(Stand 2025)
Im Zeitalter des Fortschritts und der Hochtechnologie entschlüsseln Wissenschaftler mittlerweile selbst die Gene der Menschen. Über die DNA-Analyse soll der Inhalt der Menschen vom Charakter bis zur
Krankheitsdisposition offengelegt werden.
Dies wollen sich mittlerweile immer mehr Arbeitgeber für die Besetzung wichtiger Posten zunutze machen. Bewerber müssen sich deshalb teilweise schon einer solchen Genom-Analyse unterwerfen.
Der Fall:
Bewerber Jack Klemm bewirbt sich auf die Stelle eines Abteilungsleiters. Arbeitgeber Willi Modell will nur Führungskräfte einstellen, die weder gesundheitliche noch charakterliche Risiken aufweisen.
Deshalb besteht er darauf, dass Jack Klemm vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages in eine Gen-Analyse einwilligt. Damit soll sein genetisches Material untersucht und dem Willi Modell offenbart werden. Jack Klemm ist verunsichert und befürchtet die Offenlegung seiner dunkleren Charakterseiten. Er sträubt sich und weiß nicht, was auf ihn zukommt. Er fragt den Betriebsrat, ob ein Missbrauch möglich ist. Auch der Betriebsrat hat keine Ahnung.
Die Lösung:
1. Inhalt der Analyse
Die genetische Analyse (Genom-Analyse) beinhaltet Untersuchungsmethoden, aufgrund derer ein Rückschluß auf die Struktur oder die Funktion von Genen möglich ist. Dabei gibt es
verschiedene Untersuchungsmethoden.
Über eine solche Genanalyse können vor allem bestimmte Veranlagungen und Dispositionen im erblichen Bereich ermittelt werden. Für den Arbeitgeber ist besonders interessant die Frage nach einer bestimmten genetischen Krankheitsanfälligkeit. Durch die Gen-Analyse können mittlerweile mehrere 100 Erbkrankheiten festgestellt werden. Mittlerweile ist durch weitere Forschungen insbesondere in den USA das Gen-Material zu fast 100 % entschlüsselt worden.
Dies bedeutet, daß aufgrund neuer Untersuchungsmethoden in Zukunft mit immer weitergehenderen Ergebnissen gerechnet werden darf.
Das Interesse des Arbeitgebers Willi Modell an einer solchen Genanalyse besteht insbesondere darin, mittels genetischer Erkenntnisse, die körperliche, gesundheitliche oder psychische Belastbarkeit eines
Arbeitnehmers oder entsprechende Defekte, Veranlagungen oder Gefahren zu erkennen.
2. Zulässigkeit der Analyse
Bei der Bewerbung eines Arbeitnehmers ist das Fragerecht und die Untersuchungsmöglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt. Arbeitgeber Modell darf die Fähigkeiten des Jack Klemm betreffend den Arbeitsplatz erfragen und ggf. auch testen. Er darf auch prüfen, ob aktuell Krankheiten vorliegen und ob zu befürchten ist, ob durch diese Krankheiten die Eignung des Bewerbers für diese Tätigkeiten ganz oder teilweise eingeschränkt ist. Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers bezieht sich also grundsätzlich nur auf die gesundheitliche Verfassung und auf die Fähigkeiten des Bewerbers zum Zeitpunkt der Vorstellung bzw. der Einstellung.
Ein weitergehendes Fragerecht besteht nicht. Deshalb ist es generell unzulässig, einen Bewerber genetisch zu untersuchen und nachzuforschen, ob zukünftige Erkrankungen, zukünftige körperliche, psychische oder sonstige Defekte auftreten können bzw. ob entsprechende Veranlagungen vorhanden sind. Willi Modell hat also kein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wie Jack Klemm genetisch gestaltet ist.
Jack Klemm müsste damit rechnen, dass bei einer solchen Genom-Analyse Dinge aufgedeckt werden, die den Arbeitgeber absolut nichts angehen. Verlangt Willi Modell gleichwohl eine solche Untersuchung, so handelt er grob rechtswidrig. Der Bewerber Klemm darf und muss eine solche Untersuchung ablehnen.
3. Schadenersatz
Lehnt Jack Klemm eine solche Gen-Analyse ab, so wird er im Zweifel die Stelle nicht erhalten. Ein Schadenersatzanspruch von Jack Klemm besteht jedoch in diesen Fällen generell nicht. Der Arbeitgeber hat noch nicht rechtswidrig gehandelt.
Anders könnte es sein, wenn sich Jack Klemm mit der Genanalyse zwar einverstanden erklärt hat. Trotz des Einverständnisses kann – je nach Umfang der Genanalyse – sein Persönlichkeitsrecht verletzt worden sein. Es muss auch geprüft werden, ob Willi Modell den Bewerber ausreichend über den Umfang der Untersuchung informiert hat oder nicht. Geht die Untersuchung zu weit, könnte der dann doch abgelehnte Bewerber Jack Klemm ggf. einen Schadenersatz- oder Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts gegen Willi Modell geltend machen. Das könnte gegeben sein, wenn die Untersuchung über die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder über das vereinbarte Maß hinaus gehen.
4. Betriebsrat
Der Betriebsrat ist generell für den Bewerber noch nicht zuständig, da der Bewerber sich noch nicht im Arbeitsverhältnis befindet. Gleichwohl ist aber der Betriebsrat verpflichtet, auf ein ordnungsgemäßes Bewerbungsverfahren zu achten.
Der Betriebsrat hat nach § 80 BetrVG das Recht und die Pflicht, darauf zu achten, dass im Betrieb die bestehenden Gesetze und Rechtsvorschriften eingehalten werden. Das Verlangen des Arbeitgebers Modell auf Durchführung von Genanalyse bei Bewerbern kann einen gravierenden Rechtsbruch darstellen. Deshalb kann der Betriebsrat hier den Arbeitgeber verpflichten, solche Analysen zu unterlassen. Ist der Arbeitgeber Modell damit nicht einverstanden, so kann der Betriebsrat evtl. vor dem Arbeitsgericht die Unzulässigkeit solcher Methoden feststellen lassen.
5. Herausgabe/Vernichtung
Hat der Arbeitgeber eine unzulässige Genanalyse vorgenommen, so darf er diese generell nicht verwenden. Gleichwohl ist die Missbrauchsgefahr groß.
Aus diesem Grunde kann der Bewerber Jack Klemm immer verlangen, dass die auf rechtswidrige Weise ermittelten Analysen an ihn herausgegeben werden. Zumindest aber ist Willi Modell verpflichtet, diese Analysen zu vernichten und dem Jack Klemm einen Nachweis der Vernichtung zu erbringen.