Folge 327

Arbeitszeit – aktuelle Entwicklungen VII

Frage:

Wozu brauchen wir eigentlich eine Regulierung der Arbeitszeit, wozu soll das gut sein? Für wen gilt das Arbeitszeitgesetz mit
seinen Beschränkungen, für alle Arbeitnehmer? Muß es nicht möglich sein, daß Arbeitnehmer freiwillig über die gesetzlichen Grenzen hinaus arbeiten können?

Der Fall:

Arbeitgeber Lino Ventura stört die Reglementierung in Deutschland, vor allem auch die Reglementierung der Arbeitszeit. Er meint, dass im Zeitalter der Globalisierung eine freie Arbeitszeit möglich sein müsse.

Edgar Degas ist leitender Angestellter im Immobilienkonzern von Lino Ventura. Muss er sich reglementieren lassen?

Kardinal Mazarin beschäftigt die Haushälterin Mata Hari. Plötzlich fängt diese an, Mazarin nicht mehr die geliebten Knödel zu kochen unter Hinweis auf Arbeitszeitüberschreitung nach dem Arbeitszeitgesetz. Auch
der Messner der Kathedrale Notre Dame Frankenstein tritt bei den abendlichen Andachten und Vespern sowie Sonntags nicht mehr an, da dies gegen die Arbeitszeitregeln verstoße.

Schließlich bittet der Immobilienkaufmann Gottfried Keller Lino Ventura dringend darum, an 7 Tagen die Woche durchgehend für ein halbes Jahr arbeiten zu dürfen. Er braucht Geld, da er gebaut hat und die Schulden ihm davonlaufen. Warum sollte Lino Ventura dem Gottfried Keller nicht arbeiten lassen?

Die Lösung:

1. Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung

Der Gesetzgeber hat die Vertragsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Gestaltung der betrieblichen und
persönlichen Arbeitszeit zum Zweck des Arbeitnehmerschutzes begrenzt, insbesondere durch das Arbeitszeitgesetz. Allerdings finden sich im Gesetz auch viele Ausnahmen und gesetzliche Sonderregelungen wegen der Besonderheit vieler Wirtschaftszweige.

Mit dem Arbeitszeitgesetz soll der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer verbessert werden. Außerdem soll die Sonn- und Feiertagsruhe geschützt werden.

Andererseits aber räumt der Gesetzgeber auch den Tarifvertragsparteien und den Betriebspartnern, d.h. Betriebsrat und Arbeitgeber bei Arbeitszeitfragen eine weite Gestaltungsmöglichkeit ein.

2. Inhalt und Gliederung des Gesetzes

Das Arbeitszeitgesetz ist in 8 Abschnitte gegliedert:

– Allgemeine Vorschriften,

– werktägliche Arbeitszeit und arbeitsfreie Zeiten,

– Sonn- und Feiertagsruhe,

– Ausnahmen in besonderen Fällen,

– Durchführung des Gesetzes,

– Sonderregelungen,

– Straf- und Bußgeldvorschriften,

– Schlussvorschriften.

Der Arbeitsschutz beinhaltet für den Arbeitnehmer einen vierfachen Schutz, nämlich:

– Der Gesetzgeber hat für die tägliche Arbeitszeit eine Höchstdauer festgesetzt,

– die zeitliche Lage der Arbeitszeit ist teilweise geregelt,

– der Gesetzgeber schreibt Ruhezeiten und Pausen während der Arbeit vor,

– die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist beschränkt.

Dies geht
letztlich schon aus § 1 Arbeitszeitgesetz hervor. Danach ist der Zweck des Gesetzes, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die
Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern, sowie

den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.

3. Weitere Schutzgesetze

Neben dem Arbeitszeitgesetz gibt es für besondere Arbeitnehmergruppen wegen der Arbeitszeit auch besondere
Schutzvorschriften in anderen Schutzgesetzen, z.B.:

– Das Jugendarbeitsschutzgesetz für Jugendliche,

– Das Mutterschutzgesetz für Schwangere,

– Das Gesetz über Fahrpersonal im Straßenverkehr.

4. Geltungsbereich des Gesetzes

Das Arbeitszeitgesetz gilt für Arbeitnehmer, nicht z.B. für Beamte, Richter, Soldaten, oder gar für Selbständige. Diese
können ihre eigene Arbeitszeit frei bestimmen.

Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie alle diejenigen, die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden.

Das Arbeitszeitgesetz ist jedoch nach § 18 nicht anzuwenden auf:

– Leitende Angestellte sowie Chefärzte, also nicht auf Edgar Degas, soweit er ein leitender und nicht nur ein leidender Angestellter sein
sollte,

– Leiter von öffentlichen Dienststellen und deren Vertreter sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind,

– Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammen leben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen. Darunter fallen z.B. Erzieher in Kinderdörfern. Darunter fällt aber nicht die Haushälterin Mata Hari des Kardinal Mazarin, da Mata Hari den Mazarin weder erzieht noch pflegt. Etwas anderes könnte gelten, wenn der Kardinal mittlerweile alt und gebrechlich geworden ist und der Pflege bedarf.

– In den liturgischen Bereichen der Kirche und der Religionsgemeinschaften.

Daraus folgt, dass für den Mesner Frankenstein das Arbeitszeitgesetz im Zweifel nicht gilt. Er muss auch am Sonntag dienen.

Besondere Regelungen bestehen für

– die Beschäftigung von Jugendlichen,

– Arbeitnehmer auf Kauffahrteischiffen als Besatzungsmitglieder,

– bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben im öffentlichen Dienst,

– die Beschäftigung in der Luftfahrt und in der Binnenschifffahrt (z.B. Piloten, Stewardessen oder Fluglotsen).

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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