Frage:
Was kann man als Arbeitgeber tun, um diesen ganzen Anforderungen gerecht zu werden? Ein Hauptproblem besteht darin, daß viele Diskriminierungshandlungen innerhalb der Belegschaft
stattfinden. Was kann der Arbeitgeber tun, um das zu verhindern bzw. um sich abzusichern?
Der Fall:
Arbeitgeber Albert Lortzing hat sich selbst im Rahmen von mehreren Vorträgen über seine Rechte und Pflichten nach dem AGG schulen lassen. Die Mitarbeiter dagegen leben noch „im Tal der
Ahnungslosen“. Der Betriebsrat Otto Freischütz verlangt deshalb auch eine Schulung und Information an alle Mitarbeiter. Er will ebenfalls auf Kosten des Arbeitgebers über das neue Gesetz geschult werden. Der
Betriebsrat Freischütz will auch eine Betriebsvereinbarung über Diskriminierungsprobleme abschließen und verlangt von Albert Lortzing, daß eine Beschwerdestelle eingerichtet wird.
Albert Lortzing sieht enorme
Kosten auf sich zukommen. Alleine die Information aller Mitarbeiter hält er für viel zu aufwendig. Muß er dem Betriebsrat folgen?
Die Lösung
1. Handlungspflicht des Arbeitgebers
In § 12 des AGG hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, daß der Arbeitgeber handeln muß. Er ist verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen und
Diskriminierungen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu treffen. Dieser Schutz umfaßt vor allem auch vorbeugende Maßnahmen. Ohne vorbeugende Maßnahmen riskiert der Arbeitgeber, daß er sich wegen
Unterlassung und Organisationsverschuldens schadenersatzpflichtig macht.
2. Schulungen
In § 12 Abs. 2 AGG ist bestimmt, daß der Arbeitgeber in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit von Diskriminierungen
hinweist und hinwirken muß. Er muß in diesem Rahmen dafür sorgen, daß diese unterbleiben.
Hat der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zweck der Verhinderung von Benachteiligungen geschult,
so gilt dies als Erfüllung der Arbeitgeberpflichten. Der Arbeitgeber ist dann „exkulpiert“, d.h. er kann in der Regel nicht schadenersatzpflichtig gemacht werden.
Die gebotenen Maßnahmen hängen von der Größe
des Betriebes ab. Von großen Unternehmen kann ein höherer Aufwand gefordert werden, als von Kleinunternehmen.
Von kleinen Unternehmen und Betrieben muß verlangt werden, daß der Arbeitgeber eine entsprechende
Schulung im Rahmen einer Betriebsversammlung von mindestens 1 bis 2 Stunden durchführt. Den Arbeitnehmern soll anhand von Beispielen klargemacht werden, in welchen Verhaltensweisen und Vorgängen eine
Diskriminierung liegt oder liegen kann. Den Arbeitnehmern sind die verschiedenen Diskriminierungstatbestände im einzelnen aufzuzeigen. Außerdem ist den Arbeitnehmern deutlich zu machen, daß sie im Falle von
solchen Diskriminierungen mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu einer Kündigung oder Entschädigungsansprüchen zu rechnen haben.
Auch in großen Unternehmen müssen alle Mitarbeiter geschult werden. Dies
kann organisatorisch z.B. in Abteilungsversammlungen durchgeführt werden. Fraglich ist, ob eine Information im Intranet ausreicht. Im Zweifel wird dies nicht der Fall sein.
Vorgesetzte und Abteilungsleiter,
also Beschäftigte mit Weisungsbefugnis, müssen daneben besonders ausführlich über die neuen Regelungen informiert und geschult werden.
3. Die Organisations- und Schulungsmaßnahmen nach § 12 AGG
Schulungsmaßnahmen sind nach § 98 Betriebsverfassungsgesetz sowie i.d.R. nach § 87 Abs. 1 Ziff. 1 Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat mitbestimmungspflichtig. Es ist deshalb
wichtig, daß der Arbeitgeber – schon zur eigenen Absicherung – in diesen Fällen stets mit dem Betriebsrat zusammenarbeitet.
4. Maßnahmen gegen Diskriminierer
Verstoßen Arbeitnehmer oder sonstige Beschäftigte gegen Diskriminierungstatbestände des § 1 AGG bzw. das Diskriminierungsverbot des § 7 AGG, so muß der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 3 AGG
gegen diese Mitarbeiter geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung treffen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verwiesen, daß Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung,
Versetzung oder eine Kündigung zu ergreifen ist. Nur bei besonders leichten Verstößen genügt eine Ermahnung.
5. Maßnahmen gegen dritte Personen
Der Arbeitgeber muß die bei ihm Beschäftigten vor Diskriminierungen auch gegen Außenstehende, d.h. gegen dritte Personen schützen. Nach § 12 Abs. 4 AGG muß der Arbeitgeber im Einzelfall
auch gegen Dritte, wie z.B. Kunden, Lieferanten, Speditionsmitarbeiter etc. geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten ergreifen.
Hier kann es Zielkonflikte geben, da der
Arbeitgeber i.d.R. seine Kunden oder Lieferanten nicht verlieren will. Es ist deshalb im Konfliktfalle dringend zu empfehlen, mit den Drittpersonen Gespräche zu führen, ggf. einen Verhaltenskodex in die Verträge
mit Dritten aufzunehmen. Ist eine Regelung des Problems auf diese Weise nicht möglich, so kann auch daran gedacht werden, den diskriminierten Arbeitnehmer aus der Kundenbeziehung bzw. der Außenbeziehung
herauszunehmen und an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, um ihn zu schützen.