



Der Fall


    Zähneknirschend haben die Ballettänzer Paris und Helena ihre Arbeitsgelegenheit als Schülerbetreuer in der Hauptschule aufgenommen. Sie möchten jedoch so
    schnell wir möglich Urlaub. Geht das?

    Die Arbeitsagentur hat Mozart gezwungen, die Grünanlagen um das Denkmal des gehaßten Konkurrenten Wagner zu pflegen. Mozart wird seelisch krank und erleidet eine
    Kompositionsblockade. Hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Schmerzensgeld?

    Leonidas und Ödipus wetteifern als Ein-Euro-Jobber im Kunstmuseum. Um ins Arbeitsverhältnis übernommen zu werden, leisten sie
    Überstunden ohne Ende. Als beide gleichwohl gehen müssen, wollen sie wenigstens Überstundenbezahlung. Sie meinen im Arbeitsverhältnis zu stehen. Das Kunstmuseum verweist auf die Arbeitsagentur und weigert sich.
    Die Arbeitsagentur hat aber keine Überstunden angeordnet.



Die Lösung



5. Mehraufwandsentschädigung


    Die Hauptpflichten im Vertragsverhältnis des Arbeitslosen und des Dritten/Maßnahmeträgers bestehen neben der Erbringung der Arbeitsleistung in der Zahlung
    der Mehraufwandsvergütung nach § 16 Abs. 3 SGB II. Diese Mehraufwandsvergütung ist vom Dritten zu zahlen, dem die Arbeitsleistung zugute kommt.

    Die Höhe der Mehraufwandsentschädigung (z.B. 1 Euro pro Stunde
    oder mehr)  muß bereits in der Eingliederungsvereinbarung oder dem entsprechenden Verwaltungsakt des Leistungsträgers (z.B. Arbeitsagentur) festgelegt werden. Diese Mehraufwandsentschädigung ist jedoch
    letztendlich Arbeitsvergütung. Sie soll den Mehraufwand abdecken, den der nunmehr werktätige Arbeitslose durch seine Arbeit hat, z.B. zusätzliche Fahrtkosten, einen erhöhten Verpflegungsaufwand, Arbeitskleidung,
    Reinigung der Arbeitskleidung u.ä.

    Die Fälligkeit der Mehraufwandsentschädigung kann vertraglich geregelt sein. Im übrigen gilt § 614 BGB, wonach üblicherweise nach Zeitabschnitten, d.h. am Monatsende die
    Entschädigung zu zahlen ist.




    Achtung:

    Bei den Arbeitsgelegenheiten wird kein Stundenlohn gezahlt. Deshalb gibt es entg

    egen der
    Ansicht von Leonidas und Ödipus keine Überstunden im eigentlichen Sinne.



    Sollte allerdings das Kunstmuseum als Maßnahmeträger die Dienste der beiden Arbeitslosen über
    die vertragliche Arbeitszeit hinaus in Anspruch genommen haben, so wäre jedenfalls die Mehraufwandsentschädigung pro zusätzlicher Stunde fortzuzahlen. Die Mühen von Leonidas und Ödipus wären nicht völlig
    vergebens gewesen.



6. Urlaub


    In § 16 Abs. 3 SGB II ist ausdrücklich geregelt, daß auf die Arbeitsgelegenheiten die Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes entsprechend anzuwenden sind.

    Dies bedeutet, daß nach § 3 Bundesurlaubsgesetz jährlich mindestens 24 Werktage als Urlaub zu gewähren wären, d.h. 4 Wochen Urlaub pro Jahr. Bei kürzerer Beschäftigung ist entsprechend zu reduzieren.

    Paris und Helena können also bei einer Vertragslaufzeit von 6 Monaten jeweils 2 Wochen Urlaub verlangen. Der Arbeitgeber ist allerdings berechtigt, vor der Urlaubsgewährung zunächst eine gewisse Arbeitsdauer zu
    verlangen. Bei der Urlaubsgewährung müssen die beiderseitigen Interessen nach billigem Ermessen abgewogen werden. Es empfiehlt sich dringend, in den Vertrag zwischen dem Leistungsempfänger und dem Dritten
    Urlaubsdauer und die Modalitäten der Urlaubsgewährung zu vereinbaren, um Streit zu vermeiden.



7. Krankheit/Krankenlohn


    Der Gesetzgeber hat sich zur Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle nicht geäußert. Er hat insbesondere das Entgeltfortzahlungsgesetz nicht
    ausdrücklich für Arbeitsgelegenheiten als anwendbar erklärt.

    Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß die allgemeinen Dienstleistungsvorschriften des BGB Anwendung finden, also § 616 BGB. Danach hat der
    zur Dienstleistung verpflichtete weiter Anspruch auf Vergütung, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit erkrankt.

    Nach § 25 SGB II muß das Arbeitslosengeld II bei Erkrankung des Beziehers bis
    zur Dauer von 6 Wochen vom Leistungsträger, z.B. der Arbeitsagentur weitergezahlt werden.

    Aus dieser Spezialvorschrift und aus § 616 BGB kann deshalb gefolgert werden, daß die Mehraufwandsentschädigung vom
    Dritten solange fortzuzahlen ist, wie der Arbeitslose nach § 25 SGB II Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, also für 6 Wochen. Der psychisch erkrankte Mozart kann also für 6 Wochen auf Weiterzahlung hoffen.

    Allerdings werden dies die Gerichte noch abschließend zu entscheiden haben.



8. Haftung bei Schadensverursachung


    Der Gesetzgeber hat die in Arbeitsgelegenheiten arbeitenden Arbeitslosen bei der Frage der Schadensverursachung und der Haftung mit den Arbeitsnehmern in §
    16 Abs. 3 Satz 2 SGB II gleichgestellt. Diese haften nur wie Arbeitnehmer, d.h. nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit in vollem Umfange für die verursachten Schäden. Bei leichtester Fahrlässigkeit haften sie
    für die Schäden nicht, bei mittlerer Fahrlässigkeit haften sie anteilig nach Quoten. Diese Quoten sind im einzelnen von den Gerichten festzusetzen und hängen von der Art des Verschuldens, den speziellen
    Vorgängen und der Schadenshöhe ab.

    Für Personenschäden im Betrieb bei Arbeitsverhältnissen gilt eine besondere Privilegierung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach §§ 104, 105 SGB VII. Danach haften für
    Personenschäden (Verletzungen des Körpers, der Gesundheit, der Psyche, Tod) bei betrieblichen Tätigkeiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur für vorsätzliche Handlungen. Im übrigen wird der Schaden durch die
    Berufsgenossenschaft abgewickelt.

    Diese privilegierenden Vorschriften dürften auch auf die Arbeitsgelegenheiten und die dabei beschäftigten Arbeitslosen und Maßnahmeträger anzuwenden sein. Dies folgt u.a.
    daraus, daß die Anspruchsberechtigten in das System der Berufsgenossenschaften gem. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII einbezogen sind.

    Schon aus diesem Grunde würde eine Schmerzensgeldforderung des seelisch
    erkrankten Mozart gegen den Maßnahmeträger ausscheiden. Schmerzensgeldforderungen von Mozart gegen den Leistungsträger (Arbeitsagentur etc.) entfallen, weil sich der Leistungsträger mit seiner Forderung nach
    Durchführung einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit nicht rechtswidrig schuldhaft verhalten hat. Mozart scheitert und muß gesunden.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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