Folge 144

Hilfe Kündigung – Arbeitspapiere (3)



Der Fall:


    Der unstete Arbeitnehmer Rainer Maria Rilke ist wieder einmal vor der Arbeit weggelaufen und verlangt am neuen Betätigungsort die Arbeitspapiere vom
    Arbeitgeber Hermann Hesse heraus. Hesse will die Papiere aber nicht hergeben, solange Rilke das ihm überlassene Werkzeug des Arbeitgebers und den mit Rilke “entwichenen” Dienstwagen nicht herausgibt. Er macht
    ein Zurückbehaltungsrecht geltend.

    Rilke will klagen. Vor welchem Gericht? Als er endlich ein obsiegendes Urteil hat, rührt sich Hermann Hesse nicht. Was kann Rilke tun, um die Papiere zu bekommen? Rilke
    meint auch, daß ihm eine Arbeitsstelle wegen der fehlenden Papiere entgangen sei. Er will Schadensersatz. Arbeitgeber Hesse behauptet dagegen, Rilke habe die Papiere bei ihm überhaupt nicht abgegeben. Die
    Papiere seien einfach nicht da. Was kann man tun?



Die Lösung



1. Zurückbehaltungsrecht?


    Arbeitgeber Hesse hat gegen den Arbeitnehmer Rilke einen Anspruch auf Herausgabe der Werkzeuge des Arbeitgebers. Erst recht hat er einen Anspruch auf
    ordnungsgemäße Rückgabe des Dienstwagens. Trotz dieser Gegenansprüche hat der Arbeitgeber aber kein Zurückbehaltungsrecht an den Arbeitspapieren des Arbeitnehmers. Arbeitgeber Hesse muß die Arbeitspapiere dem
    Arbeitnehmer trotz dieser Gegenansprüche herausgeben.

    Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers ist in den Sozialversicherungs- und Steuergesetzen ausgeschlossen. Die Papiere sind notwendig, damit
    insbesondere die öffentlich-rechtlichen Institutionen ihre Arbeit tun können. Die Arbeitspapiere sind auch erforderlich, um dem Arbeitnehmer den Antritt an einer anderen Arbeitsstelle zu ermöglichen und damit
    den Lebensunterhalt zu sichern. Sonst würde der Arbeitnehmer Rilke den öffentlichen Kassen zur Last fallen.



2. Klage?


    Gibt der Arbeitgeber Hesse die Papiere gleichwohl nicht heraus, so kann der Arbeitnehmer Rilke vor dem Arbeitsgericht auf Herausgabe der Arbeitspapiere
    klagen. Der Arbeitnehmer ist Eigentümer der Papiere. Der Arbeitgeber haftet schon aus bürgerlichem Recht auf deren Herausgabe.

    Der Anspruch erstreckt sich auch auf die Ausfüllung der Arbeitspapiere. Auch
    dafür ist zunächst das Arbeitsgericht zuständig.

    Achtung: Das Arbeitsgericht ist dagegen nicht für die Berichtigung diverser falsch ausgefüllter Arbeitspapiere zuständig!

    Für das richtige Ausfüllen der
    Urlaubsbescheinigung oder der Lohnnachweiskarte bleibt das Arbeitsgericht zuständig. Das richtige Ausfüllen der Arbeitsbescheinigungen für das Arbeitsamt nach § 312 SGB III muß jedoch beim Sozialgericht
    eingeklagt werden. Für die richtige Ausfüllung der Lohnsteuerkarte und des Steuerabzugs ist alleine das jeweilige Finanzgericht zuständig.



3. Zwangsgeld


    Hat Arbeitnehmer Rilke einen Titel, d.h. ein Urteil oder einen gerichtlichen Vergleich auf Herausgabe seiner genau bezeichneten Arbeitspapiere
    erstritten, so kann Rilke beim Arbeitsgericht die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Arbeitgeber Hermann Hesse beantragen, wenn dieser gleichwohl nicht reagiert. Das Gericht verhängt ein oder mehrere
    Zwangsgelder, bis der Arbeitgeber die Papiere ausgefüllt herausgibt. Hat er kein Geld mehr, so kann das Arbeitsgericht auf Antrag Zwangshaft anordnen. Wenn Rilke die Kosten der Zwangshaft vorstreckt, müßte
    Hermann Hesse auch in das Gefängnis gehen.

    Die Zwangsgelder kommen aber nicht dem Arbeitnehmer, sondern allein der Staatskasse zugute.



4. Schadensersatz


    Führt die verspätete Herausgabe der Arbeitspapiere oder des Zeugnisses zu einem nachweisbaren Schaden des Arbeitnehmers, kann der Arbeitnehmer
    Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitgeber diese Verzögerung zu vertreten oder verschuldet hat.

    Achtung: Entscheidend ist zum einen das Entstehen eines Schadens. Zum anderen muß der Arbeitnehmer beweisen,
    daß dieser Schaden kausal und schuldhaft vom säumigen Arbeitgeber verursacht worden ist. Das ist im Einzelfall allerdings sehr schwierig. Es muß z.B. beweisen, daß ihm eine bestimmte neue Arbeitsstelle nur
    deshalb verloren ging, weil die Arbeitspapiere fehlten.



5. Entschädigung


    Nach § 61 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz kann der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht für den Fall der Nichtherausgabe der Arbeitspapiere innerhalb einer
    bestimmten Frist auch die Verurteilung zu einer Entschädigungszahlung an den Arbeitnehmer beantragen. Die Höhe der Entschädigung setzt das Arbeitsgericht in freiem Ermessen fest. Sie ist mindestens an der Höhe
    des zu erwartenden Schadens orientiert.

    Diese Vorgehensweise ist für den Arbeitnehmer oft sehr günstig, da er sich ein aufwendiges Verfahren und die entsprechenden Beweisprobleme erspart. Allerdings kann er
    dann nicht mehr die Herausgabe der ordentlich ausgefüllten Papiere verlangen.



6. Ersatzpapiere


    Immer wieder wird bei Gericht vom Arbeitgeber eingewandt, daß der Arbeitnehmer die Papiere überhaupt nicht abgegeben hat, oder daß die Papiere spurlos
    verschwunden sind. Bei einem solchen Streit empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer, sich so schnell wie möglich Ersatzpapiere (Ersatzlohnsteuerkarte) zu besorgen und diese dann vom Arbeitgeber ausfüllen zu
    lassen. Dies verhindert einen langwierigen Prozeß und führt den Arbeitnehmer schneller und kostengünstiger zu seinem Ziel.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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