Folge 14

Einstellung: Gentest bei Bewerbern



Im Zeitalter des Fortschritts und der Hochtechnologie entschlüsseln Wissenschaftler mittlerweile selbst die Gene der Menschen. Über die DNA-Analyse soll der Inhalt der Menschen vom Charakter bis zur
Krankheitsdisposition offengelegt werden.

Dies wollen sich mittlerweile immer mehr Arbeitgeber für die Besetzung wichtiger Posten zunutze machen. Bewerber müssen sich deshalb teilweise schon einer solchen
Genom-Analyse unterwerfen.



Der Fall:

    Bewerber Jack Klemm bewirbt sich auf die Stelle eines Abteilungsleiters. Arbeitgeber Willi Modell will nur Führungskräfte einstellen, die weder gesundheitliche noch charakterliche
    Risiken aufweisen.

    Deshalb besteht er darauf, daß Jack Klemm vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages in eine Gen-Analyse einwilligt. Damit soll sein genetisches Material untersucht und dem Willi Modell
    offenbart werden. Jack Klemm ist verunsichert und befürchtet die Offenlegung seiner dunkleren Charakterseiten. Er sträubt sich und weiß nicht, was auf ihn zukommt. Er fragt den Betriebsrat, ob ein Mißbrauch
    möglich ist. Auch der Betriebsrat hat keine Ahnung.



Die Lösung:


1. Inhalt der Analyse

    Die genetische Analyse (Genom-Analyse) beinhaltet Untersuchungsmethoden, aufgrund derer ein Rückschluß auf die Struktur oder die Funktion von Genen möglich ist. Dabei gibt es
    verschiedene Untersuchungsmethoden.

    Über eine solche Genanalyse können vor allem bestimmte Veranlagungen und Dispositionen im erblichen Bereich ermittelt werden. Für den Arbeitgeber ist besonders interessant
    die Frage nach einer bestimmten genetischen Krankheitsanfälligkeit. Durch die Gen-Analyse können mittlerweile mehrere 100 Erbkrankheiten festgestellt werden. Mittlerweile ist durch weitere Forschungen
    insbesondere in den USA das Gen-Material zu fast 100 % entschlüsselt worden.

    Dies bedeutet, daß aufgrund neuer Untersuchungsmethoden in Zukunft mit immer weitergehenderen Ergebnissen gerechnet werden darf.
    Das Interesse des Arbeitgebers Willi Modell an einer solchen Genanalyse besteht insbesondere darin, mittels genetischer Erkenntnisse, die körperliche, gesundheitliche oder psychische Belastbarkeit eines
    Arbeitnehmers oder entsprechende Defekte, Veranlagungen oder Gefahren zu erkennen.


2. Zulässigkeit der Analyse

    Bei der Bewerbung eines Arbeitnehmers ist das Fragerecht und die Untersuchungsmöglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt. Modell darf die Fähigkeiten des Jack Klemm betreffend den
    Arbeitsplatz erfragen und ggf. auch testen. Er darf auch prüfen, ob aktuell Krankheiten vorliegen und ob zu befürchten ist, ob durch diese Krankheiten die Eignung des Bewerbers für diese Tätigkeiten ganz oder
    teilweise eingeschränkt ist. Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers bezieht sich also grundsätzlich nur auf die gesundheitliche Verfassung und auf die Fähigkeiten des Bewerbers zum Zeitpunkt der Vorstellung
    bzw. der Einstellung.

    Ein weitergehendes Fragerecht besteht nicht. Deshalb ist es generell unzulässig, einen Bewerber genetisch zu untersuchen und nachzuforschen, ob zukünftige Erkrankungen, zukünftige
    körperliche, psychische oder sonstige Defekte auftreten können bzw. ob entsprechende Veranlagungen vorhanden sind. Sauberle hat also kein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, wie Jack Klemm genetisch
    gestaltet ist.

    Jack Klemm müßte damit rechnen, daß bei einer solchen Genom-Analyse Dinge aufgedeckt werden, die den Arbeitgeber absolut nichts angehen. Verlangt Willi Modell gleichwohl eine solche
    Untersuchung, so handelt er grob rechtswidrig. Der Bewerber Klemm darf und muß eine solche Untersuchung ablehnen.


3. Schadenersatz

    Lehnt Jack Klemm eine solche Gen-Analyse ab, so wird er im Zweifel die Stelle nicht erhalten. Ein Schadenersatzanspruch von Jack Klemm besteht jedoch in diesen Fällen generell nicht. Der
    Arbeitgeber hat noch nicht rechtswidrig gehandelt.

    Anders könnte es sein, wenn sich Jack Klemm mit der Genanalyse einverstanden erklärt hat. Trotz des Einverständnisses kann – je nach Umfang der Genanalyse –
    sein Persönlichkeitsrecht verletzt worden sein. Es muß auch geprüft werden, ob Willi Modell den Ekel ausreichend informiert hat oder nicht. In diesem Falle könnte der dann doch abgelehnte Bewerber Jack Klemm
    ggf. einen Schadenersatz- oder Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts gegen Willi Modell geltend machen.


4. Betriebsrat

    Der Betriebsrat ist generell für den Bewerber noch nicht zuständig, da der Bewerber sich noch nicht im Arbeitsverhältnis befindet. Gleichwohl ist aber der Betriebsrat verpflichtet, auf
    ein ordnungsgemäßes Bewerbungsverfahren zu achten. Der Betriebsrat hat nach § 80 BetrVG das Recht und die Pflicht, darauf zu achten, daß im Betrieb die bestehenden Gesetze und Rechtsvorschriften eingehalten
    werden. Das Verlangen des Arbeitgebers Modell auf Durchführung von Genanalyse bei Bewerbern kann einen gravierenden Rechtsbruch darstellen. Deshalb kann der Betriebsrat hier den Arbeitgeber verpflichten, solche
    Analysen zu unterlassen. Ist der Arbeitgeber Modell damit nicht einverstanden, so kann der Betriebsrat evtl. vor dem Arbeitsgericht die Unzulässigkeit solcher Methoden feststellen lassen.


5. Herausgabe/Vernichtung

    Hat der Arbeitgeber eine unzulässige Genanalyse vorgenommen, so darf er diese generell nicht verwenden. Gleichwohl ist die Mißbrauchsgefahr groß.

    Aus diesem Grunde kann der Bewerber
    Jack Klemm immer verlangen, daß die auf rechtswidrige Weise ermittelten Analysen an ihn herausgegeben werden. Zumindest aber ist Willi Modell verpflichtet, diese Analysen zu vernichten und dem Jack Klemm einen
    Nachweis der Vernichtung zu erbringen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.