Folge 110

Lohngrundsätze II – befristete Lohnerhöhung



Der Fall:


    Arbeitgeber Mendelssohn will der teilzeitbeschäftigten Musiklehrerin Clara Schuhmann etwas Gutes tun. Er schließt mit ihr einen Zusatzvertrag. Danach
    wird die Arbeitszeit von Clara Schuhmann in der Zeit vom 1.1.2002 bis 31.12.2002 wöchentlich von 20 Stunden auf 40 Stunden (Vollzeit) erhöht. Das Gehalt wird für diese Zeit verdoppelt.

    Der großzügige
    Mendelssohn gewährt außerdem dem fleißigen Franzl Liszt wegen guter Kassenlage eine befristete Gehaltszulage von 200 Euro monatlich durch einen Zusatzvertrag für den selben Zeitpunkt bis zum 31.12.2002.

    Ab
    Januar 2003 will Mendelssohn zu den alten Konditionen zurückkehren. Franzl und Clara sträuben sich und klagen. Sie meinen, daß eine Änderungskündigung notwendig gewesen wäre. Mendelssohn sieht dagegen die
    schlechte Konjunktur und beruft sich auf die Befristungsmöglichkeit nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Er hat Angst vor dem Leipziger Arbeitsgericht. Er will deshalb eine Kündigung vermeiden.



Die Lösung:



1. Befristung einzelner Vertragsbedingungen


    Die Befristung einzelner Vertragsbedingungen ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zwar möglich. Eine solche Befristung ist aber auch
    problematisch, da sie im Einzelfall eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes und damit zwingender Rechtsvorschriften darstellen kann.

    Arbeitgeber Mendelssohn beruft sich zwar darauf, daß er mit Clara und
    mit Franzl jeweils einen zweiten, eigenen Vertrag abgeschlossen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dagegen bedeutet eine solche Vertragsgestaltung lediglich, daß der Arbeitgeber die
    Konditionen des schon bestehenden Vertrages befristet für eine bestimmte Zeit verändert bzw. verbessert.

    Soweit Clara Schuhmann sich gegen das Ende der befristeten Vollzeitarbeit wendet, handelt es sich
    nicht um einen Streit über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es handelt sich lediglich um einen Streit über die Befristung der Arbeitszeiterhöhung. Aus diesem Grunde betrifft der Rechtsstreit – anders als
    bei normalen Befristungsrechtsstreiten – nur die Veränderung der Arbeitsbedingungen, nicht die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

    Ähnlich ist es bei Franzl Liszt. Dieser kämpft nicht um sein
    Arbeitsverhältnis, sondern um die Gehaltszulage.


    Achtung:

    Da es sich bei Clara und Franzl lediglich um die Änderung der Arbeitsbedingungen, nicht aber um einen Beendigungsrechtsstreit handelt, ist die Einhaltung der Klagefrist von 3 Wochen nach § 17 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) nicht erforderlich. Ihre Klage ist nach der BAG-Rechtsprechung eine allgemeine Feststellungsklage, die nicht zwingend fristgebunden ist.



2. Keine freie Befristungsmöglichkeit


    Arbeitgeber Mendelssohn beruft sich zwar zur Begründung seiner Befristungen auf § 14 Abs. 2 TzBfG. Danach kann ein Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines
    sachlichen Grundes bis zur Dauer von 2 Jahren befristet werden. Vorliegend hat er jeweils nur 1 Jahr befristet:

    Die Anwendung dieser Vorschrift zugunsten von Mendelssohn ist jedoch aus zwei Gründen
    ausgeschlossen.

    Zum einen führt die Verbesserung oder die Veränderung einzelner Arbeitsbedingungen durch befristeten Vertrag nicht zum Abschluß eines neuen Arbeitsverhältnisses. Durch diesen zweiten,
    befristeten Verbesserungsvertrag ist lediglich der schon bestehende Arbeitsvertrag befristet abgeändert worden. Nach der BAG-Rechtsprechung ist deshalb die Möglichkeit einer befristeten Verbesserung der
    Vertragskonditionen und der Vergütung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG ausgeschlossen.

    Diese Vorschrift kann auch deshalb keine Anwendung finden, weil nach §14 Abs. 2 S. 2 TzBfG eine freie, sachgrundlose
    Befristung gesetzlich dann ausgeschlossen ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat oder noch besteht. Dies ist sowohl bei Clara wie auch bei Franzl der Fall. Mendelssohn
    irrt also bei der Berufung auf diese Rechtsgrundlage.

    Das BAG begründet die Unanwendbarkeit von § 14 Abs. 2 TzBfG auf solche Fallkonstellationen im übrigen damit, daß sich nach der Auslegung des Gesetzes
    unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung die Anwendung der Vorschrift für solche befristeten Erhöhungen der Arbeitsbedingungen verbietet.



3. Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes


    Bei der befristeten Veränderung oder Verbesserung von Arbeitskonditionen ist stets zu prüfen, ob diese Vertragsbedingungen dem Schutz des
    Kündigungsschutzgesetzes unterfallen.

    Vertragsbedingungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Arbeit kann der Arbeitgeber regelmäßig durch sein einseitiges Direktionsrecht verändern. Hier wäre die
    Befristungsregelung rechtlich unproblematisch. Der Arbeitgeber könnte die Änderung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung durch eine Arbeitsanweisung erreichen.

    Anders dagegen verhält es sich bei
    wesentlichen Vertragsbedingungen, die dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen. Dies gilt insbesondere für die Arbeitszeit, noch mehr für die Höhe der Vergütung. Der Arbeitgeber müßte bei einer Veränderung stets
    eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG aussprechen.

    Die vom Arbeitgeber Mendelssohn mit Clara und Franzl vereinbarten Zusatzkonditionen treffen solche zwingenden Vertragsbestandteile. Die Befristung stellt
    eine Umgehung des Kündigungschutzgesetzes dar.



4. Sachgrund


    Soweit die Befristung einzelner Vertragsbedingungen objektiv den gesetzlichen Kündigungsschutz umgeht, bedarf die befristete Vertragsverbesserung eines
    rechtfertigenden sachlichen Grundes. Nur dann entfällt die Notwendigkeit der Kündigung bzw. der Änderungskündigung.

    Die Erhöhung der Arbeitszeit und damit die Verdoppelung des Gehalts von Clara Schuhmann, wie
    auch die Gehaltserhöhung um 200 Euro monatlich für Franz Liszt ist ohne Sachgrund nur durch eine Änderungskündigung wieder zu beseitigen.

    Die Vertragsfreiheit von Mendelssohn ist hier eingeschränkt. Ein
    sachlicher Grund ist aber nicht gegeben. Die gute Kassenlage alleine ist kein Befristungsgrund. Auch der Umstand, daß Mendelssohn der Clara etwas Gutes tun wollte, wäre kein Sachgrund für eine Befristung.

    Im
    Ergebnis würden somit Clara und Franzl gegen Arbeitgeber Mendelssohn vor dem Arbeitsgericht obsiegen.


    Merke:

    Dies ist die Kraft, die stets das Gute will und doch das Böse schafft,

    oder: auch Wohltaten müssen gut vorbereitet und überlegt sein.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.