Folge 184

Ein-Euro-Job VII



Der Fall


    Zähneknirschend haben die Ballettänzer Paris und Helena ihre Arbeitsgelegenheit als Schülerbetreuer in der Hauptschule aufgenommen. Sie möchten jedoch so
    schnell wir möglich Urlaub. Geht das?

    Die Arbeitsagentur hat Mozart gezwungen, die Grünanlagen um das Denkmal des gehaßten Konkurrenten Wagner zu pflegen. Mozart wird seelisch krank und erleidet eine
    Kompositionsblockade. Hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Schmerzensgeld?

    Leonidas und Ödipus wetteifern als Ein-Euro-Jobber im Kunstmuseum. Um ins Arbeitsverhältnis übernommen zu werden, leisten sie
    Überstunden ohne Ende. Als beide gleichwohl gehen müssen, wollen sie wenigstens Überstundenbezahlung. Sie meinen im Arbeitsverhältnis zu stehen. Das Kunstmuseum verweist auf die Arbeitsagentur und weigert sich.
    Die Arbeitsagentur hat aber keine Überstunden angeordnet.



Die Lösung



V. Verhältnis Leistungsempfänger – Dritte



2. Kein Arbeitsverhältnis


    Über das Rechtsverhältnis zwischen dem arbeitslosen Hilfeempfänger und dem Maßnahmeträger/Dritten hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 SGB II lediglich
    bestimmt, daß die Arbeitsgelegenheiten und die damit verbunden Arbeiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründen.

    Darüber hinaus hat er weiter bestimmt, daß die Vorschriften über den
    Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz jedoch entsprechend auf die Arbeitsgelegenheiten anzuwenden sind. Sofern der Arbeitslose Schäden bei der Ausübung seiner Arbeitsgelegenheit verursacht, haftet er nach
    dem Willen des Gesetzgebers nur wie Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis. Der Gesetzgeber hat jedoch nicht bestimmt, welcher Art das Rechtsverhältnis ist, das zwischen dem Leistungsempfänger und dem Dritten
    begründet wird und wie der Inhalt im Einzelnen aussieht. Dies muß hier und in den nächsten Folgen erörtert werden.



3. Rechtscharakter


    Sehr wichtig ist die Feststellung des Rechtscharakters der einzelnen Rechtsverhältnisse.

    Das Verhältnis zwischen dem Arbeitslosen und dem
    Leistungsträger/Arbeitsagentur etc. aufgrund des Eingliederungsvertrages oder aufgrund einer Arbeitszuweisung per Verwaltungsakt ist ein öffentlich-rechtliches Verhältnis. Hier wird ein Vertrag oder ein
    Verwaltungsakt aufgrund sozialrechtlicher Vorschriften umgesetzt.

    Viel schwieriger ist der Rechtscharakter des Vertrages zwischen dem Leistungsempfänger/Arbeitslosen und dem Dritten zu bestimmen. Klar ist
    nur, daß es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt, weil dies der Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 SGB II so bestimmt hat.

    Andererseits sind diverse Schutzgesetze zugunsten des Arbeitnehmers, z.B. der
    Arbeitsschutz, die Arbeitszeitordnung, aber auch das Bundesurlaubsgesetz zumindest analog anzuwenden. Bei der Begründung und Durchführung des Vertragsverhältnisses wie auch bei der Beendigung müssen im
    wesentlichen Vorschriften des BGB und analoge Regeln aus dem Arbeitsverhältnis angewandt werden.

    Der Rechtscharakter dieses Verhältnisses mit dem Dritten/Maßnahmeträger wird wegen der sozialrechtlichen
    Veranlassung z.T. als Sozialrechtsverhältnis mit öffentlich-rechtlichem Charakter gesehen. Dies hat gravierende Auswirkungen, weil dann die Rechtsstreitigkeiten generell vor dem Sozialgericht verhandelt werden
    müßten.

    Andererseits aber hat der Ein-Euro-Jobber mit dem Dritten ein Rechtsverhältnis, das in wichtigen Teilen ähnlich wie ein Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Da auch noch seine persönliche und
    wirtschaftliche Abhängigkeit hinzukommt, könnte man auch an ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis und damit an ein bürgerlich-rechtliches Rechtsverhältnis denken. Dafür wären evtl. die Arbeitsgerichte
    zuständig.

    Die Frage ist schwierig und muß zukünftig noch von den Gerichten beantwortet werden.



4. Arbeitspflicht


    Für die Durchführung der Hauptpflichten aus dem Vertragsverhältnis wie auch zur Begründung und Beendigung des Vertragsverhältnisses sind im wesentlichen
    die Vorschriften des BGB heranzuziehen.

    Die allgemeinen BGB-Vorschriften für die Begründung eines schuldrechtlichen Vertrages, für Mängel dieses Vertrages, Anfechtbarkeit usw. gelten vorliegend für die
    Vereinbarung zwischen dem Arbeitslosen und dem Maßnahmeträger.

    Die Durchführung der Hauptpflichten im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit folgt nach den Regeln des § 611 BGB. Der leistungsberechtigte Arbeitslose
    hat die Arbeitsleistung zu erbringen, die einerseits zwischen dem Arbeitslosen und der Arbeitsagentur, andererseits zwischen dem Arbeitslosen und dem Dritten vereinbart worden ist. Er muß diese Arbeitsleistung
    zuverlässig und so gut wie möglich erbringen.

    In vielen Fällen wird es so sein, daß die konkrete Erbringung der Arbeitsleistung vor Ort in der Eingliederungsvereinbarung nicht oder nicht vollständig geregelt
    ist. Aus diesem Grunde ist es wichtig, daß in der Vereinbarung zwischen dem Arbeitslosen und dem Dritten die Konkretisierung der Arbeitsleistung weiter vertraglich geregelt wird, vor allem die genaue Art und den
    genauen Inhalt der Arbeitsleistung, den Ort der Arbeitsleistung. Besonders wichtig ist die Regelung der Arbeitszeit, sowohl des Umfanges wie auch der Lage der Arbeitszeit.

    Wie bereits ausgeführt, könnte es
    unzumutbar sein, wenn ein Arbeitsloser im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit ganztags beschäftigt wird ohne einen entsprechenden finanziellen Ausgleich.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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