Folge 345

Sperre von Intranet und betrieblichen Informationen in der Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber


Frage:

Wenn ich von meinem Arbeitgeber gekündigt werde, kann dieser mich dann von sämtlichen betrieblichen Informationen abschneiden, mir das Intranet oder das Internet oder andere Informationen sperren? Habe ich dann
vielleicht einen Anspruch auf Freistellung?


Der Fall:

Der Musikalienunternehmer und Notenverleger Rudolf Prack kündigt den Notenarchivar Fritz Wunderlich wegen der langen Beschäftigungszeit mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten. Er traut dem Fritz Wunderlich in
der langen Kündigungsfrist durchaus zu, mit Betriebsinterna sich bei anderen Arbeitgebern interessant zu machen, ggf. kleine Sabotageakte zu verüben oder ganze Dateien mitzunehmen.

Dies schließt Unternehmer Rudolf Prack vor allem aus der Tatsache, dass Fritz Wunderlich eng liiert ist mit der Schönheitstänzerin und vormaligen Spionin Mata Hari. Diese ist wiederum befreundet mit Guiseppe Verdi, der sich wiederum öfters im venezianischen Karneval mit dem Notenverleger Rossini vergnügt hat.

Aus diesem Grunde sperrt Prack dem Wunderlich den PC, seinen Zugang zum Intranet sowie den Zugang zum Internet. Prack setzt Wunderlich in ein kleines Zimmer mit einem Schreibtisch ohne Akten und mit einem Telefon, das keine Auswärtsverbindung hat.

Fritz Wunderlich will sich das nicht gefallen lassen. Er beklagt insbesondere, dass er durch diese Maßnahmen bei diversen wichtigen Kunden sein Gesicht verliert, vor allem bei berühmten Komponisten wie Franz Schubert, Robert Schuhmann, Johann Sebastian Bach und Reidar Seeling (Marburg).

Fritz Wunderlich verlangt von Rudolf Prack zumindest eine unwiderrufliche Freistellung für die Kündigungsfrist unter Fortzahlung des Lohnes, wenn Prack ihm schon nicht trauen will. Die soziale Isolierung will er sich aber nicht gefallen lassen.


Die Lösung


1. Kündigungsfrist/vertragsgemäße Abwicklung

Der Arbeitgeber Rudolf Prack ist verpflichtet, in der ordentlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis mit Fritz Wunderlich vertragsgemäß mit allen Rechten und Pflichten abzuwickeln. Dies bedeutet, dass der
Unternehmer Prack nicht nur eine Pflicht zur Zahlung des vereinbarten Lohnes hat. Vielmehr muß der Arbeitgeber den Mitarbeiter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auch tatsächlich vertragsgemäß beschäftigen.

Eine vertragsgemäße Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht in irgendeiner Weise schikaniert oder diffamiert. Andererseits ist der Arbeitnehmer verpflichtet, während der
Kündigungsfrist seine volle Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn beide Vertragsparteien von den bisherigen vertraglichen Verpflichtungen etwas Abweichendes
einvernehmlich vereinbaren.


2. Direktionsrecht

Die Beschäftigung des Mitarbeiters während der Kündigungsfrist erfolgt im Rahmen des Direktionsrechtes des Arbeitgebers. Das Direktionsrecht hängt insbesondere davon ab, welche vertraglichen Vereinbarungen zur
Erbringung der Arbeitsleistung zwischen den Parteien getroffen worden sind.

In § 106 Gewerbeordnung ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers geregelt. Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach
billigem Ermessen näher bestimmen.

Dabei muss der Arbeitgeber dabei die vertraglich geregelten Arbeitsbedingungen, aber auch die geltenden Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge beachten.

Die Bestimmung der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen (§315 BGB) bedeutet aber nicht, dass der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist generell mit allen Aufgaben weiter zu betrauen ist, die er auch vorher ausgeübt hat. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers  (§ 315 BGB) darf aber nicht dazu führen, dass dieser den Mitarbeiter schikaniert oder in einer ungewöhnlichen Weise benachteiligt.

Da Fritz Wunderlich als Notenarchivar beschäftigt ist, muss er in dieser Funktion auch weiter tätig sein und die dort anfallenden Aufgaben durchführen können. Dazu gehören auch Recherchen bei den Autoren bzw. Komponisten.


3. Diskriminierung

Die Weigerung des Arbeitgebers, dem Mitarbeiter den bislang stets gewährten Zugang zu einem im Betrieb gebräuchlichen Intranet sowie zum Internet zu gestatten, muß unter Berücksichtigung der Grundsätze des
billigen Ermessens nach § 106 Gewerbeordnung, sowie nach § 315 Abs. 3 BGB geprüft werden.

