Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung und in Vorstellungsgesprächen ist nicht unbegrenzt. Es muß insbesondere vermieden werden, daß der “gläserne Arbeitnehmer” hergestellt wird. Der Arbeitgeber
muß alle Fragen unterlassen, die nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und für die Erbringung der Arbeitsleistung nicht von Bedeutung sind.
Der Fall:
Arbeitgeber Otto Hering will nur charakterlich einwandfreie, fleißige, staatstreue und formbare Arbeitnehmer einstellen. Deshalb verlangt er von dem Bewerber Max Hinkel, daß er sich
“auszieht”. Bei Frauen fragt Ole Hering nach der Schwangerschaft, Männer nach der HIV-Infektion. Vorstrafen müssen ebenso benannt werden, wie die Gewerkschaftszugehörigkeit, die Zugehörigkeit zu einer Partei,
ebenso wie ehrenamtliche Tätigkeiten im Verein, insbesondere welchem Verein!
Ole Hering will auch die Vermögensverhältnisse des Max Hinkel wissen, seine Schulden, seinen Kontenstand und Vermögen.
Max
Hinkel wird ganz plümerant zumute. Er mimt einen Schwächeanfall, zieht sich zurück und fragt auf der Toilette leise den Betriebsrat, ob denn das alles zulässig sei. Auch der Betriebsrat Ungerührt ist sprachlos.
Doch auch er weiß keine Antwort.
Was darf Ole Hering nun fragen?
Die Lösung:
7. Krankheiten
Fragen nach Krankheiten des Bewerbers und nach dem Gesundheitszustand sind nur zulässig, soweit durch Krankheiten die Arbeitsfähigkeit des Bewerbers stark beeinträchtigt ist. Fragen sind
auch zulässig, soweit der Arbeitnehmer ansteckende und andere Kollegen gefährdende Krankheiten aufweist.
Die Frage nach einer HIV-Ansteckung ist generell nicht zulässig. Sie könnte ausnahmsweise im Bereich
des Gesundheitswesens oder in der Lebensmittelverarbeitung zulässig sein, falls Mitarbeiter Patienten- und Blutkontakt haben könnten.
Der Arbeitgeber darf insbesondere nicht nach kleineren früheren
Erkrankungen, nach Kinderkrankheiten etc. fragen.
8. Vorstrafen/Führungszeugnis
Der Arbeitgeber darf nicht generell ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen oder nach Vorstrafen aller Art fragen.
Die Frage nach Vorstrafen ist nur zulässig, soweit die
Vorstrafen die vertraglich geschuldete Tätigkeit betreffen können. Sie ist außerdem nur zulässig bezüglich der Delikte, die noch nicht nach §§ 49, 51 Bundeszentralregistergesetz getilgt sind. Im Register
getilgte Strafen müssen nicht genannt werden.
Die für ein Beschäftigungsverhältnis einschlägigen Vorstrafen müssen jedoch auf Fragen des Arbeitgebers bekanntgegeben werden. So muß z.B. ein Bankkassierer oder
ein Vermögensverwalter Fragen nach Vorstrafen wegen Vermögensdelikten bekennen, ein Kraftfahrer muß Vorstrafen wegen Verkehrsstrafen preisgeben.
9. Religions-, Partei-, Gewerkschaftszugehörigkeit
Generelle Fragen nach der Religions-, Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit sind unzulässig. Dies gilt auch für Fragen nach der entsprechenden Zugehörigkeit des Ehegatten.
Die Frage
nach der Religionszugehörigkeit kann allerdings zulässig werden, wenn der Arbeitnehmer eingestellt ist. In diesem Falle muß der Arbeitgeber abfragen, ob der Arbeitnehmer kirchensteuerpflichtig ist, d.h. ob er in
der katholischen oder einer protestantischen Kirche Mitglied ist, für die Kirchensteuer abgeführt werden muß.
Nach erfolgter Einstellung darf der Arbeitgeber auch nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragen,
falls der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist und dadurch verpflichtet ist, Tariflohn zu zahlen. Bei der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers muß dann der Arbeitnehmer an diesen
Arbeitnehmer in jedem Falle Tariflohn zahlen. Zahlt der Arbeitgeber ohnehin Tariflohn, besteht kein Anlaß zu dieser Frage.
Die Frage nach einer Parteizugehörigkeit bzw. früherer Stasi-Tätigkeit ist in der
Regel in einem heutigen, normalen Arbeitsverhältnis für die Durchführung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ohne Bedeutung.
Ausnahmen von den genannten Regeln gibt es dann, wenn ein Arbeitnehmer sich
für ein “Tendenzunternehmen” bewirbt, z.B. für die Tätigkeit in einer kirchlichen Organisation, für die Tätigkeit in einer Partei oder einer Gewerkschaft oder für die Tätigkeit in einem Sicherheitsdienst, beim
Militär, oder einem anderen sicherheitsrelevanten Bereich.
10. Ehrenamtliche Tätigkeiten/Privatleben
Ehrenamtliche Tätigkeiten, Vereinstätigkeiten, das Privatleben und die entsprechenden Gepflogenheiten, sexuelle Vorlieben, Freizeitbetätigungen etc. gehen den Arbeitgeber generell nichts
an. Solche Fragen sind in der Regel unzulässig.
Es ist deshalb insbesondere unzulässig einen Arbeitnehmer z.B. nach einer Vorstandstätigkeit in einem Verein zu fragen.
11. Beispiele weiterer unzulässiger Fragen:
– Wie viele Liebschaften hatten Sie in den letzten 10 Jahren?
– In welchem Alter hatten Sie Ihren ersten Geschlechtsverkehr? Wie oft pro Jahr?
– Wie vielen Vereinen gehören Sie an? Aktiv oder passiv?
– Welche Ämter in kirchlichen Vereinen oder Parteien hatten Sie in den letzten 10 Jahren inne?
– Wie hoch ist Ihre Sparquote und Ihr Sparvermögen?
– Leben Sie über Ihre Verhältnisse, wie hoch sind Ihre monatlichen Lebenshaltungskosten?
– Wie viele Autos besitzen Sie, wie viel Kilometer pro Jahr fahren Sie?
– Wer hat in Ihrer Familie das Sagen bei wichtigen Entscheidungen?
– Waren Sie im Verhältnis zu Ihren Geschwistern oft krank?
– Wie viele Stunden am Tag sehen Sie fern, telefonieren Sie?
– Lieben Sie
das Nachtleben? Wie oft gehen Sie durchschnittlich aus pro Woche/Monat?
– Gehen Sie oft ins Kino? Welche Filme bevorzugen Sie?
– Wie viele Stunden pro Woche sind Sie in der Kneipe?
– Ist Ihr Ehepartner Alkoholiker?
– Wie hoch ist das Einkommen Ihres Ehepartners?
– Wie viele Lebensversicherungen bestehen und in welcher Höhe?
– Halten Sie einen Hund oder ein anderes Haustier?
–
Fühlen Sie sich durch Ihre Eltern, durch Ihren Arbeitgeber, durch Ihre Arbeitskollegen oder auf andere Weise vom Leben benachteiligt?
– Sind Sie homosexuell/bisexuell?