Folge 15

Einstellung: Assessment-Center

(Stand 2025)

Die Vielfalt der Testmöglichkeiten von Bewerbern für freie Arbeitsplätze ist nicht zu unterschätzen. Trotz Bewerbungsschreiben, Bewerbungsfragen zulässiger und unzulässiger Art, Einstellungsuntersuchungen, Vorlage
von Zeugnisse, Bewerbungsgesprächen, graphologischen Gutachten, psychologischen Gutachten, und selbst Genanalysen, werden immer neue Testmethoden gefunden.

Dazu gehört auch das sog. Assessment-Center oder vielleicht etwas verständlicher als Test- und Prüfungsseminar bezeichnet.


Der Fall:

Der Headhunter und Personal-Spürhund Willi Wacker stellt für ein Großunternehmen eine Bewerberschar zusammen. Drei Stellen sollen besetzt werden. Willy Wacker hat 20 Bewerber ausgesucht, darunter auch die studierte Diplom-Kauffrau Dr. Runhild Rotarius. Alle 20 Bewerber sollen an einem Konkurrenz-Seminar, genannt Assessment-Center teilnehmen.

Auf Befragen erklärte Willi Wacker der Bewerberin Dr. Runhild Rotarius, dass sie bei diesem 2-tägigen Assessment-Center in Konkurrenz mit den anderen Bewerbern beweisen und zeigen müsse, wer die beste Person ist. Für die drei Besten gibt es eine Stelle.

Muß sich das die Diplom-Kauffrau Dr. Runhild Rotarius antun?

Die Lösung:


1. Das Assessment-Center

Immer häufiger wird bei Bewerbungen um bessere Positionen bzw. bei Bewerbungen in Großunternehmen und Konzernen von den Bewerbern verlangt, dass sie anAssessmentCenter, Auswahlseminaren oder an Konkurrenzseminaren teilnehmen. Was ist das?

In diesen Seminaren oder Konkurrenzveranstaltungen werden Auswahlverfahren mit einer bestimmten Anzahl von Bewerbern
durchgeführt. Die Verfahren dienen der Feststellung von Verhalten, Leistungsvermögen, Konzentrationsvermögen, Phantasie, Flexibilität, Verhaltensdefiziten etc. Dabei werden mehrere Teilnehmer in der Regel
gleichzeitig von mehreren Prüfern beobachtet, überwacht und bewertet.

Es finden verschiedene Übungen, Rollenspiele, Befragungen und Gruppenauseinandersetzungen nach bestimmten Kriterien oder einem bestimmten Katalog statt.

Neben der Gruppenarbeit werden z.T. auch die Bewerber einzeln von mehreren Testern geprüft und bewertet bzw. betreut. Nach einem abschließenden Gespräch beurteilen dann die Prüfer die
Arbeitsergebnisse und legen eine Rangfolge der verschiedenen Konkurrenten fest.


2. Zulässigkeit/Grenzen

Die in der Wirtschaft heute durchaus verbreiteten Personalauswahlseminare (egal, wie sie sich nennen) sind vom Grundsatz her zulässig. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bewerber nur
auf ihre Fähigkeiten und auf ihre Eignung für den zu besetzenden Arbeitsplatz hin getestet werden. Zulässig wäre es auch, dass Bewerber für verschiedene Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmens oder eines
Konzerns getestet werden. Die Tests und Untersuchungen müssen jedoch letztendlich tätigkeits- und arbeitsplatzbezogen sein.

Generell ist deshalb der Veranstalter des Tests – hier der Headhunter Willi Wacker – verpflichtet, mit der Einladung der Bewerber über den Zweck und den Umfang eines solchen Seminars im Voraus zu informieren.

Diese vorangehende Informationspflicht ist insbesondere dann von großer Wichtigkeit, wenn im Rahmen des Seminars auch psychologische Tests durchgeführt werden. Bis zu einem gewissen Grad müssen die Bewerber damit rechnen, dass auch solche Psychotests in den Seminarablauf eingebaut sind.


3. Kosten

Die Kosten eines vom Arbeitgeber gewünschten Assessment-Centers oder ähnlicher Veranstaltungen sind nicht unerheblich. Regelmäßig müssen die Bewerber anreisen und für das Seminar übernachten.

Es gilt der Grundsatz: “Wer die Musik bestellt, bezahlt”. Dies bedeutet, dass die Kosten des Bewerbungsverfahrens generell der Arbeitgeber trägt, wenn nichts anderes vereinbart ist. Deshalb muss hier der Veranstalter Willi
Wacker der Teilnehmerin Dr. Runhild Rotarius die entstehenden Kosten begleichen.

Allerdings gibt es bei den Kosten immer wieder erheblichen Streit. Es empfiehlt sich deshalb, die Kostentragung von vorneherein
klarzustellen bzw. zu vereinbaren. Soweit der Veranstalter oder Arbeitgeber Kosten nicht tragen will, muss er den Bewerber vorher ausdrücklich darüber informieren.


4. Mitbestimmung des Betriebsrats

Willi Wacker besitzt als “progressiver” Headhunter keinen Betriebsrat. Eine Mitbestimmung des Betriebsrats entfällt deshalb in diesen Fällen.

Sofern ein derartiges Seminar vom Arbeitgeber selbst durchgeführt wird, sind Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ebenfalls nur schwierig zu fassen. Die Bewerber unterfallen nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im einzelnen.

Allerdings hat der Betriebsrat nach § 80 BetrVG die Pflicht, darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber Recht und Gesetz einhält. Er muss deshalb auch darauf achten, dass der Arbeitgeber bei der Durchführung des
Bewerbungsverfahrens oder Assessment-Centers Persönlichkeitsrechte des Bewerbers nicht verletzt.

Zur Durchführung dieser Rechte ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über das Assessment-Center und die Einzelheiten zu unterrichten.

Allerdings sind die Erstellung von Anforderungsprofilen als Grundlage für ein solches Seminar mitbestimmungsfrei. Anforderungsprofile sind nämlich keine Auswahlrichtlinien im Sinne von § 95 BetrVG.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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