Bei vielen Bürotätigkeiten ist heute ein eigener Rechner am Arbeitsplatz sowie der Zugriff auf Netzwerke wie Intranet oder Internet Bestandteil des Arbeitsplatzes und der vertraglichen Tätigkeit. Dies gilt insbesondere dann, wenn über das Internet Recherchen zu treffen sind oder Außenkontakte erhalten werden.

Die Verweigerung des Zugriffs auf ein vorhandenes Intranet wie auch auf einen normalerweise vorhandenen Internetzugang kann deshalb eine schwerwiegende Behinderung oder Benachteiligung des Mitarbeiters, eine Diskriminierung und eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes beinhalten.

Noch schwerwiegender ist es, wenn Arbeitgeber Prack den Mitarbeiter Wunderlich in ein neues Arbeitszimmer setzt, in dem außer einem Schreibtisch und einer Telefonanlage für interne Anrufe nichts vorhanden ist. Eine solche Handlungsweise wäre eine gravierende Vertragsverletzung, die sich der Mitarbeiter nicht gefallen lassen muss.

Diese Art der Diskriminierung könnte dem Arbeitnehmer sogar Anspruch auf Schadenersatz bzw. Schmerzensgeld geben.


4. Sachliche Gründe/Interessenabwägung

Bei schwerwiegenden Gründen kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist in seinem Tätigkeitsradius bzw. bei seinem Zugang zu internen Akten, Daten, Dateien etc. beschränken. Auch hier gilt der
Grundsatz des billigen Ermessens. Es müssen die berechtigten Interessen beider Seiten abgewogen werden. Dabei muss möglichst eine Diskriminierung des Mitarbeiters vermieden werden.

Der Unternehmer Rudolf Prack  hat gegen den Mitarbeiter Wunderlich keine konkreten Beschwerden. Es liegen auch keine Fakten vor, die eine Einschränkung seiner Tätigkeit rechtfertigen würden bzw. einen berechtigten Verdacht gegen Wunderlich begründen würden.

Alleine der Umstand, dass Wunderlich mit einer ehemals spionagefreudigen Dame liiert ist, die jemanden kennt, der wiederum einen Konkurrenten des Arbeitgebers kennt, führt noch nicht automatisch zu einem schwerwiegenden Verdacht bzw. Ausnahmefall. Die lediglich abstrakte Befürchtung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer könne von Geschäftsgeheimnissen und Geschäftsbeziehungen Kenntnis erlangen
und diese an unberechtigte Dritte weitergeben, reicht noch nicht aus.

Achtung: Es kommt immer wieder vor, dass ein Familienmitglied, z.B. ein Ehepartner oder Kinder bzw. Eltern bei einem Konkurrenzunternehmen
beschäftigt sind. In diesen Fällen entsteht immer wieder der Verdacht, der Mitarbeiter könnte an sein Familienmitglied entsprechende Daten weitergeben. Der abstrakte Verdacht an sich reicht aber nicht aus für
eine Versetzung, Freistellung, Kündigung etc. Hier müssen Fakten gegeben sein.

Allerdings können die Momente des Mißtrauens dazu führen, daß das Arbeitsverhältnis in einem solchen Fall tief gestört ist. Hier
empfiehlt es sich dringend, zwischen den Parteien mit offenen Worten zu verhandeln und eine Lösung anzustreben, die ggf. auch in einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses münden kann.


5. Freistellung

Arbeitnehmer Wunderlich hat gegen den Arbeitgeber keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Freistellung. Sollte allerdings der Arbeitgeber Prack ihn weiter isolieren oder diskriminieren, so könnte ein
Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers als besondere Form des Schadenersatzanspruches aus dieser unzulässigen Diskriminierung folgen.

Bei solchen schwerwiegenden Störungen des Arbeitsverhältnisses ist den
Parteien die Vereinbarung einer Freistellung unter Anrechnung des Urlaubsanspruches bei Vergütungsfortzahlung zu empfehlen.

Achtung: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist jedoch eine unwiderrufliche Freistellung durch außergerichtliche Vereinbarung nicht ratsam, da die Sozialgerichtsbarkeit davon ausgeht, dass dann mit dem Freistellungstatbestand bereits der Fall der Arbeitslosigkeit beginnt.
Es empfiehlt sich deshalb, bei außergerichtlichen Vereinbarungen nur die widerrufliche Freistellung. Bei einer widerruflicher Freistellung ist allerdings der Urlaubsanspruch nicht verbraucht, sondern müsste während der Kündigungsfrist exakt zwischen den Arbeitsvertragspartien vereinbart werden, um ihn durch tatsächliche Gewährung zum Erlöschen zu bringen.

In gerichtlichen Vergleichen dagegen kann problemlos auch
eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart werden.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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