Frage:
Gerade beim Einstellungsgespräch muß jede Seite ein Bild über das zu erwartende Arbeitsverhältnis und die Arbeitsbedingungen bekommen. Deshalb ist das Interesse an einer möglichst
weitreichenden Information und an einem intensiveren Kennenlernen durchaus groß. Darf im Rahmen des AGG gleichwohl so gefragt werden, wie es dem Arbeitgeber in den Sinn kommt?
Der Fall:
Der Arbeitgeber Alfred Nobel hat sich bei der Stellenausschreibung zurückgehalten. Beim Einstellungsgespräch möchte er aber vom Bewerber Genaueres wissen, insbesondere sein Lebensalter,
ob er in der Bundeswehr gedient hat, ob sie schon einen freiwilligen sozialen Dienst absolviert hat, ob eine Schwangerschaft bzw. eine Elternzeit in absehbarer Zeit geplant ist oder nicht.
Der Arbeitgeber
Hermann Claudius möchte wissen, ob die Bewerber aus einem religiösen, insbesondere christlichen Elternhaus stammen und eine entsprechende christliche Erziehung genossen haben, ob die Bewerber in ehelicher
Gemeinschaft oder in einer anerkannten Lebensgemeinschaft leben, wieviel Scheidungen zurückliegen und wie es mit dem Kindersegen aussieht.
Die abgelehnten Bewerber fragen sich, ob alle diese Fragen zulässig waren.
Die Lösung:
1. Einstellung
Das AGG begrenzt den Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers auch bei der Einstellung. Der Arbeitgeber darf keine diskriminierenden Auswahlentscheidungen vornehmen. Sein Recht, Bewerber
nach sachlichen, arbeitsplatzbezogenen Kriterien, Zeugnisnoten, Auslandserfahrung, Sprachkenntnissen, aber auch Team- und Durchsetzungsfähigkeit zu treffen, wird dagegen vom Gesetz nicht berührt. Die Abfrage
privater Kriterien ist dagegen höchst problematisch.
2. Einstellungsgespräche
Beim Einstellungsgespräch klären sich viele Dinge, die in einer Stellenausschreibung nichts zu suchen haben.
Das Einstellungsgespräch dient der Informationsvermittlung, aber auch dem
persönlichen Eindruck vom Bewerber einerseits und dem Arbeitgeber bzw. den Arbeitsbedingungen andererseits. Beim Einstellungsgespräch werden Kriterien wie Körpergröße, Farbe der Augen, Kommunikationsfähigkeit,
Ausdrucksweise, Sprachkenntnisse etc. relativ schnell offenkundig. Das Vorstellungsgespräch hat deshalb in den Zeiten des AGG eine noch größere Bedeutung als früher.
3. Fragerecht
Im Rahmen des Vorstellungsgesprächs darf der Arbeitgeber den Bewerbern alle die Fragen stellen, die deren Eignung für die ausgeschriebene Stelle betreffen. Soweit sachliche Kriterien aus
dem Bereich der Ausbildung, der Fähigkeiten, des Berufsbildes und der ausgeschriebenen Stelle betroffen sind, ist das Fragerecht nicht begrenzt.
Dagegen sollten Fragen im Bereich der Diskriminierungsmerkmale
möglichst unterlassen werden. Wenn die Arbeitgeberseite solche Fragen stellt, muß zwar der Bewerber in irgendeiner Weise antworten. Bei einer Ablehnung können jedoch solche Fragen ein Indiz für eine
Diskriminierung darstellen. Aufgrund der Beweislastumkehr bei Indizwirkung nach § 22 AGG kann das für den abgelehnten Bewerber einen Entschädigungsanspruch auslösen.
Achtung: Schon bisher waren diverse Fragen nicht zulässig, wie z.B.
– die Frage nach der Schwangerschaft,
– die Frage nach Religions- und Parteizugehörigkeit außerhalb von Tendenzunternehmen,
– die Frage nach sexuellen Vorlieben und Gewohnheiten,
– die Frage nach Ehe oder Lebensgemeinschaft, nach Homosexualität oder Heterosexualität.
Nach dem AGG muß das Fragerecht noch sensibler gehandhabt
werden. Die Frage nach einer Behinderung ist zukünftig nur noch zulässig, wenn das Fehlen der Behinderung entscheidende Voraussetzung für eine bestimmte Tätigkeit ist.
Die Frage nach einem
christlich-religiösen Elternhaus ist für Nichtchristen diskriminierend, ebenso die Frage nach dem Dienst in der Bundeswehr.
4. Personalfragebögen
In vielen Betrieben wird vom Bewerber schon vor dem Vorstellungsgespräch oder im Rahmen dieses Gespräches verlangt, daß er einen Personalfragebogen mit einer Vielzahl von Fragen
ausfüllt. Auch dieser Personalfragebogen muß selbstverständlich in seiner Fragestellung diskriminierungsfrei sein. Andernfalls hat der Arbeitgeber ein schriftliches Indiz für eine Diskriminierung in die Welt
gesetzt.
Tip: Im Allgemeinen wird mittlerweile empfohlen, vom Bewerber nicht bereits im Vorhinein durch Personalfragebögen oder auf andere Weise die Angabe seines Lebensalters oder die Übersendung eines
Lichtbildes zu verlangen. Dies könnte als Altersdiskriminierung oder Diskriminierung wegen Rasse und ethnischer Herkunft ausgelegt werden.
Ergibt sich das Alter ohnehin aus dem Lebenslauf oder den Zeugnissen,
übersendet der Bewerber von sich aus ein Lichtbild, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
5. Auswahlentscheidung
Es ist dringend zu empfehlen, die Personalentscheidung bzw. Auswahlentscheidung in gerichtsfester Weise, also nachvollziehbar und beweisbar zu dokumentieren. Dies gilt sowohl für den
Bewerber wie auch für die vergleichbare, aber abgelehnten Mitbewerber. Nur so kann später vor Gericht ein objektiver Vergleich ermöglicht werden.
Achtung: Um objektive Abgrenzungskriterien zu besitzen,
empfiehlt es sich dringend, vor der Stellenbesetzung zunächst ein qualifiziertes Anforderungsprofil zu erstellen, nach dem dann die Auswahlentscheidung getroffen wird.
Bei der Auswahlentscheidung sollte ein
möglichst objektiver Maßstab zugrundegelegt werden anhand der Kriterien des Stellenprofils. Dabei sollten meßbare Kriterien, wie Schul- und Examensnoten, Sprachkenntnisse, fachspezifische Abschlüsse und
ähnliches herangezogen werden. Auch „Softskills“, wie z.B. Kommunikationsfähigkeit, Ausdrucksweise, Teamfähigkeit, sind zulässige Kriterien der Personalauswahl. Gerade Assessment-Center dienen dazu, solche
„Softskills“ festzustellen und zur Beweissicherung zu dokumentieren.