Folge 147

Kündigungsschutzgesetz – Geltungsbereich I



Der Fall:


    Arbeitgeberin Elisabeth beschäftigt neben Butler Tony, dem Koch Charles und der Kammerzofe Diana noch den Chauffeur Monaco-Rainer, seine Tochter Caroline
    und den Reitlehrer August. Bislang hatten die Arbeitnehmer Kündigungsschutz.

    Elisabeth hört von der Neuregelung ab 1.1.2004 und der Anhebung der Kleinbetriebsklausel auf 10 Arbeitnehmer. Sie frohlockt und
    will den alten Monaco-Rainer und Reitmeister August entlassen, der zu sehr mit Diana liebäugelt.

    Muß sie das Arbeitsgericht fürchten? Haben August und Monaco-Rainer noch Kündigungsschutz?



Die Lösung:



1. § 1 KSchG Abs. 1 – Beschäftigungsdauer


    Nach § 1 Abs. 1 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz nur dann, wenn der Arbeitnehmer länger als 6 Monate in demselben Betrieb oder Unternehmen
    beschäftigt ist. Hieran hat sich mit der Novellierung zum 1.1.2004 nichts geändert. August und Monaco-Rainer erfüllen diese Voraussetzung.



2. § 23 Abs. 1 KSchG – Altfassung


    Weitere Bedingung für den Kündigungsschutz war bisher nach § 23 Abs. 1 KSchG die Beschäftigung von in der Regel mehr als 5 Arbeitnehmern. Es war bisher
    geregelt, daß der Kündigungsschutz des § 1 KSchG und der Folgevorschriften nicht galt:

    – Für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel 5 oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden
    beschäftigt wurden.

    – Bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer werden teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit
    0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt.

    Nach dieser Regelung hatten die Mitarbeiter der Elisabeth alle Kündigungsschutz, da 6 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Voraussetzung dafür war
    allerdings, daß diese Arbeitnehmer nicht teilzeitbeschäftigt wurden. Bei einer größeren Teilzeitquote wäre die Zahl der berücksichtigungsfähigen Arbeitnehmer auf 5 oder weniger gesunken. Damit wäre der
    Kündigungsschutz entfallen.



3. Neuregelung des § 23 Abs. 1 KSchG


    Der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 1.1.2004 dieser bestehenden Regelung neu hinzugefügt:

    “In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel 10
    oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften” … des Kündigungsschutzgesetzes außer den §§ 4-10, 13 KSchG … “nicht für
    Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat; diese Arbeitnehmer sind bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach Satz 2 bis zur Beschäftigung von in der Regel 10
    Arbeitnehmern nicht zu berücksichtigen.”

    Die von Gesetzgeber getroffene zusätzliche Neuregelung ist in ihrer Formulierung kompliziert und für den “Normalverbraucher” nur schwer verständlich. Sie ist deshalb
    erklärungsbedürftig. Dies soll in dieser und in den nächsten zwei Folgen geschehen.



4. Neuer Geltungsbereich


    Der Gesetzgeber wollte mit dieser Neuregelung Arbeitgebern in kleinen mittelständischen Betrieben die Neueinstellung von Mitarbeitern dadurch
    erleichtern, daß er den Kündigungsschutz der Arbeitnehmer zugunsten des Unternehmens verschoben hat.

    Allerdings sollten die Arbeitnehmer, die am 1.1.2004 schon Kündigungsschutz hatten, diesen Kündigungsschutz
    auch behalten. Voraussetzung dafür ist, daß die Arbeitnehmerzahl auch in Zukunft nicht auf 5 oder weniger Arbeitnehmer absinkt. Nur unter dieser Voraussetzung bleibt den Mitarbeitern, die schon im Betrieb waren
    und Kündigungsschutz genossen haben, dieser Kündigungsschutz auch erhalten.

    Ergebnis: Alle neueingestellten Arbeitnehmer bis zu einer Gesamtzahl von 10 Arbeitnehmern sollen keinen Kündigungsschutz erhalten.
    Bei der Zahl der 10 Arbeitnehmer ist – wie schon früher – zu berücksichtigen, daß teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer bis zu 30 Wochenstunden nur mit 0,75 und bis zu 20 Wochenstunden nur mit 0,5 berücksichtigt
    werden.



5. Beispiel 1:


    Elisabeth hatte nur 3 Arbeitnehmer beschäftigt. Diese hatten keinen Kündigungsschutz. Nach dem 1.1.2004 stellt sie 7 weitere Arbeitnehmer ein. Da die
    Zahl von 10 Arbeitnehmern nicht überschritten wird, bleibt es dabei, daß keiner der Arbeitnehmer im Betrieb Kündigungsschutz genießt.

    6. Beispiel 2:

    Arbeitgeberin Elisabeth hat bereits 6
    Vollzeit-Arbeitnehmer beschäftigt. Diese genießen nach der Altregelung Kündigungsschutz. Dieser Kündigungsschutz bleibt auch ab dem 1.1.2004 bestehen. Elisabeth stellt dann 4 weitere Arbeitnehmer ein. Diese
    Arbeitnehmer genießen keinen Kündigungsschutz mehr, da die Gesamtarbeitnehmerzahl nicht über 10 steigt.

    Fazit: Es gibt nun im Betrieb der Elisabeth einen gespaltenen Kündigungsschutz. Die Altarbeitnehmer
    behalten ihren Kündigungsschutz, während die Neuarbeitnehmer keinen Kündigungsschutz genießen. Dies fördert zwar nicht die Stimmung, ist vom Gesetzgeber aber so gewollt.



7. Beispiel 3:


    Nachdem Elisabeth ihre Arbeitnehmerzahl 2004 auf 10 erhöht hatte, kam der große Einbruch. Sie mußte betriebsbedingt 7 Arbeitnehmer entlassen.

    Fazit:
    Die verbleibenden 3 Alt-Arbeitnehmer verlieren nun auch ihren Kündigungsschutz, da das Absinken der Belegschaft auf regelmäßig 5 und weniger Arbeitnehmer auch nach der Altregelung (bis 31.12.2003) zum Verlust
    des Kündigungsschutzes führte. (Vergleiche zu dieser Problematik auch die übernächste Folge).

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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