Folge 306

AGG XII – Handlungspflichten des Arbeitgebers


Frage:

    Was kann man als Arbeitgeber tun, um diesen ganzen Anforderungen gerecht zu werden? Ein Hauptproblem besteht darin, daß viele Diskriminierungshandlungen innerhalb der Belegschaft
    stattfinden. Was kann der Arbeitgeber tun, um das zu verhindern bzw. um sich abzusichern?


Der Fall:

    Arbeitgeber Albert Lortzing hat sich selbst im Rahmen von mehreren Vorträgen über seine Rechte und Pflichten nach dem AGG schulen lassen. Die Mitarbeiter dagegen leben noch „im Tal der
    Ahnungslosen“. Der Betriebsrat Otto Freischütz verlangt deshalb auch eine Schulung und Information an alle Mitarbeiter. Er will ebenfalls auf Kosten des Arbeitgebers über das neue Gesetz geschult werden. Der
    Betriebsrat Freischütz will auch eine Betriebsvereinbarung über Diskriminierungsprobleme abschließen und verlangt von Albert Lortzing, daß eine Beschwerdestelle eingerichtet wird.

    Albert Lortzing sieht enorme
    Kosten auf sich zukommen. Alleine die Information aller Mitarbeiter hält er für viel zu aufwendig. Muß er dem Betriebsrat folgen?


Die Lösung


1. Handlungspflicht des Arbeitgebers

    In § 12 des AGG hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, daß der Arbeitgeber handeln muß. Er ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen und
    Diskriminierungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfaßt vor allem auch vorbeugende Maßnahmen. Ohne vorbeugende Maßnahmen riskiert der Arbeitgeber, daß er sich wegen
    Unterlassung und Organisationsverschuldens schadenersatzpflichtig macht.


2. Schulungen

    In § 12 Abs. 2 AGG ist bestimmt, daß der Arbeitgeber in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit von Diskriminierungen
    hinweist und hinwirken muß. Er muß in diesem Rahmen dafür sorgen, daß diese unterbleiben.

    Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zweck der Verhinderung von Benachteiligungen geschult,
    so gilt dies als Erfüllung der Arbeitgeberpflichten. Der Arbeitgeber ist dann „exkulpiert“, d.h. er kann in der Regel nicht schadenersatzpflichtig gemacht werden.

    Die gebotenen Maßnahmen hängen von der Größe
    des Betriebes ab. Von großen Unternehmen kann ein höherer Aufwand gefordert werden, als von Kleinunternehmen.

    Von kleinen Unternehmen und Betrieben muß verlangt werden, daß der Arbeitgeber eine entsprechende
    Schulung im Rahmen einer Betriebsversammlung von mindestens 1 bis 2 Stunden durchführt. Den Arbeitnehmern soll anhand von Beispielen klargemacht werden, in welchen Verhaltensweisen und Vorgängen eine
    Diskriminierung liegt oder liegen kann. Den Arbeitnehmern sind die verschiedenen Diskriminierungstatbestände im einzelnen aufzuzeigen. Außerdem ist den Arbeitnehmern deutlich zu machen, daß sie im Falle von
    solchen Diskriminierungen mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu einer Kündigung oder Entschädigungsansprüchen zu rechnen haben.

    Auch in großen Unternehmen müssen alle Mitarbeiter geschult werden. Dies
    kann organisatorisch z.B. in Abteilungsversammlungen durchgeführt werden. Fraglich ist, ob eine Information im Intranet ausreicht. Im Zweifel wird dies nicht der Fall sein.

    Vorgesetzte und Abteilungsleiter,
    also Beschäftigte mit Weisungsbefugnis, müssen daneben besonders ausführlich über die neuen Regelungen informiert und geschult werden.


3. Die Organisations- und Schulungsmaßnahmen nach § 12 AGG

    Schulungsmaßnahmen sind nach § 98 Betriebsverfassungsgesetz sowie i.d.R. nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat mitbestimmungspflichtig. Es ist deshalb
    wichtig, daß der Arbeitgeber – schon zur eigenen Absicherung – in diesen Fällen stets mit dem Betriebsrat zusammenarbeitet.


4. Maßnahmen gegen Diskriminierer

    Verstoßen Arbeitnehmer oder sonstige Beschäftigte gegen Diskriminierungstatbestände des § 1 AGG bzw. das Diskriminierungsverbot des § 7 AGG, so muß der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 3 AGG
    gegen diese Mitarbeiter geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung treffen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verwiesen, daß Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung,
    Versetzung oder eine Kündigung zu ergreifen ist. Nur bei besonders leichten Verstößen genügt eine Ermahnung.


5. Maßnahmen gegen dritte Personen

    Der Arbeitgeber muß die bei ihm Beschäftigten vor Diskriminierungen auch gegen Außenstehende, d.h. gegen dritte Personen schützen. Nach § 12 Abs. 4 AGG muß der Arbeitgeber im Einzelfall
    auch gegen Dritte, wie z.B. Kunden, Lieferanten, Speditionsmitarbeiter etc. geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ergreifen.

    Hier kann es Zielkonflikte geben, da der
    Arbeitgeber i.d.R. seine Kunden oder Lieferanten nicht verlieren will. Es ist deshalb im Konfliktfalle dringend zu empfehlen, mit den Drittpersonen Gespräche zu führen, ggf. einen Verhaltenskodex in die Verträge
    mit Dritten aufzunehmen. Ist eine Regelung des Problems auf diese Weise nicht möglich, so kann auch daran gedacht werden, den diskriminierten Arbeitnehmer aus der Kundenbeziehung bzw. der Außenbeziehung
    herauszunehmen und an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, um ihn zu schützen.

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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