Der Fall:
Arbeitgeber Gottlob kündigt dem Techniker Gryphius betriebsbedingt wegen Wegfalls aller Technikerarbeitsplätze. Allerdings war der Arbeitsplatz eines
Facharbeiters in Werk 2 zu besetzen. Die Vergütung war 500 Euro monatlich geringer. Gryphius wäre bereit, dort weiterzuarbeiten, statt arbeitslos zu sein.
Arbeitnehmer Friedrich Schiller wird von Gottlob
wegen ständigen Zuspätkommens gekündigt. Außerdem wirft Gottlob ihm das Mobbing des Vorgesetzten Goethe vor. Er habe sogar Kollegen zum “Rudelmobbing” gegenüber Goethe angestiftet.
Friedrich Schiller hält den
Vorwurf für nicht gravierend. Es reiche eine Abmahnung oder eine Versetzung in eine andere Abteilung.
Die Teilzeitangestellte Annette von Droste soll gekündigt werden, weil ihr Arbeitsplatz in einen
Vollzeitarbeitsplatz umgewandelt wird. Sie wäre auch willens, Vollzeit zu arbeiten.
Die Lösung
1. Abmahnung vor Kündigung
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Kündigung nur die “ultima ratio”, d.h. das letzte Mittel zur Lösung von Konflikten im Arbeitsverhältnis. Der
Arbeitgeber muß deshalb alles versuchen, den Konflikt zunächst auf andere Weise unter Abwägung der berechtigten beiderseitigen Interessen zu lösen. Dies bedeutet, daß im Falle von Vertragsverletzungen zunächst
stets eine Abmahnung in Betracht kommt, wenn die Verletzungshandlungen nicht so gravierend sind, daß eine Weiterbeschäftigung unzumutbar wird.
Friedrich Schiller ist wegen Zuspätkommens zunächst abzumahnen,
bevor eine Kündigung ausgesprochen wird.
2. Versetzung geht vor Kündigung
Der Fall des Mobbings durch Friedrich Schiller gegenüber dem Vorgesetzten Goethe und gar der Vorwurf der Anstiftung zum “Rudelmobbing” ist deutlich
schwerwiegender. Eine Abmahnung könnte nicht ausreichend sein, wenn die Verletzungen im menschlichen und betrieblichen Bereich bereits so groß sind, daß eine Abmahnung bestimmte Gegebenheiten nicht mehr
auszuräumen vermag. Aus diesem Grunde geht die Rechtsprechung davon aus, daß in solchen Fällen der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung zunächst einmal prüfen muß, ob die Möglichkeit der Versetzung des
Mitarbeiters in eine andere Abteilung besteht. Sollte die Versetzung in eine andere Abteilung den Konflikt lösen, wäre diese Lösung als die weniger einschneidende Maßnahme vom Arbeitgeber zu wählen.
Im Falle
von Friedrich Schiller könnte allein schon die persönliche Animosität gegenüber Goethe zum Mobbing geführt haben. Deshalb muß Arbeitgeber Gottlob die Versetzungsmöglichkeit prüfen. Tut er das nicht, riskiert er
die Unwirksamkeit der Kündigung.
3. Änderungskündigung vor Beendigungskündigung
Weil die Kündigung die einschneidendste Maßnahme im Arbeitsverhältnis ist, muß der Arbeitgeber zunächst die weniger belastende Maßnahme wählen.
Dies
kann auch die Vornahme einer Änderungskündigung sein, bevor der Arbeitnehmer durch Beendigungskündigung ganz aus dem Betrieb entfernt wird.
Gerade im Bereich der betriebsbedingten Notwendigkeiten ist stets
die Möglichkeit einer Änderungskündigung statt der Beendigungskündigung vom Arbeitgeber zu prüfen.
Wenn ein freier, zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist, ist der Arbeitnehmer zunächst an diesen freien
Arbeitsplatz zu versetzen. Sofern diese Versetzung mit der Veränderung erheblicher Umstände verbunden ist, insbesondere mit einer Veränderung der Arbeitsaufgabe oder einer Verdienstminderung, kann die Versetzung
im Wege der Änderungskündigung erfolgen.
Im Falle des Technikers Gryphius hätte Arbeitgeber Gottlob zunächst den Gryphius fragen müssen, ob er mit einer solchen Versetzung einverstanden ist oder ihm gegenüber
eine entsprechende Änderungskündigung aussprechen müssen.
Da hier ein freier Arbeitsplatz in Werk 2 vorhanden war, mit dessen Besetzung der Arbeitnehmer einverstanden gewesen ist, geht die Änderungskündigung
der Beendigungskündigung vor. Die Beendigungskündigung des Gryphius ist rechtsunwirksam.
Ähnliches gilt im Falle der Teilzeitangestellten Annette von Droste-Hülshoff. Der Arbeitsplatz ist hier nicht
weggefallen. Vielmehr soll die Arbeitszeit erhöht werden. In solchen Fällen ist es durchaus denkbar, daß die betroffenen Teilzeitarbeitnehmer mit einer Erhöhung ihrer Arbeitszeit einverstanden sind. Der
Arbeitgeber muß diese Möglichkeit zunächst prüfen, oder zumindest eine Änderungskündigung aussprechen, worin er neben der Beendigungskündigung der Arbeitnehmerin die Weiterbeschäftigung mit einem
Vollzeitarbeitsplatz anbietet. Da Arbeitgeber Gottlob dies nicht getan hat, ist auch die Kündigung gegenüber Annette rechtsunwirksam.