Der Fall:
Der unstete Arbeitnehmer Rainer Maria Rilke ist wieder einmal vor der Arbeit weggelaufen und verlangt am neuen Betätigungsort die Arbeitspapiere vom
Arbeitgeber Hermann Hesse heraus. Hesse will die Papiere aber nicht hergeben, solange Rilke das ihm überlassene Werkzeug des Arbeitgebers und den mit Rilke “entwichenen” Dienstwagen nicht herausgibt. Er macht
ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
Rilke will klagen. Vor welchem Gericht? Als er endlich ein obsiegendes Urteil hat, rührt sich Hermann Hesse nicht. Was kann Rilke tun, um die Papiere zu bekommen? Rilke
meint auch, daß ihm eine Arbeitsstelle wegen der fehlenden Papiere entgangen sei. Er will Schadensersatz. Arbeitgeber Hesse behauptet dagegen, Rilke habe die Papiere bei ihm überhaupt nicht abgegeben. Die
Papiere seien einfach nicht da. Was kann man tun?
Die Lösung
1. Zurückbehaltungsrecht?
Arbeitgeber Hesse hat gegen den Arbeitnehmer Rilke einen Anspruch auf Herausgabe der Werkzeuge des Arbeitgebers. Erst recht hat er einen Anspruch auf
ordnungsgemäße Rückgabe des Dienstwagens. Trotz dieser Gegenansprüche hat der Arbeitgeber aber kein Zurückbehaltungsrecht an den Arbeitspapieren des Arbeitnehmers. Arbeitgeber Hesse muß die Arbeitspapiere dem
Arbeitnehmer trotz dieser Gegenansprüche herausgeben.
Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers ist in den Sozialversicherungs- und Steuergesetzen ausgeschlossen. Die Papiere sind notwendig, damit
insbesondere die öffentlich-rechtlichen Institutionen ihre Arbeit tun können. Die Arbeitspapiere sind auch erforderlich, um dem Arbeitnehmer den Antritt an einer anderen Arbeitsstelle zu ermöglichen und damit
den Lebensunterhalt zu sichern. Sonst würde der Arbeitnehmer Rilke den öffentlichen Kassen zur Last fallen.
2. Klage?
Gibt der Arbeitgeber Hesse die Papiere gleichwohl nicht heraus, so kann der Arbeitnehmer Rilke vor dem Arbeitsgericht auf Herausgabe der Arbeitspapiere
klagen. Der Arbeitnehmer ist Eigentümer der Papiere. Der Arbeitgeber haftet schon aus bürgerlichem Recht auf deren Herausgabe.
Der Anspruch erstreckt sich auch auf die Ausfüllung der Arbeitspapiere. Auch
dafür ist zunächst das Arbeitsgericht zuständig.
Achtung: Das Arbeitsgericht ist dagegen nicht für die Berichtigung diverser falsch ausgefüllter Arbeitspapiere zuständig!
Für das richtige Ausfüllen der
Urlaubsbescheinigung oder der Lohnnachweiskarte bleibt das Arbeitsgericht zuständig. Das richtige Ausfüllen der Arbeitsbescheinigungen für das Arbeitsamt nach § 312 SGB III muß jedoch beim Sozialgericht
eingeklagt werden. Für die richtige Ausfüllung der Lohnsteuerkarte und des Steuerabzugs ist alleine das jeweilige Finanzgericht zuständig.
3. Zwangsgeld
Hat Arbeitnehmer Rilke einen Titel, d.h. ein Urteil oder einen gerichtlichen Vergleich auf Herausgabe seiner genau bezeichneten Arbeitspapiere
erstritten, so kann Rilke beim Arbeitsgericht die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Arbeitgeber Hermann Hesse beantragen, wenn dieser gleichwohl nicht reagiert. Das Gericht verhängt ein oder mehrere
Zwangsgelder, bis der Arbeitgeber die Papiere ausgefüllt herausgibt. Hat er kein Geld mehr, so kann das Arbeitsgericht auf Antrag Zwangshaft anordnen. Wenn Rilke die Kosten der Zwangshaft vorstreckt, müßte
Hermann Hesse auch in das Gefängnis gehen.
Die Zwangsgelder kommen aber nicht dem Arbeitnehmer, sondern allein der Staatskasse zugute.
4. Schadensersatz
Führt die verspätete Herausgabe der Arbeitspapiere oder des Zeugnisses zu einem nachweisbaren Schaden des Arbeitnehmers, kann der Arbeitnehmer
Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitgeber diese Verzögerung zu vertreten oder verschuldet hat.
Achtung: Entscheidend ist zum einen das Entstehen eines Schadens. Zum anderen muß der Arbeitnehmer beweisen,
daß dieser Schaden kausal und schuldhaft vom säumigen Arbeitgeber verursacht worden ist. Das ist im Einzelfall allerdings sehr schwierig. Es muß z.B. beweisen, daß ihm eine bestimmte neue Arbeitsstelle nur
deshalb verloren ging, weil die Arbeitspapiere fehlten.
5. Entschädigung
Nach § 61 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz kann der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht für den Fall der Nichtherausgabe der Arbeitspapiere innerhalb einer
bestimmten Frist auch die Verurteilung zu einer Entschädigungszahlung an den Arbeitnehmer beantragen. Die Höhe der Entschädigung setzt das Arbeitsgericht in freiem Ermessen fest. Sie ist mindestens an der Höhe
des zu erwartenden Schadens orientiert.
Diese Vorgehensweise ist für den Arbeitnehmer oft sehr günstig, da er sich ein aufwendiges Verfahren und die entsprechenden Beweisprobleme erspart. Allerdings kann er
dann nicht mehr die Herausgabe der ordentlich ausgefüllten Papiere verlangen.
6. Ersatzpapiere
Immer wieder wird bei Gericht vom Arbeitgeber eingewandt, daß der Arbeitnehmer die Papiere überhaupt nicht abgegeben hat, oder daß die Papiere spurlos
verschwunden sind. Bei einem solchen Streit empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer, sich so schnell wie möglich Ersatzpapiere (Ersatzlohnsteuerkarte) zu besorgen und diese dann vom Arbeitgeber ausfüllen zu
lassen. Dies verhindert einen langwierigen Prozeß und führt den Arbeitnehmer schneller und kostengünstiger zu seinem Ziel.