Der Fall:
  
 
  
   Rainer Maria Rilke hat bei seinem Arbeitgeber Hermann Hesse fristlos gekündigt, da sich dieser seit Monaten im Lohnrückstand befindet. Rilke bewirbt sich
                                    um eine neue Stelle. Er braucht dringend seine Papiere und ein Zeugnis.
   
   Rainer Maria Rilke ist es unklar, welche Papier er von dem Arbeitgeber Hesse verlangen kann und verlangen muß, wie diese Papiere
                                    auszufüllen sind und wie sich die Papiere auf das zunächst benötigte Arbeitslosengeld auswirken.
  
 
 
  
   Die Lösung
  
 
 
  
   1. Anspruchsgrundlage
  
 
  
   Rainer Maria Rilke hat einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausfüllung und Herausgabe der Arbeitspapiere durch den Arbeitgeber Hesse aus dem Arbeitsvertrag.
                                    Es handelt sich hierbei um eine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers.
   
   Der Herausgabeanspruch ergibt sich im übrigen auch aus dem Eigentumsrecht des Arbeitnehmers. Durch die Übergabe der Papiere, z.B.
                                    der Lohnsteuerkarte, erwirbt der Arbeitgeber kein Eigentum an den Papieren.
  
 
 
  
   2. Lohnsteuerkarte
  
 
  
   In die Lohnsteuerkarte muß der Arbeitgeber die gesamte an den Arbeitnehmer in dem entsprechenden Kalenderjahr gezahlte Arbeitsvergütung eintragen.
                                    Allerdings ist nur die tatsächlich gezahlte Vergütung einzutragen, nicht die Vergütung, die vielleicht geschuldet wäre, aber nicht gezahlt wurde.
   
   Nach dem Zuflußprinzip muß in die Lohnsteuerkarte immer die
                                    Vergütung eingetragen werden, die in dem jeweiligen Kalenderjahr tatsächlich geflossen ist. Werden z.B. im Jahr 2003 Nachzahlungen für 2002 geleistet, so ist die Nachzahlung gleichwohl in die Lohnsteuerkarte
                                    2003 einzutragen.
   
   Die Lohnsteuerkarte ist von großer Bedeutung für die Einkommensteuererklärung oder den Lohnsteuerjahresausgleich. Außerdem braucht Rilke die Lohnsteuerkarte, wenn er ein neues
                                    Arbeitsverhältnis begründen will. Der neue Arbeitgeber muß wissen, in welcher Lohnsteuerklasse er abrechnen muß. Gibt der Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte nicht heraus oder füllt er sie nicht aus, so muß der
                                    Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht auch auf Herausgabe und Ausfüllung klagen.
   
   Sollte allerdings der Arbeitgeber falsche Lohnbeträge und falsche Steuern in die Karte eingetragen haben, so wäre für einen
                                    Rechtsstreit um richtige Ausfüllung das entsprechende Finanzgericht zuständig.
  
 
 
  
   3. Sozialversicherungsnachweis
  
 
  
   Der Arbeitgeber muß die im einzelnen abgeführten Sozialversicherungsbeiträge in den Sozialversicherungsnachweis exakt eintragen. Die Belege sind den
                                    zuständigen Stellen zu übersenden. Der Versicherungsnachweis, evtl. der Versicherungsausweis sind dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dieser braucht sie z.B. für die spätere Rentenberechnung.
  
 
 
  
   4. Arbeitsbescheinigung
  
 
  
   Der Arbeitgeber Hesse muß nach § 312 SGB III den Arbeitgeber eine Bescheinigung durch das Arbeitsamt ausfüllen. Die Arbeitsbescheinigung dient dazu, das
                                    Arbeitsamt in die Lage zu versetzen, den Arbeitslosengeldanspruch des Klägers zu prüfen, die Arbeitslosengeldhöhe zu berechnen und ggf. über ein Ruhen des Arbeitslosengeldes oder eine Sperrfrist zu entscheiden.
   
   Der Arbeitnehmer muß ein entsprechendes Formular beim Arbeitsamt besorgen und dem Arbeitgeber übergeben. Dann muß der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung sorgfältig und wahrheitsgemäß ausfüllen.
   
   Trägt
                                    der Arbeitgeber Tatsachen ein, die eine Sperrfrist für den Bezug des Arbeitslosengeldes rechtfertigen, so muß er damit rechnen, daß der Arbeitnehmer Widerspruch beim Arbeitsamt gegen einen Sperrbescheid einlegt.
                                    Es kann dann zu sozialgerichtlichen Auseinandersetzungen kommen, in denen Arbeitgeber Hesse als Zeuge vernommen wird.
   
   Beispiele: Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung, einer vom Arbeitnehmer
                                    verschuldeten Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Vertragspflichtverletzung oder im Falle einer freiwilligen Aufgabe des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer per Auflösungsvertrag oder
                                    Eigenkündigung muß nach § 144 Abs. 1 SGB III mit einer Sperrfrist gerechnet werden.
   
   Füllt der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung nicht richtig aus, so kann er sich ggf. schadenersatzpflichtig gegenüber dem
                                    Arbeitnehmer oder dem Arbeitsamt machen.
   
   Wird das Arbeitsverhältnis im Streit beendet, so gibt es oft auch Streit über die richtige Ausstellung der Arbeitsbescheinigungen. Dies betrifft insbesondere den
                                    Beendigungsgrund (betriebsbedingte oder verhaltensbedingte oder krankheitsbedingte Kündigung oder Auflösungsvertrag).
   
   Für das Ausfüllen der Arbeitsbescheinigung an sich ist das Arbeitsgericht zuständig. Für
                                    das “richtige Ausfüllen” der Arbeitsbescheinigung ist dagegen das Sozialgericht zuständig. Dort muß beim Streit über den Inhalt geklagt werden.
   
   Der Arbeitgeber übergibt die Arbeitsbescheinigung entweder dem
                                    Arbeitnehmer oder schickt sie direkt an das Arbeitsamt.