Immer wieder gibt es Streit, wenn ein Arbeitnehmer z.B. im Herbst ausscheidet und eine Weihnachtsgratifikation anteilig verlangt.
Andererseits
empfinden es viele Arbeitgeber als unbillig, wenn sie bei einem langfristig erkrankten Arbeitnehmer die volle Weihnachtsgratifikation zahlen sollen.
Der Fall
Arbeitnehmerin Angela hat von ihrem Arbeitgeber die Zusage auf ein 13. Monatsgehalt. Sie scheidet zum 31.10.2001 aus. Sie verlangt bei Ausscheiden
Zahlung eines anteiligen 13. Monatsgehalts in Höhe von 10/12 des Gehalts. Arbeitgeber Hans Spar lehnt ab. Weihnachtsgeld bekomme nur diejenige Mitarbeiterin, die bis zum Jahresende im Arbeitsverhältnis stünde.
Arbeitnehmer Lothar erhält ebenfalls ein 13. Monatsgehalt in Höhe von 3.500,- Euro brutto. Er ist jedoch seit 6 Monaten erkrankt. Arbeitgeber Gregor hat seine Gratifikationszusage wie folgt eingeschränkt:
Kranke Arbeitnehmer bekommen für jeden Arbeitstag, an dem Arbeitsunfähigkeit vorliegt, einen Betrag von 10,- Euro vom 13. Monatsgehalt abgezogen.
Arbeitgeber Gregor will deshalb für 120 Arbeitstage 1.200,-
Euro vom 13. Monatsgehalt abziehen. Lothar hält das für ungerecht. Jetzt werde er für seine Krankheit auch noch bestraft.
Die Lösung
1. Vorzeitiges Ausscheiden
Die Frage, wann eine Arbeitnehmerin bei Ausscheiden vor Auszahlung des Weihnachtsgeldes ihren Gratifikationsanspruch verliert oder nicht, kann nicht
generell beantwortet werden. Die Beantwortung dieser Frage hängt stets davon ab, wie die Gratifikationszusage ausgestaltet war.
Im Rahmen der Vertragsfreiheit kann der Arbeitgeber bei vorzeitigem Ausscheiden
aus dem Arbeitsverhältnis den Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation generell ausschließen. Dann bestimmt er, daß die Arbeitnehmerin sich z.B. am 31.11. oder 31.12 des Jahres noch in einem ungekündigten
Arbeitsverhältnis befinden muß. Sollte der Arbeitgeber eine solche Bedingung jedoch nicht ausdrücklich in die Gratifikationszusage aufnehmen, muß er bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis an die
Arbeitnehmerin die anteilig verdiente Gratifikation auch anteilig auszahlen.
Im Falle des Arbeitgebers Hans Spar wurde ein solcher Vorbehalt nicht gemacht. Die zum 31.10.2002 ausscheidende Arbeitnehmerin
Angela hat deshalb Anspruch auf 10/12 des 13. Monatsgehalts. Mangels entsprechendem Vorbehalt wird der Arbeitgeber Hans Spar bei einer Klage der Arbeitnehmerin verlieren.
2. Krankheit/Anwesenheitsprämie
Die Rechtsprechung hat es für zulässig erachtet, daß durch Individualvertrag für den Fall der Krankheit auch die Minderung einer Gratifikation vereinbart
werden kann (sog. “Anwesenheitsprämie”). Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch für die Weihnachtsgratifikation oder Jahressonderleistung.
Der Krankenlohn nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz oder
Tarifvertrag darf zwar für die Zeit der Krankheit nicht gekürzt wird. Die Entgeltfortzahlung, d.h. die laufenden monatlichen Bezüge, müssen gezahlt werden. Soweit aber der Arbeitgeber darüber hinaus eine
freiwillige Leistung zusagt, darf er diese bei Vorliegen von Krankheitstagen kürzen, wenn dies im Vorhinein mit dem Arbeitnehmer so vereinbart war. Die Ausgestaltung solcher vertraglichen Kürzungsvorschriften
unterliegen jedoch der richterlichen Billigkeitskontrolle. Das Bundesarbeitsgericht sieht eine Kürzung von etwa 1/60 pro Arbeitstag als angemessen an.
Arbeitgeber Gregor durfte deshalb aufgrund der
vorhandenen eingeschränkten Zusage die Weihnachtsgratifikation von Lothar um 10,- Euro pro krankheitsbedingtem Fehltag mindern. Er ist berechtigt, das 13. Monatsgehalt um 1.200,- Euro zu kürzen. Die Kürzung ist
nicht übermäßig.
3. Elternzeit
Eine große Streitfrage stellt sich immer wieder in der Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub). Auch hier muß geprüft werden, ob die
Weihnachtsgratifikation den Personen zusteht, die sich z.B. 3 Jahre in der Elternzeit befinden.
Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt auch für die Elternzeit. Diese Zeiten müssen bei der
Gratifikationszahlung dann nicht berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber die Zusage der Weihnachtsgratifikation eingeschränkt und den Arbeitnehmern klar mitgeteilt haben, daß für die Elternzeit der Anspruch
auf Weihnachtsgratifikation entfällt.
Diese Einschränkung ist rechtlich nicht zu beanstanden, da während der Elternzeit auch keine Arbeitsleistung und keine besondere Betriebstreue erbracht wird.
Hat
dagegen der Arbeitgeber diese Einschränkung nicht gemacht, so muß er auch für den Erziehungsurlaub die Gratifikation in vollem Umfange gewähren. Dies gilt unabhängig davon, ob der Erziehungsurlaub 3, 6 oder 9
Jahre andauert.
Eine nachträgliche Einschränkung und Verschlechterung der Gratifikationszusage für die Zeit des Erziehungsurlaubes ist nur dann möglich, wenn die Arbeitnehmerin sich damit einverstanden
erklärt.
Soweit Tarifverträge gelten, muß ebenfalls geprüft werden, ob in den Tarifverträgen für die Zeit des Erziehungsurlaubes Einschränkungen wegen der Jahressonderzahlung gemacht worden sind oder nicht.